Fragen & Antworten
Neuer Zündstoff für Streit um Weservertiefung?
Ist die Außenweser wirklich noch nicht tief genug? Darüber streiten Bremens Politik, Wirtschaft und Umweltschützer. Ein neues Papier von WWF und BUND heizt die Debatte an.
Der Streit um die geplante Vertiefung der Außenweser geht in die nächste Runde. Seit vielen Jahren sind weite Teile der Bremer Politik und Hafenwirtschaft einerseits sowie Umweltschützer andererseits uneins bei der Frage, ob der Fluss zwischen Bremerhaven und Nordsee weiter vertieft werden soll oder nicht.
Der Bremer Senat hat im Koalitionsvertrag verabredet, für eine Vertiefung der Fahrrinne in der Außenweser um durchschnittlich einen weiteren Meter sorgen zu wollen. Auf diese Weise sollen dort unabhängig von der Tide Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,5 Metern fahren können. Denn nur so könne das Land Bremen im Wettbewerb um große Containerschiffe mit der Konkurrenz in Antwerpen und Rotterdam bestehen.
Doch Umweltschützer aus BUND und WWF sind dagegen. In einer kleinen Untersuchung zu Containerschiffen kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Außenweser schon jetzt tiefer sei als nötig. Zu den Hintergründen des Streits:
Der Verlauf der Außenweser
Wieso sind der WWF und der BUND dagegen, dass die Außenweser weiter ausgebaggert wird?
Sie sagen, dass der Tidenhub und die Strömung in der Fahrrinne der Außenweser zunähmen, würde man sie weiter ausheben. Die Folgen wären bis weit ins Landesinnere zu spüren. Sturmfluten sorgten flussaufwärts für noch mehr Wasser, Nebenarme der Weser könnten verschlicken, ebenso Strände und Bootshäfen. Außerdem würde sich die Brachwasserzone der Weser weiter flussaufwärts verschieben. Sprich: Es gelangte mehr Salzwasser ins Landesinnere.
"Leidtragende dieser Verschlechterungen sind Deichschutz, Landwirtschaft, Fischerei, Freizeitnutzende und insbesondere die charakteristischen Tiere und Pflanzen in ihrem natürlichen Lebensraum", schreiben die Umweltschützer in einem Hintergrundpapier mit dem Titel Kein Bedarf an weiterer Vertiefung der Außenweser.
Darüber hinaus weisen WWF und BUND darauf hin, dass die Außenweser unter Naturschutz steht. Sie ist Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Hier gingen Flachwasserzonen in Sandbänke, Schlick-, Sand- und Mischwattflächen über, in denen unzählige Organismen lebten. Auch seien im Wattenmeer Schweinswale, Kegelrobben und Seehunde sowie seltene Fischarten zuhause. Es gelte, ihren Lebensraum zu schützen.
BUND und WWF behaupten, dass eine Vertiefung der Außenweser der Hafenwirtschaft gar nicht helfen würde. Wie begründen sie ihre These?
Sie sagen, dass nur sehr wenige Schiffe von der geplanten Vertiefung der Außenweser profitieren würden. Dabei stützen sie sich auf Zahlen aus dem Jahr 2023. Damals seien 475 Großcontainerschiffe nach Bremerhaven eingelaufen und aus Bremerhaven ausgelaufen – 300 davon tideunabhängig, also sowohl bei Hoch- als auch bei Niedrigwasser. Wäre die Außenweser einen Meter tiefer gewesen, so hätten 93 weitere Schiffe tideunabhängig auslaufen können, also lediglich knapp 20 Prozent mehr. Zu wenig, finden die Umweltschützer.
Schon jetzt sei Bremerhaven für tiefgehende Containerschiffe besser zugänglich als Hamburg, schreiben die Autoren von WWF und BUND: "Der Maximaltiefgang für einlaufende Schiffe liegt in Hamburg bei 15,2 Metern und in Bremerhaven bei 15,5 Metern. Auslaufende Schiffe können Hamburg mit einem Maximaltiefgang von 13,8 Metern verlassen, während in Bremerhaven tiefgehende Schiffe bis zu 15,3 Metern auslaufen können."
Auch die Zeitfenster, innerhalb derer Schiffe mit großem Tiefgang derzeit in Bremerhaven einlaufen und aus Bremerhaven auslaufen könnten, würde sich durch eine Vertiefung der Außenweser nicht wesentlich verändern. Laut WWF und BUND können derzeit Schiffe mit bis zu 12,7 Metern Tiefgang tideunabhängig in Bremerhaven ein- und auslaufen. Schiffe, die noch tiefer im Wasser liegen, müssen sich an den Gezeiten orientieren und haben für das Ein- und Auslaufen je nach Tiefgang eine halbe Stunde bis zu achteinhalb Stunden Zeit.
Was sagen Akteure der Hafenwirtschaft zu den Argumenten der Umweltschützer gegen eine Vertiefung der Außenweser?
Robert Howe, Geschäftsführer der Hafenmanagement-Gesellschaft Bremenports, zeigt sich "verwundert" über die statistische Auswertung von BUND und WWF: "Die theoretischen statistischen Werte stimmen nicht mit den tatsächlichen Wassertiefen überein." So gebe es mal höheres, mal mittleres und niedrigeres Hochwasser.
Insbesondere bei Ostwind führe die Weser deutlich weniger Wasser als sonst. "Nicht hilfreich" sei zudem der Vergleich, den die Umweltschützer mit Hamburg und der Elbe anstellten, so Howe. Bremerhaven konkurriere weniger mit Hamburg als mit dem belgischen Antwerpen. Beide Häfen hätten etwa die große Reederei MSC als Kunde.
Für die Verbände Wirtschaftsverband Weser und Weserbund teilt Jörg Schulz mit, dass BUND und WWF in ihrem Hintergrundpapier lediglich den Status quo ausgewertet habe. Die eigentliche Frage aber müsse lauten: "Welche Schiffe wären gekommen und werden kommen, wenn wir die Außenweser um einen weiteren Meter vertiefen?" Schulz ist überzeugt davon, dass die Vertiefung der Außenweser für die Wettbewerbsfähigkeit Bremerhavens unverzichtbar ist.
Wie geht es jetzt weiter?
Wie Bremens Häfen-Staatsrat Kai Stührenberg sagt, liefen derzeit Gespräche zwischen Bund, Hafenbetreibern und Reedereien, um im Detail zu klären, was geschehen müsse, um die Außenweser zu vertiefen. "Dann folgt ein Planfeststellungsverfahren", so Stührenberg.
Dass die Vertiefung der Außenweser im Zuge dessen noch gekippt wird, glaubt Stührenberg nicht – im Gegensatz zu Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen und zugleich einer der Autoren des Hintergrundpapiers zur Vertiefung der Außenweser. Er hofft, dass ein Verzicht auf die Weservertiefung "ernsthaft diskutiert" wird.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 9. Oktober 2024, 19.30 Uhr