Fragen & Antworten
Viele tödliche Unfälle: Was Landstraßen so gefährlich macht
Ein großer Teil der Unfälle passiert auf Landstraßen, zuletzt starb ein Autofahrer in Diepholz. Was dort besonderes Gefahrenpotenzial birgt – und was man dagegen tun kann.
Zu wie vielen schweren Unfällen kommt es auf Landstraßen in Niedersachsen?
Aus der Verkehrsunfallstatistik Niedersachsen für das Jahr 2023 ergibt sich: Wie im Vorjahr sind rund zwei Drittel der tödlichen Verkehrsunfälle (insgesamt 268) auf Landstraßen passiert. 111 Menschen starben bei einem sogenannten Baumunfall, 717 Menschen wurden bei einem Unfall mit einem Baum schwer verletzt. Insgesamt lag die Zahl der Baumunfälle bei 3.340. Und erst diese Woche ist ein 54-jähriger Autofahrer bei einem Unfall auf einer Landstraße im Kreis Diepholz ums Leben gekommen. Er verlor auf regennasser Fahrbahn die Kontrolle über das Auto und prallte gegen zwei Bäume.
Welche Maßnahmen gegen schwere Baumunfälle gibt es?
2015 bis 2017 wurden 25 Streckenabschnitte in Niedersachsen mit Schutzeinrichtungen ausgestattet, teilt die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr auf Anfrage mit. Seit 2017 werden die Bundesfernstraßen genauer unter die Lupe genommen.
"Hierbei werden alle Hindernisse mit einem Abstand zum äußeren Fahrbahnrand von 4,5 Metern oder weniger auf die Nachrüstung von Schutzsystemen hin geprüft. Zwischen 2017 und 2022 wurden für die Nachrüstung bereits rund 22 Millionen Euro investiert – fast ausschließlich im Zusammenhang mit der Absicherung von Bäumen."
Wie wichtig sind Schutzplanken vor Bäumen?
Eine Studie zu Baumunfällen der Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2009 kommt zu dem Schluss: "Schutzplanken mindern die Unfallfolgen signifikant. Diese Maßnahmen lassen sich an bestehenden Gefahrenstellen in der Regel schnell und problemlos realisieren, ggf. kann die Randstreifenbreite vergrößert und eine geringere Fahrstreifenbreite in Kauf genommen werden. Wichtig hierbei ist, dass ein direkter Aufprall auf Bäume verhindert wird." Laut Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, sind die Erkenntnisse auch 14 Jahre später noch aktuell.
"Schutzeinrichtungen sind ein Mittel, um die Gefährdung für Fahrerinnen und Fahrer zu senken, indem sie vor schweren Unfallfolgen schützen, und gleichzeitig den Baumbestand erhalten helfen", schreibt die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr auf Anfrage. Allerdings müsse vor Ort häufig genau abgewogen werden, wie eine Schutzeinrichtung angepasst und gebaut werden müsse. "Zum Beispiel sollte der Abstand der Schutzeinrichtungen in beiden Fahrtrichtungen, also die Breite, die der Begegnungsverkehr ungehindert nutzen kann, nicht kleiner werden als sieben Meter." Zu bedenken sei auch: Schutzplanken können laufendes Wild behindern und dadurch eine zusätzliche Gefahrenquelle schaffen. Wie viele Bäume in Niedersachsen von Schutzplanken gesichert sind, wird laut der Landesbehörde nicht erfasst.
Wie wirken Schutzplanken?
"Es gibt leider noch ziemlich viele Bäume, die nicht gesichert sind durch Schutzplanken. Wobei man aber auch bedenken muss, dass Schutzplanken ihre Wirkung dadurch entfalten, dass sie bei einem Aufprall nach hinten nachgeben", erklärt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer. Damit diese Wirkung erreicht werden kann, muss also zwischen Baum und Planke ein Abstand bestehen. Gerade bei Alleen, wo Bäume direkt am Straßenrand stehen, dürfte das schwierig sein.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit bei Baumunfällen?
"Die Herabsetzung und Anpassung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an die vorhandene Linienführung und die Durchsetzung dieser Geschwindigkeit durch ortsfeste Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen in beiden Fahrtrichtungen ist nachweislich eine der wirksamsten Maßnahmen", heißt es von der Unfallforschung der Versicherer. Ein großer Teil der Unfallkosten beim Aufprall auf Bäume könne dadurch eingespart werden. Die Unfallforschung der Versicherer hat daher seinerzeit empfohlen, die Höchstgeschwindigkeit herabzusetzen, in Alleen solle maximal Tempo 80 gelten.
Der ADAC Weser-Ems teilt dazu auf Anfrage mit: "Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit kann auf schmalen, kurvigen Landstraßen bei Bedarf Tempo 80 angeordnet werden. Hingegen wäre Tempo 80 als Regelgeschwindigkeit auf Landstraßen unverhältnismäßig. Auf gut ausgebauten Landstraßen spricht unter Verkehrssicherheitsaspekten nichts gegen die bestehende Regelgeschwindigkeit von 100 km/h." Landstraßen sollten so ausgebaut werden, dass man dort sicher mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 100 Kilometer pro Stunde fahren könne. Der ADAC ist eine Interessensvertretung von Autofahrern und hat sich lange gegen ein generelles Tempolimit ausgesprochen.
Was hilft noch dabei, Baumunfälle zu verhindern?
Ein weiterer Faktor liegt in der sich immer weiter entwickelnden Technik von Fahrerassistenzsystemen. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Zahlen von schweren Baumunfällen nach unten entwickelt. "Tatsächlich wurden seitdem viele Schutzplanken errichtet. Entscheidend ist aber auch: Heute haben wir ESP. Auf Landstraßen ist das ein sehr wichtiges Assistenzsystem", fasst Siegfried Brockmann zusammen. Das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) kann über Sensoren erkennen, wenn ein Auto auszubrechen droht oder ins Schleudern gerät.
Bei einem Verkehrssicherheitstraining könne man bestimmte Techniken erlernen, die man dann in einer Gefahrensituation gezielt abrufen könne, wie zum Beispiel gezieltes Bremsen oder Techniken, um zu verhindern, dass man das Lenkrad verreißt, sagt Nils Linge, Pressesprecher ADAC Weser-Ems. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat zeigt in seinen Fahrsicherheitstrainings die Wirkung des gezielten Bremsens. Es sollte nicht zögerlich sein, sondern von Anfang an mit voller Kraft, um den Bremsweg so kurz wie möglich zu halten. Eine Erkenntnis aus den Trainings: Viele Fahrerinnen und Fahrer schätzen die Länge eines Bremsweges falsch ein, was vor allem auf kurvenreichen Landstraßen gefährlich werden kann. Besonders in Kurven gilt daher: Runter vom Gas.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau, 26. Juli 2024, 12 Uhr