IG BAU: Bis zu 75.000 Bremer Wohngebäude asbestbelastet

Asbest-Gefahr: Warum Sanierungen aufwändig und teuer sind

Bild: Imago | Photoshot/Construction Photography

In vielen Altbauten wurde der krebserregende Baustoff bis Ende der 1980er Jahre verwendet. Angesichts anstehender Sanierungen fürchtet die IG BAU nun eine "Asbest-Welle".

Vor dreißig Jahren wurde die Nutzung von Asbest in der deutschen Bauindustrie verboten. Doch die Altlasten des krebserregenden Baustoffs schlummern noch immer in Kellerrohren, Fassaden, Bodenbelegen und Dachkonstruktionen vieler Gebäude und Wohnungen. Allein für Bremen zählt das Pestel-Institut in einer Studie 75.505 Wohngebäude, die von 1950 bis 1989 gebaut wurden und oft noch mit Asbest belastet sind. Deutschlandweit sind es der IG Bau zufolge fast 9,5 Millionen.

Für die Menschen, die in Wohngebäuden leben, die mit asbesthaltigen Baustoffen gebaut wurden, gibt es zwar keine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit. Asbest in Altbauten könne aber zum Problem werden, wenn saniert oder umgebaut werde, sagt IG-BAU-Vorstand Carsten Burckhardt. Vor diesem Hintergrund fürchtet die Baugewerkschaft daher um die Gesundheit vieler Bauarbeiter, Hand- und Heimwerker.

Sanierungen bringen "unsichtbare Gefahr"

"Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen", sagt Burckhardt. Der Arbeitsschutzexperte warnt daher vor einer "unsichtbaren Gefahr": Alles beginne mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern. Dabei hätten Bauarbeiter und Heimwerker kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen. Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.

Bei den Berufskrankheiten ist Asbest die häufigste Todesursache.

Carsten Burckhardt, IG-BAU-Vorstand und Arbeitsschutzexperte

Aktuellen Zahlen zufolge verstarben in den vergangenen zehn Jahren 3.376 Versicherte der BG BAU infolge einer asbestbedingten Berufserkrankung – darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.

Unterdurchschnittlich viele Großgebäude in Bremen

Asbest-Kristall auf schwarzem Hintergrund
Asbest ist ein in der Natur vorkommendes Mineral mit für viele Industriezweige eigentlich idealen Eigenschaften wie Feuerfestigkeit und hoher Belastbarkeit. Bild: Imago | Wirestock

Besonders hoch sei die Wahrscheinlichkeit auf Asbest zu treffen in großen Mehrfamilienhäusern mit 13 und mehr Wohnungen, in denen oft asbestbelastete Fahrstühle verbaut seien. Da es Fahrstühle vorwiegend in großen Gebäuden gebe, hätten diese aktuell das höchste Risiko einer Asbest-Belastung, sagt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. "Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand ist es wichtig, hier mit allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen", sagt Günther.

In Bremen gibt es 1.532 Wohngebäude dieser Größe, was einer Quote von 6,9 Prozent am gesamten Wohngebäudebestand entspricht – und damit leicht unter dem bundesweiten Schnitt liegt. Zum Vergleich: Im Stadtstaat Berlin liegt der Anteil dieser großen Gebäude bei 31,3 Prozent. In Hamburg sind es 13,1 Prozent. Ebenfalls hoch liegt die Quote in den noch vom Plattenbau geprägten ostdeutschen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern (13,2 Prozent) und Sachsen (11 Prozent).

Gewerkschaft setzt auf Asbest-Charta

Die in den kommenden Jahrzehnten anstehenden energetischen Sanierungen betreffen Bremen jedoch ebenso wie andere Länder, Städte und Kommunen. Und mit der Sanierungswelle drohe jetzt eine "Asbest-Welle" auf dem Bau, sagt Gewerkschafter Burckhardt.

Seine Bau-Gewerkschaft will dem jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten, das sie selbst als "Asbest-Charta" bezeichnet. Darin fordert die IG BAU unter anderem bessere Informationen über Asbest-Gefahren, zum Beispiel durch einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die Asbest-Belastung eines Gebäudes. Außerdem verlangt die Gewerkschaft eine staatliche Förderung von Asbest-Sanierungen, zum Beispiel in Form einer KfW-Förderung. Nicht zuletzt setzt die Gewerkschaft auf konsequenten Arbeitsschutz. Um diese Punkte umzusetzen, plädiert Burckhardt für einen Asbest-Gipfel von Bund, Ländern und Kommunen.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. August 2023, 19:30 Uhr