Interview

"Moin ist fast eine ganze Geschichte": Warum Plattdeutsch überlebt hat

Graffito mit Schriftzug "Moin"

"Moin ist fast eine ganze Geschichte": Warum Plattdeutsch überlebt hat

Bild: dpa | Christian Ohde

Andere Sprachen sterben aus, Plattdeutsch bleibt. Warum es sich so lange gehalten hat, erklärt Arnold Preuß, Leiter des "Theaters am Meer", der niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven.

Herr Preuß, wie geht es dem Plattdeutschen in 2024?

Dem Plattdeutschen geht es eigentlich ganz gut. Denn nach einer kleinen Delle in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren ist man aufgewacht und hat gesagt: "Diese Sprache muss gefördert werden, muss erhalten werden." Und es passiert heute eine ganze Menge im Niederdeutschen.

Wie kommt es denn, dass ausgerechnet diese Sprache sich so gut gehalten hat? Schließlich war die Blütezeit des Niederdeutschen in der Hansezeit – und die ist 700 Jahre her.

Ansgar und Arnold Preuß, Leiter des Theater am Meer in Wilhelmshaven vor dem Bremen Eins Bulli.
Arnold Preuß (links), Leiter des Theaters am Meer in Wilhelmshaven, zusammen mit Reporter Ansgar Langhorst. Bild: Radio Bremen

Das ist richtig. Aber gerade in der Handelszeit ist zu sehen, dass die niederdeutsche Sprache eine europäische Sprache war. Damals war Lübeck die Hauptstadt der Hanse – und da waren Länder wie Dänemark, Schweden, Norwegen, England und Russland beteiligt.

Der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck war im Prinzip der Chef der Hansestädte. Und er hat in all seinen Reden, in all seinen Schriften nur die plattdeutsche Sprache benutzt. Wenn man es ganz optimistisch sagen will, dann war Niederdeutsch die erste europäische Sprache.

Also sind die früheren Lübecker Bürgermeister dafür verantwortlich, dass die Sprache sich so gut gehalten hat?

Ich glaube schon. Irgendwann hat es dann natürlich die Vereinheitlichung der Sprache gegeben, etwa durch die lutherische Bibelübersetzung. Ab dann ist auch das Plattdeutsche sehr in den Hintergrund geraten. Ich selber bin bei meinen Großeltern groß geworden. Und meine Eltern haben denen immer gesagt: "Mit den Jung snackt ji keen platt, de mutt Hochdüütsch lehren." Auch, damit ich in der Schule keine Schwierigkeiten hatte. Ich gehöre also genau zu denen, die in den 50er- und 60er-Jahren kein Plattdeutsch lernen konnten und durften.

Gibt es heute denn noch Kinder, die Lust haben, Plattdeutsch zu lernen und zu sprechen?

Ja, da kann ich ja direkt aus meinem Theater berichten. Wir machen das seit über 20 Jahren. Und wir haben immer regelmäßig so zehn bis 15 junge Menschen in unserer eigenen Theaterschule. Und dort lernen sie die Grundbegriffe des Theaterspiels, aber eben auch spielend die niederdeutsche Sprache.

Sie haben gerade gesagt, dass eine Menge passiert. Was passiert denn außer an den niederdeutschen Theatern in Sachen Platt?

Die Oldenburgische und die Ostfriesische Landschaft machen eine ganze Menge. Es gibt zum Beispiel in Ostfriesland ein Plattdeutsch-Büro und in Oldenburg einen Plattdeutschbeauftragten. Ein Kulturfestival wurde über die Jahre gepflegt, es gibt ein plattdeusches Songfestival. In den Kirchen wird ja schon sehr viel und sehr lange Plattdeutsch gepredigt. Viele Gemeinden haben Plattdeutschbeauftragte, die dort die Aktionen koordinieren sollen. Und dann gibt's Plattdeutsch im Kindergarten, Plattdeutsch in der Pflege. Wenn man so will: Plattdeutsch ist total in.

Haben Sie selbst ein plattdeutsches Lieblingswort?

Moin. Das ist nicht nur "Hallo" zu jeder Tageszeit, es kommt auch von "moi". Und das bedeutet sozusagen lieblich, angenehm, bequem, freundlich, hübsch, nett. "Moin" ist also schon fast eine ganze Geschichte.

(Das Gespräch führten Jens-Uwe Krause und Katharina Guleikoff für Bremen Eins. Aufgeschrieben und redigiert hat es Robert Otto-Moog.)

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  • Jens-Uwe Krause
    Jens-Uwe Krause
  • Katharina Guleikoff
    Katharina Guleikoff Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 26. September 2024, 9:15 Uhr