Kommentar

Strafen für Catcalling sind längst überfällig

Eine Frau geht über eine Straße.

Niedersächsische Ministerin: "Catcalling muss keine Frau hinnehmen"

Bild: dpa | Zacharie Scheurer

Unsere Autorin Patricia Friedek hat sogenanntes Catcalling schon häufig erlebt. Sie meint: Dass Niedersachsen verbale sexuelle Belästigung strafbar machen will, ist genau richtig.

Erst vor wenigen Wochen ist es wieder passiert. Ich stehe an einer Ampel in der Bremer Vahr, auf dem Weg zum Sport. Plötzlich höre ich ein Schmatzen, begleitet von einem "hübsch, hübsch". Noch bevor ich reagieren kann, ist der Mann mit seinem Fahrrad an mir vorbeigerauscht. Zurück bleibt ein ekliges Gefühl in mir, das ich am liebsten abschütteln würde, aber nicht kann. Und eine Wut, auch darüber, dass ich nichts gesagt oder getan habe.

Wenn ich Catcalling erlebe, dann am häufigsten in dieser Form. Wie einem Hund wird mir hinterhergeschnalzt, meist im Vorbeigehen, manchmal folgt noch ein Kommentar. Catcalling ist nicht nur, aber auch in Deutschland ein großes Problem. Eine Befragung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen aus dem Jahr 2021 ergab, dass gut 90 Prozent der rund 4.000 befragten Menschen in den vorangegangenen Monaten wegen ihres Aussehens bewertet worden waren. Mehr als die Hälfte hatte Beleidigungen aufgrund ihres Geschlechts, sexuelle Annäherungsversuche, sexistische Sprüche und anzügliche Bemerkungen erlebt. Die meisten der Betroffenen waren Frauen oder Menschen aus der LGBTQ+-Community.

Ein längst überfälliger Schritt

Es ist deshalb ein notwendiger und längst überfälliger Schritt, dass die niedersächsische Landesregierung Catcalling deutschlandweit unter Strafe stellen will. Im Bundesrat wird noch über den Entwurf abgestimmt. Die Frage, die man sich dabei durchaus stellen kann: Warum erst jetzt? Und warum hat das vorher noch kein Bundesland gemacht, Bremen zum Beispiel?

In Frankreich, Spanien und Belgien etwa ist Catcalling bereits unter Strafe. Genau wie bei Beleidigungen wird es hier schwierig werden, jeden Fall juristisch nachzuverfolgen. Aber das Signal ist wichtig – sowohl an die Opfer als auch an die Täter.

Frauen meiden Orte wegen Catcalling

Denn Catcalling ist eine perfide Form der Machtdemonstration, meist von Männern gegenüber Frauen. Es ist eine Form der Erniedrigung, die subtil wirken mag, aber sehr viel auslösen kann. Angst zum Beispiel, Männern in bestimmten Zusammenhängen zu begegnen, etwa abends und allein. In besagter Studie gaben 40 Prozent der Betroffenen an, bestimmte Orte aufgrund von Catcalling zu meiden, acht Prozent änderten demnach ihren Kleidungsstil. Wenn ich Männergruppen sehe, wechsele ich intuitiv die Straßenseite, weil ich fürchte, dass sie mir einen Spruch zuwerfen. Das ist kein irrationales Verhalten, sondern fußt auf Erfahrungen.

Keine Komplimente – sondern Erniedrigungen

Warum man das nicht einfach als Kompliment aufnehmen kann, fragen manche, und mit manche sind Männer in Social-Media-Kommentarspalten gemeint. Die Antwort: Weil es nicht als Kompliment gedacht ist. Wollte die Person ernsthaft etwas Nettes sagen, täte sie es nicht im Vorbeigehen und würde vielleicht in ganzen Sätzen sprechen. Catcalling ist bloß eine weitere Art, Frauen zu objektifizieren und zu erniedrigen, und es ist verbale Gewalt. Deshalb gehört es auch in Deutschland unter Strafe gestellt.

Auf Social Media kursieren inzwischen Vorschläge, wie man auf Catcalling reagieren kann: Indem man laut losbellt zum Beispiel, oder die Augen weit aufreißt und seine Gliedmaßen auf abstruse Weise bewegt, wie ein Zombie. Wenn es nicht so ernst wäre, wäre es fast lustig. Ich habe mir vorgenommen, etwas davon auszuprobieren, wenn mir das nächste Mal zugeschmatzt wird.

Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 24. Oktober 2024, 7:40 Uhr