Interview

Druck, Stress und Klischees: Studierende drehen Doku über ihren Alltag

Faul und feierwütig – solche Vorurteile hören Studierende oft. Doch viele empfinden das Gegenteil. Eine Gruppe der Hochschule Bremerhaven dreht nun einen Film, um damit aufzuräumen.

Eine Frau blickt in die Kamera.
Lisa Albrecht ist 22 Jahre alt, studiert Digitale Medienproduktion an der Hochschule Bremerhaven und arbeitet in einem Team aus 17 Studierenden an dem Dokumentarfilm. Bild: Lisa Albrecht

Ihr habt euch mit dem Alltag von Studenten auseinandergesetzt – warum?

Uns ist aufgefallen, dass man oft hört: "Studierende machen nur Party und schlafen den ganzen Tag." Das ist einfach nicht wahr, oft eher das Gegenteil: Man leidet unter einem hohen Druck – ob von einem selber oder dem gesellschaftlichen Leistungsdruck.

Das wollen wir beleuchten und zeigen, was da dran ist oder eben auch nicht. Unser Ziel ist es vor allem, mit den Vorurteilen aufzuräumen und darauf aufmerksam zu machen, dass das Studium mittlerweile ein Vollzeitjob ist. Wir möchten die Gesellschaft dafür sensibilisieren und hoffen, dass einige Menschen durch unseren Film ein realistischeres Bild bekommen und mehr Verständnis aufbringen. Im Rahmen unseres Medienprojekts haben wir angefangen, einen Dokumentarfilm zu drehen: "24/7 – Studierende am Limit". Wir begleiten vier Studierende aus Bremerhaven, Hamburg, Osnabrück und Wilhelmshaven. Dabei schauen wir, wie deren Alltag aussieht.

Wie habt die Protagonisten ausgewählt?

Wir haben eine Art Casting gemacht und dabei einen Aufruf über Instagram und andere Portale gestartet: "Hey Leute, seid ihr gestresst, habt ihr Lust darüber zu sprechen?" Da kamen echt viele Rückmeldungen, was uns gezeigt hat: Das ist ein Thema, das wichtig ist und das wir ansprechen wollen. Dann haben wir ein paar Leute kennengelernt und geschaut, dass wir da ein bisschen Vielfalt reinkriegen und verschiedene Seiten und Städte beleuchten können. Das hat ganz gut funktioniert.

Eine Frau filmt einen Mann im Park.
Für den Film wurden mehrere Protagonisten in ihrem Alltag begleitet. Bild: Johanna Geimer

Was ist denn das Hauptproblem: die Überforderung oder die Vorurteile?

Ich glaube, das ist sehr individuell. Es kommt auf die Uni oder Hochschule an. Wichtig ist, dass akzeptiert wird oder in den Köpfen ist, dass Studierende viel zu tun haben. Und, dass Dozentinnen oder Dozenten nachfragen, wie es gerade aussieht. An sich macht es ja Spaß, man will ja studieren und hat sich das ausgesucht. Aber ich würde es gut finden, wenn ein bisschen mehr Akzeptanz da ist.

Habt ihr selbst mit solchen Vorurteilen und Stress zu kämpfen?

Jeder macht andere Sachen und hat ein anderes Stressempfinden. Aber in der Gruppe konnten es alle direkt nachvollziehen. Wenn man mal offen darüber spricht und sagt: "Ich bin bin extrem überfordert", sagen viele Leute, dass es ihnen genauso geht. Von Älteren oder Eltern kommt dann oft: "Ist doch nicht schlimm, wenn du noch einen Nebenjob hast oder mach doch mal was, du studierst ja nur." Dabei ist es einfach ein Vollzeitjob geworden. Ich glaube, das hat sich über die Jahre ziemlich verändert. Deswegen entstehen diese Vorurteile.

Hast du selbst diese konkreten Erfahrungen auch gemacht?

Bei mir ist es zum Glück nicht so. Meine Eltern sagen: "Jetzt mach mal langsam, mach dir nicht so viel Stress." Die versuchen das abzufangen, wenn ich komme und sage, dass mir alles irgendwie zu viel ist. Bei mir ist es eher so, dass ich mir selber sehr viel Druck mache. Aber das ist bei jedem anders. Ich kenne auch Leute, die sagen: "Ich muss meinen Master machen, weil meine Eltern das von mir erwarten. Und ich soll einen guten Job haben." Und die haben vielleicht auch studiert. Oder haben nicht studiert und sagen, du sollst deswegen studieren. Das kommt alles vor.

Ich finde es super, dass wir in unserem Studiengang keine Prüfungen schreiben und nicht diese krassen Prüfungsphasen haben. Auf der anderen Seite denke ich: "In der Zeit lernt man doll, aber dann ist man fertig." Im Medienstudium gibt es viele Möglichkeiten, auch gerade in Bremerhaven. Man kann so viel nebenbei machen. Es ist bei allen anders, aber ich denke immer, dass ich eigentlich noch ganz viele Projekte starten und am besten auch schon selbstständig sein müsste. Es wird auch viel miteinander verglichen. Das fällt mir in anderen Studiengängen weniger auf.

Ein Mann filmt eine Frau am Schreibtisch.
Corona bei den Dreharbeiten zur Doku erschwerend hinzu. Bild: Lynn Uhrlaub

Hat Corona eine Rolle für das Projekt gespielt?

Es ist eigentlich nicht durch Corona entstanden. Wir mussten es aber leider in dieser Zeit anfangen. Das war ziemlich kompliziert. Aber an sich geht es wirklich eher um das allgemeine Stressempfinden und den allgemeinen Leistungsdruck, der herrscht. Corona kommt da on top und wird natürlich auch zu einem Stressfaktor.

Wie weit seid ihr momentan und wo ist der Film zu sehen?

Fertig sind wir noch nicht. Wir haben die Dreharbeiten abgeschlossen, sind jetzt in der Postproduktion. Der Film soll noch diesen Sommer fertig werden. Da wir den Dokumentarfilm auf vielen Festivals einreichen möchten, kann er erst später offiziell veröffentlicht werden. Allerdings planen wir eine mögliche Premiere im CineMotion in Bremerhaven.

Gibt es schon ein Resümee?

Für mich war es vor allem sehr interessant zu sehen, dass – egal welcher Studiengang, Wohnort oder persönliche Umstände – alle sagen: "Es ist anders als das Bild in der Gesellschaft." Der Stress und der Leistungsdruck sind da. Das tat auch gut und war schön zu hören. Man kann das verstehen, man kann füreinander da sein. Man denkt dann nicht: "Vielleicht bin ich zu schwach oder kann den Stress nicht gut aushalten." Sondern es geht irgendwie allen so – und das tut ganz gut.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Next, Next am Nachmittag, 5. Juli 2021, 15:50 Uhr