Fragen & Antworten
Bremer Döner-Produzent: Warum die Branche bald "wackeln" könnte
Eine türkische Initiative möchte, dass der Döner von der EU als "garantiert traditionelle Spezialität" anerkannt wird. Wenn es so kommt, hätte das Auswirkungen bis nach Bremen.
Als der Lieferdienst "Lieferando" 2023 unter den 30 größten Städten in Deutschland die "Döner-Hauptstadt" Deutschlands finden wollte, schnitt die Stadt Bremen gut ab: Unter anderem durch die Dichte von 8,6 Läden pro 100.000 Einwohnern und dem durchschnittlichen Preis von 4,67 Euro brachten Bremen Platz 4 ein – nur Dresden, Nürnberg und Berlin waren besser.
Wirklich wissenschaftlich ist die Erhebung zwar nicht, aber sie weist nach, wie beliebt der Döner ist. Unter anderem ein deutschlandweiter Umsatz von 2,4 Milliarden Euro im Jahr zeigt außerdem, wie relevant das Essen auch wirtschaftlich ist. Auch deshalb sorgt ein Vorstoß einer türkischen Initiative für Aufsehen, der im Extremfall dafür sorgen könnte, dass so mancher Döner bald nicht mehr als "Döner" verkauft werden dürfte.
Worum geht es?
Die International Doner Federation mit Sitz in Istanbul hat bei der EU-Kommission schon 2022 den Antrag gestellt, dass der Döner in die Liste mit "garantiert traditionellen Spezialitäten" aufgenommen wird. Auf dieser Liste stehen bisher insgesamt rund 90 Spezialitäten aus verschiedenen Ländern, unter anderem der spanische Serrano-Schinken, italienischer Mozzarella-Käse oder belgisches Gueuze-Bier. Beim Antrag des Döner-Verbands geht es aber nicht um die ganze Dönertasche, sondern konkret um das Dönerfleisch und seine Zubereitung.
Was bedeutet es, wenn ein Lebensmittel auf dieser Liste steht?
Dann dürfen die Produkte auf der Liste nur noch unter dem entsprechenden Namen hergestellt und verkauft werden, wenn sie die Kriterien erfüllen, die der jeweilige Antragsteller von der EU hat absegnen lassen. Nach Vorstellungen der International Doner Federation sähe die klassische Zubereitung für einen Döner dann unter anderem so aus: Das Dönerfleisch müsste von mindestens 16 Monate alten Rindern oder sechs Monate alten Schafen stammen, es wären nur bestimmte Zutaten für die Marinade zulässig, die Fleischscheiben müssten eine bestimmte Dicke haben und dürften nicht mit einem elektrischen Messer abgeschnitten werden. Sollten diese Vorgaben nicht erreicht werden, dürften die entsprechenden Gerichte nicht mehr "Döner" heißen.
Wie finden Bremer Vertreter der Branche die Initiative?
In vielen Döner-Imbissen in Bremen ist das Thema offenbar noch nicht angekommen, das zeigt zumindest die Nachfrage in einzelnen Läden. Anders in der Produktion: "Ich denke, diese Vorschrift würde die ganze Döner-Branche zum Wackeln bringen", sagt Muhammed Celik, Junior-Chef einer Dönerproduktion, die in Bremen-Walle sitzt. Celik sieht zum Beispiel das Problem, dass zum Schneiden des Döners keine elektrischen Messer mehr eingesetzt werden dürften – das wird seiner Ansicht nach zu Personalproblemen in den Imbissen führen. "Es ist sehr schwer, hochprofessionelle Leute zu finden, die mit einem Messer schneiden können." Das werde nicht klappen, vor allem nicht in Deutschland.
Dann würden die meisten Dönerbetriebe schließen.
Muhammed Celik, Junior-Chef einer Dönerproduktion
Und auch geschmacklich könnte sich der Döner verändern: In Deutschland habe er laut Celik einen Eigengeschmack entwickelt, in der Türkei schmecke er anders, intensiver und stärker.
Welche Reaktionen gibt es darüber hinaus?
Auch sonst kommen die Pläne nicht allzu gut an: Unter anderem der Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa mit Sitz in Berlin ist offenbar skeptisch gegenüber den geforderten Regeln – genauer wollte er sich gegenüber der Tagesschau aber mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und zahlreiche Politikerinnen und Politiker äußerten Unverständnis und Kritik über den Vorstoß. Auch Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) äußerte sich im sozialen Netzwerk X.
Von einem Ministeriumssprecher heißt es außerdem, im Fall einer Annahme des Antrags sei mit spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen für Hersteller und Verkaufsstellen zu rechnen.
Wie ist der aktuelle Stand im Streit und wie geht es weiter?
Das Bundesernährungsministerium, der Dehoga und der Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa haben bei der EU Einsprüche gegen den Antrag gestellt. Laut einer Sprecherin muss die Europäische Kommission nun klären, ob diese Einsprüche zulässig sind. Wenn das so ist, würde die Behörde Konsultationen zur Streitbeilegung anordnen. Gibt es dabei keine einvernehmliche Lösung, müsste sich ein Ausschuss aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten mit dem Fall beschäftigen – der könnte der Kommission dann per Mehrheitsbeschluss vorgeben, ob sie dem Antrag stattgeben soll oder nicht.
Ob es aber überhaupt so weit kommt, ist fraglich: Eine Beraterin der International Doner Federation zeigte sich zuletzt kompromissbereit und sagte, man wolle mit dem Antrag niemandem schaden, schon gar nicht dem deutschen Markt. Es gehe darum, Tradition und Zubereitung zu schützen und anzuerkennen, dass der Döner aus der Türkei komme – was die Zubereitung angehe, könne man sich an einen Tisch setzen und darüber reden.
Quellen: buten un binnen und dpa.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. August 2024, 19:30 Uhr