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Bremer Uni gegen Senat: Gerichtsverfahren müssen Tierversuche regeln

Eine Albino-Ratte in einem Tierversuch der Universität Bremen
Ratten gehören neben Mäusen und Fröschen zu den häufigsten Versuchstieren an der Uni Bremen. Bild: Universität Bremen

Der Bremer Senat und die Uni Bremen liegen bei Tierversuchen über Kreuz. Dabei geht es nicht nur um die Affen von Andreas Kreiter, sondern auch um Ratten, Mäuse und Frösche.

Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen dem Bremer Senat und der Uni Bremen um Tierversuche spitzt sich weiter zu. Inzwischen beschäftigen sich damit zwei Gerichte in zwei voneinander unabhängigen Verfahren – die doch indirekt miteinander zusammenhängen. Grob gesagt geht es in beiden Fällen darum, dass der Bremer Senat Tierversuche weitgehend verbieten oder zumindest radikal beschränken möchte, wohingegen die Uni Bremen Tierversuche als unverzichtbar für die Forschung und für die Ausbildung von Biologen ansieht. 

So wehrt sich derzeit zum einen der Bremer Hirnforscher Andreas Kreiter vor dem Verwaltungsgericht Bremen gegen ein Verbot seiner Versuche an Affen durch das Bremer Gesundheitsressort. Zum anderen hat die Uni Bremen kürzlich eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Novelle des Bremer Hochschulgesetzes eingereicht, die der Bremer Senat im vorigen März verkündet hat. Das Gesetz unterwirft Tierversuche in Bremen strengen Regeln, obwohl diese Versuche nach Auffassung der Uni bereits abschließend durch ein anderes, übergeordnetes Gesetz geregelt sind. Im Einzelnen:

Worum geht es bei der Beschwerde der Uni Bremen vor dem Bundesverfassungsgericht konkret?

Es geht um eine Novelle des Bremer Hochschulgesetzes, die der Senat im März 2023 verkündet hat. Darin stehen nach Auffassung der Uni "zum Nachteil der wissenschaftlichen Lehre" Regelungen zu Tierversuchen, "die von den bindenden Vorgaben des bundesrechtlichen Tierschutzgesetzes abweichen und für die dem Landesgesetzgeber daher die Zuständigkeit fehlt."
 
So soll die Uni durch das Hochschulgesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, auf eigens für die Lehre getötete Tieren zu verzichten. Diese Vorschrift gehe über das Bundesrecht hinaus, teilt die Uni in einer Stellungnahme mit. Nach dem Tierschutzgesetz sei das Töten von Tieren in der universitären Ausbildung zulässig. 

Wofür Tierversuche nach dem Tierschutzgesetz zulässig sind

Zu welchem Zweck sind Tierversuche zulässig? Entwicklung undErprobung von Waffen, Munition und dazugehörigem Gerät Prüfung der Unbedenklichkeit GrundlagenforschungMedizinische AnwendungErkennen vonUmweltgefährdungen X Entwicklung neuerArzneimittel Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und Kosmetika NICH T ZU L ÄSSIG NICH T ZU L ÄSSIG
Quelle: www.tierversuche-verstehen.de

Weshalb hält es die Uni Bremen für notwendig, Tiere für die Lehre zu töten?

Der Neurobiologe und Tierschutzbeauftragte der Uni Bremen, Detlef Wegener, sagt dazu: "Ein Biologe muss wissen, wie der Körper eines Organismus aufgebaut ist, wo welche Organe liegen." Hierzu müsse er im Laufe seines Studiums auch leibhaftige Körper von innen gesehen haben, nicht nur Schaubilder.

"Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unsere Studierenden die nötige Sachkunde erwerben, die sie für die Arbeit in verschiedenen Forschungseinrichtungen auch außerhalb Bremens qualifiziert. Auch das Tierschutzgesetz fordert diese Sachkunde", so Wegener. 

Wie viele Tiere und was für Tiere werden in der Uni Bremen bei Tierversuchen getötet?

Die Uni unterscheidet zwischen Tieren, die für die Forschung getötet werden und solchen, die für die Lehre getötet werden. Für die Lehre, also für die Ausbildung sämtlicher Biologie-Studentinnen und -Studenten der Uni Bremen, müssten pro Jahr etwa 25 Exemplare der invasiven nordamerikanischen Ochsenfrösche ihr Leben lassen, sagt Wegener. Hinzu kämen rund zwanzig Goldfische und etwa 50 Ratten. 
 
In der Forschung der Uni, so Wegener, hänge die Zahl der getöteten Tiere stark von den jeweils aktuellen Forschungsprojekten ab. In der Regel gehe es um einige Dutzend, mitunter auch um einige Hundert Mäuse. "Es sind vergleichsweise sehr wenige Tiere, die wir in Bremen für die Forschung töten", betont Wegener. 

Zu welcher Forschung welche Tierart beiträgt

Zu welchen Forschungsarten tragen welche Tierarten bei? SIV/HIV-ForschungImpfstoffentwicklungNeurobiologische Grundlagen-forschung/angewandte ForschungWirksamkeitsprüfungvon ArzneimittelnKrebsforschungStoffwechselerkrankungenGenomforschungWirksamkeitsprüfungvon ArzneimittelnWirksamkeitsprüfungvon ArzneimittelnHerzchirurgieEntwicklung von HörhilfenNeurophysiologischeStudienErforschung der KatzenleukoseEntwicklung von ImpfstoffenKrebsforschungGenomforschungStoffwechselerkrankungenWirksamkeitsprüfungvon ArzneimittelnVeterinärmedizinische ForschungDiabetesforschungOsteoporoseforschungTransplantationschirurgieHerz-Kreislauf-ErkrankungenVeterinärmedizinische Forschung
Quelle: www.tierversuche-verstehen.de

Wie lange wird es dauern, bis das Bundesverfassungsgericht über die Beschwerde der Uni Bremen urteilt, und was gilt bis dahin?

Wie ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts mitteilt, ist noch nicht absehbar, wann das Verfassungsgericht über die Beschwerde urteilen wird. Detlef Wegener rechnet damit, dass bis dahin noch mehrere Jahre verstreichen könnten. Wie es bis dahin weitergehen wird, muss sich im Einzelfall zeigen. "Wir handeln rechtskonform auf Basis des Tierschutzgesetzes", sagt Wegener dazu. 
 
Auch nach dem Tierschutzgesetz könne die Uni Bremen nur Tierversuche machen, die zuvor vom Gesundheitsressort genehmigt worden sind. Und daran werde man sich auch künftig halten. Allerdings müsse das Gesundheitsressort seinerseits mögliche Versuchsverbote juristisch sauber begründen – was Wegeners Meinung nach im Falle der Affenversuche Andreas Kreiters nicht geschehen ist. Die abschließende Einschätzung des Verwaltungsgerichts hierzu steht noch aus.

Worum geht es nochmal bei dem Streit um die Affenversuche Andreas Kreiters, und was ist dazu der aktuelle Stand?

Der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter betreibt Grundlagenforschung, bei der es um die Funktionsweise des Gehirns geht. So untersucht der Wissenschaftler beispielsweise, wie aus Sinnesreizen das wird, was Menschen als Gefühle bezeichnen. Da es sich hierbei um höherer kognitive Fähigkeiten handelt, dienen Kreiter für die entsprechenden Experimente keine Ratten oder Mäuse, sondern Affen, genauer: Makaken. 

Das Gesundheitsressort hat Kreiter eine neuerliche Genehmigung für seine seit 1997 laufenden Versuche im vorigen Herbst verweigert. Es begründet seine Ablehnung unter anderem damit, dass den Affen bei Kreiters Versuchen "schwere Leiden" zugefügt würden. Denn zu den Versuchen gehörten "neben dem regelmäßigen Wasserentzug und der Fixierung im sogenannten Primatenstuhl auch umfangreiche Kopfoperationen".

Gegen diese Entscheidung und Einordnung durch das Gesundheitsressort geht Andreas Kreiter derzeit vor dem Verwaltungsgericht Bremen vor. Mithilfe eines Eilantrags konnte er bereits erwirken, dass er seine Versuche fortsetzen darf, bis das Gericht den Fall abschließend geprüft hat. Wann es so weit sein wird, ist laut Gerichtssprecherin Verena Korrell noch offen. Das Verfahren sei hochkomplex, so die Richterin. 

buten un binnen kompakt vom 27. Februar

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. Februar 2024, 19.30 Uhr