Interview
Bremerhavener Klimaforscher: "Wir haben Bremser bei uns im Land"
Bei der Weltklimakonferenz in Baku wird über Eindämmung und Folgen der Erderwärmung verhandelt. Klimaforscher Hans-Otto Pörtner aus Bremerhaven beobachtet die Lage mit Sorge.
Die zentrale Aufgabe der Delegationen aus fast 200 Ländern bei der Weltklimakonferenz COP29 ist es, einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 festzulegen. Nach Expertenschätzungen sind künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen.
Seit vielen Jahren bei solchen Konferenzen mit dabei ist Hans-Otto Pörtner, Klimaforscher vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Dieses Jahr hat er die ersten Tage aus Deutschland verfolgt, kommende Woche reist er selbst in Aserbaidschans Hauptstadt Baku, wo die COP29 noch bis zum 22. November läuft.
Mit welchen Erwartungen fahren Sie diesmal zur Konferenz?
Also, es gibt da zwei Ebenen. Die eine, dass man natürlich die Verhandlungen verfolgt. Und da gibt es eine große Skepsis, wie weit das gehen wird. Das haben wir ja in Dubai schon gesehen. Die andere Ebene ist, dass man vor Ort eben den Verhandlern Informationen bietet, welche Lösungsmöglichkeiten es für den Klimawandel gibt. Und da finden verschiedenste Side-Events, Panel-Diskussionen in den Pavillons der Nationen und auch einige Organisationen statt, um hier eben den Informationsfluss zu gewährleisten. Aber entscheidend sind natürlich die Verhandlungen im Endeffekt.
Wenn Forschung und Wissenschaft einig sind, bedeutet das nicht, dass Politik und Verstand den Vorschlägen folgen. Wie oft haben Sie das Gefühl, gegen Wände zu laufen und, dass Ihnen nicht zugehört wird?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt die konstruktiven Nationen, die sich den von der Wissenschaft vorgezeichneten Emissionspfaden voll anschließen, sich bemühen, die umzusetzen. Und dann gibt es die Bremser. Wir haben die Bremser bei uns im Land, wir haben sie international, wir haben sie zum Teil aber auch auf der Ebene der nationalen Regierungen. Und das ist unser aktuelles Problem: fängt beim Gastgeber an und hört bei Nationen wie den USA auf.
Klimawandel und Artensterben sind inhaltlich wichtig, bisher wird aber in Baku vor allem über Geld geredet, das aus den Industriestaaten für die Entwicklungsländer fließen soll – ist das ein komplett falsches Signal?
Geld ist ein Querschnittsthema. Man muss die Entwicklungsländer in die Lage versetzen, ihre Emissionen zu reduzieren, sich gleichzeitig an die zunehmenden Klimakatastrophen anzupassen und ihre Infrastruktur entsprechend zu entwickeln. Und das braucht Geld. Das braucht Investitionen. Das braucht letztendlich Firmen aus den Industrieländern, die bereit sind, sich dort zu engagieren.
Diese Gemengelage, die diskutiert wird, die hat gerade um den Faktor zehn zugenommen. Man kann sich vorstellen, welche Herausforderung das ist, diese Finanzen zu mobilisieren. Aber wir müssen uns gleichzeitig klarmachen, wenn der Finanzbedarf so groß ist, dann ist das letztendlich alternativlos. Also sich gegen Klimaschutz zu entscheiden, ist eine existenzielle Frage. Die Menschheit kann sich nicht erlauben, hier den Kopf in den Sand zu stecken.
Nach einem Telefonat von Donald Trump mit dem argentinischen Präsidenten hat dieser seine Delegation nach Hause zurückgeholt – was sagen Sie dazu?
Ich kenne die Details dieser Gespräche nicht. Die argentinische Regierung – sagen wir so – macht im Moment eher einen bizarren Eindruck in vielen ihrer Maßnahmen. Viele sind sehr, sehr extrem. Was dahinter steht, weiß ich nicht. Es gibt aber eben auch kontroverse Äußerungen aus anderen Stimmen.
Nehmen Sie Aserbaidschan als Gastgeber, wo ein Präsident die fossilen Energieträger auch heute noch als Geschenk für die Menschheit ansieht, nicht klar ist, dass die Segensphase dieser Energieträger vorbei ist und wir momentan wirklich in eine Situation laufen, wo wir uns davon verabschieden. Das hat man mit 30 Jahren Verspätung in Dubai endlich mal in eine Abschlusserklärung aufgenommen. Und das wird nun ein Jahr später durch solche Äußerungen wieder in Frage gestellt.
Das Gespräch hat Tom Grote für Bremen Zwei geführt, für butenunbinnen.de aufgeschrieben hat es Joschka Schmitt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 15. November 2024, 8:10 Uhr