Darum treffen die hohen Preise Bremer mit Behinderung besonders hart

Ein gehbehinderter Mann mit Rollator in seiner Küche (Symbolbild)
Insbesondere für Menschen mit Behinderung haben die Preissteigerungen der vergangenen Monate Konsequenzen: Spielraum zum Sparen haben sie kaum. Bild: Imago | photothek/Ute Grabowsky

Ob Einkauf oder Gas: Alles ist teurer. Doch gerade Menschen mit Behinderung können es sich oft nicht leisten, sparsam zu sein. Ein Fachtag beleuchtet das Problem.

Bettina Fenzel hat zwei große Leidenschaften: Geschichte und Backen. Seit ihrer Kindheit faszinieren die Bremerin historische Themen, ein Geschichtsstudium scheiterte jedoch an ihrer Behinderung. Beim Backen machen ihr jetzt die hohen Kosten für Energie und Lebensmittel Sorgen. "Ich backe leidenschaftlich gerne Weihnachtsplätzchen, aber dieses Jahr fällt das aus", sagt die 58-Jährige. Denn wie viele andere Menschen mit Behinderung ist sie von Armut betroffen, lebt von Grundsicherung und einer kleinen Erwerbsunfähigkeitsrente.

Was viele nicht wissen: Beim Heizen oder Einkauf zu sparen, ist laut Fenzel für viele behinderte Menschen keine Option. "Meine Freundin bekommt Krämpfe, wenn ihre Wohnung nicht warm genug ist", sagt sie. Andere müssten Batterien für ihren Rollstuhl stets aufladen oder penibel auf gesunde Ernährung achten – und das ist teuer. Der Fachtag "Behinderung und Armut" in der Bremischen Bürgerschaft macht das zum Thema und gibt Betroffenen so ein Forum. Auch Bettina Fenzel ist dabei.

Verschärfte Armut führt zu Isolation

Hinter dem Fachtag steht der Arbeitskreis Bremer Protest gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, der auch das Bremer Behindertenparlament organisiert. Florian Grams ist stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen und unterstreicht die Folgen von Armut angesichts der aktuellen Situation.

Wenn nun die Lebenshaltungskosten für alle Menschen deutlich steigen, dann sind Menschen mit Behinderungen davon besonders betroffen, da die Einschränkung von Teilhabemöglichkeiten bei ihnen auf ohnehin eingeschränkte Möglichkeiten treffen.

Florian Grams, stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen
Bettina Fenzel spricht 2019 im Behindertenparlament (Archivbild)
Bettina Fenzel engagiert sich als Abgeordnete seit Jahren beim Bremer Behindertenparlament und setzt sich engagiert für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Bild: LAG Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen e. V. | Frank Scheffka

Bettina Fenzel spürt das schon jetzt: Kinobesuche, gesellige Kochabende, ein Kaffee beim Bäcker oder Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, all das fällt weg. Die gelernte Gemüsegärtnerin sieht keine Möglichkeit, an ihrer Situation etwas zu ändern. "Für den ersten Arbeitsmarkt bin ich wegen meiner gestörten Feinmotorik zu langsam", sagt sie. Sie habe aber auch viele Qualitäten, könne gut reden und engagiere sich deswegen in der Politik – ehrenamtlich. Aus Arbeitslosigkeit wurde so schnell Armut. Jetzt, wo alles teurer ist, fühle sie sich noch ausgegrenzter als ohnehin schon.

Klare Forderungen an die Politik

Viele Menschen mit Behinderungen schaffen es laut Florian Garms kaum auf den ersten Arbeitsmarkt. Sie seien deshalb in besonderem Maße von Armut bedroht. Wie vielen Menschen im Land Bremen es so geht, lässt sich laut Arne Frankenstein aber nicht genau beziffern. Der Landesbehindertenbeauftragte fordert deswegen einen umfassenden Teilhabebericht über die Lebenslagen behinderter Menschen. Von Armut betroffen seien beispielsweise nicht nur Menschen mit einer körperlichen Behinderung.

Viele Menschen mit seelischer Behinderung verlieren aufgrund fehlender oder nicht wirksamer Unterstützungssysteme ihre Arbeit und rutschen in die Erwerbslosigkeit.

Landesbehindertenbeauftragter Arne Frankenstein
Arne Frankenstein, Bremer Landesbehindertenbeauftragter

Beim Fachtag in der Bremischen Bürgerschaft wollen Betroffene nicht nur auf ihre Sorgen und Ängste aufmerksam machen, sondern auch klare Forderungen an die Politik stellen. "Menschen mit Behinderungen fordern den Ausschluss von Zwangsräumungen und Energiesperren, eine Erhöhung des geplanten Bürgergelds auf mindestens 750 Euro und eine höhere Übernahme von Strom- und Heizkosten von Menschen mit Behinderung, chronischen Krankheiten und pflegebedürftigen Menschen", sagt Garms.

Bettina Fenzels Sorgen gehen über eine kalte Wohnung hinaus. "Ich wünsche mir einfach mehr Unterstützung, um am gesellschaftlichen Leben auch wirklich teilnehmen zu können", sagt sie. Ohne eigene Arbeit oder höhere finanzielle Mittel, sei das nicht möglich. Auf das Backen der Weihnachtskekse wolle sie 2023 jedenfalls auf keinen Fall mehr verzichten.

So sehr kämpfen Menschen mit Behinderung in Bremen um einen Job

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Angela Weiß
    Angela Weiß Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen; 2. Dezember 2022; 19:30 Uhr