Warum in Bremen ehemalige Zivis zum Sturmgewehr greifen
Wegen des Kriegs in der Ukraine muss die Bundeswehr umdenken. Mit einer unkonventionellen Strategie will sie jetzt dem Personalmangel entgegenwirken — auch in Bremen.
Das Heer versucht nun auch Ungediente zu gewinnen. Menschen also, die bislang keine Erfahrung bei der Bundeswehr gesammelt haben. Menschen, die längst im Beruf stehen. Sogar ehemalige Zivildienstleistende können eine verkürzte Grundausbildung machen und anschließend als Reservisten in der Heimatschutzkompanie dienen.
Malte, der seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht nennen möchte, hat diese Ausbildung bereits hinter sich: "Ich hab früher aktiv verweigert. Und das war in meinem Freundeskreis ganz normal. Das haben eigentlich fast alle gemacht. Und keiner hat den Sinn gesehen, wofür es eine Bundeswehr braucht. Ja, das hat sich jetzt ziemlich geändert."
"Ausschlaggebende Punkt war die Ukraine"
Dass Malte trotz früherer Verweigerung mit 47 Jahren doch noch zum Sturmgewehr greift, erklärt er mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Und das ist der Grund der meisten Ungedienten, die sich für die Heimatschutzkompanie ausbilden lassen.
Der ausschlaggebende Punkt war die Ukraine. Der Überfall von Russland.
Malte, 47 Jahre
Herausforderung für Bundeswehr und Rekruten
Insgesamt dauert die Grundausbildung für die Ungedienten 165 Stunden. Diese werden an drei verlängerten Wochenenden absolviert. Dabei müssen nicht nur die Rekruten umdenken. Auch die Bundeswehr sieht sich bei den Ungedienten mit ungewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert, wie der Bremer Kompaniechef Heimatschutz Victor von der Decken betont: "Wenn ich jemandem etwas sage, dann erwarte ich, dass er das macht. Und für viele aus dem zivilen Bereich ist das natürlich der Punkt, dass sie diese Sachen erstmal hinterfragen, diskutieren."
Das müsse man den Rekruten behutsam abgewöhnen, sagt von der Decken und fügt hinzu: "Es geht dabei nicht darum, den freien Willen zu unterdrücken, sondern darum, den Leuten zu sagen: Okay, es gibt eine Entscheidung und das müssen wir jetzt machen."
Heimatschutzkompanie soll Infrastruktur schützen
In der Ausbildung müssen die Ungedienten sich beweisen. Sie müssen sich in langen Märschen quälen, müssen mit wenig Schlaf auskommen und sich bei Gefechtsübungen beweisen. Das alles ist Malte nicht immer leicht gefallen.
Losmarschieren ohne Trinken, ohne Frühstück, ohne Zähneputzen. Als Zivilist – so verwöhnt, wie man ist – schockt einen das schon ziemlich.
Malte, 47 Jahre
Im Kriegsfall soll die Heimatschutzkompanie die heimische Infrasturktur schützen. Eine besondere Rolle spielen dabei die Hafenanlagen in Bremerhaven. Sie sind seit dem Zweiten Weltkrieg die wichtigste Logistikdrehscheibe für das US-Militär in Nordeuropa. Von hier aus würden im Ernstfall Waffen und Fahrzeuge verladen – zum Beispiel für einen Krieg im Baltikum. Der oberste Militär Bremens, der Kommandeur des Landeskommandos Oberst Andreas Timm, erklärt: "Die Funktionsfähigkeit Bremerhavens einzuschränken, ist durchaus in Putins Interesse."
Nicht zuletzt deshalb arbeitet Oberst Timm gerade an einer Verdopplung der Zahl der Heimatschutz-Kräfte im Land Bremen. Aus einer Kompanie mit rund 100 Reservisten sollen zügig zwei Kompanien werden. Nicht zuletzt mit Hilfe der Ausbildung Ungedienter.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. Juni 2024, 19:30 Uhr