Interview
Mäurer zeigt sich im Streit um Bremer Helenenstraße kompromissbereit
Bremens Innensenator Mäurer hatte zuvor gefordert, die Rotlichtmeile zu schließen. Im Interview rückt er nun von seiner Position ab: Er hält einen Kompromiss für möglich.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zeigt sich kompromissbereit im Streit über die Bordellmeile "Helenenstraße" im Steintorviertel. Im Interview mit buten un binnen betonte er zwar die Notwendigkeit, die Situation rund um die Rotlichtmeile zu verändern – auch mit Blick auf die zunehmende Kriminalität im Viertel. Von seiner ursprünglichen Position, die Helenenstraße schließen zu wollen, rückt er aber ab.
Herr Mäurer, Prostitution ist in Deutschland legal. Warum wollen Sie dieses Geschäftsfeld in Bremen schließen?
Es gibt ein grundsätzliches Problem, wenn wir uns die Lage in Deutschland anschauen: Alle sprechen davon, dass wir das Bordell Europas sind. Hier sind Hunderttausende von Frauen aus den ärmsten Regionen Bulgariens und Rumäniens im Einsatz. Es ist ein System, das auf Ausbeutung und sexueller Gewalt basiert. Es ist diskriminierend und, wie das Europäische Parlament festgestellt hat, menschenunwürdig. Und dass wir das auch noch fördern wollen, halte ich für völlig daneben.
Aber ist es nicht Ihre Aufgabe als Innensenator, genau diese Verbrecher dingfest zu machen und die Frauen, die diese Arbeit machen wollen, auch arbeiten zu lassen?
Das ist reine Theorie, weil die meisten Frauen in sozialer Abhängigkeit leben. Sie sagen nicht, dass sie dazu gezwungen werden. Wenn man sie befragt, sagen sie alle, dass sie freiwillig hier sind. Aber es muss doch überraschend sein, dass all diese Frauen aus den ärmsten Bereichen Europas kommen. Warum? Das erklärt sich deswegen, dass man ihre soziale Abhängigkeit ausnutzt, sie sind dann hier – in Anführungszeichen – freiwillig. Aber jeder kann sich vorstellen, wie dieses System funktioniert.
Die Helenenstraße ist ein Kern einer negativen Entwicklung. Nicht die alleinige Ursache, aber sie strahlt aus. Sie zieht dieses Publikum an.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD)
Haben Sie dafür Belege?
Das ist allgemein herrschende Meinung. Fragen Sie das Bundeskriminalamt oder lesen Sie den Bericht des Europäischen Parlaments, der im August verabschiedet wurde. Das ist die reale Lage. Und man muss auch akzeptieren, dass sich die Lage grundlegend seit den 60er- und 70er-Jahren verändert hat. Das ist nicht mehr die selbsttätige, selbstbestimmte Arbeit, über die hier noch nachgedacht wird. Das ist reine Sozialromantik. Die Realitäten sehen ganz anders aus.
Angenommen, es gäbe so ein Verbot. Wäre die Prostitution dann weg?
Nein, das ist auch nicht die Alternative. Es geht hier um die Frage, ob wir die Helenenstraße ausbauen wollen. Und ich finde, das ist eine Zumutung, auch für das gesamte Viertel. Diese Debatte ist ja da angekommen. Die Helenenstraße ist ein Kern einer negativen Entwicklung. Nicht die alleinige Ursache, aber sie strahlt aus. Sie zieht dieses Publikum an. Und von daher gesehen haben wir eine Verantwortung für die Menschen, die im Viertel wohnen.
Wir sind nicht verpflichtet als Staat, die Prostitution zu fördern. Wir müssen keine neue Helenenstraße irgendwo in dieser Stadt aufmachen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD)
Die Linke sagt zu einem Verbot, dass es die Probleme nur verdrängt und die Sexarbeiterinnen Unterstützung verlieren, weil sie in die Illegalität getrieben werden. Was sagen Sie dazu?
Auch alles Theorie. In der Praxis sieht es so aus, dass wir einige Hundert Frauen haben, die in Bremen der Prostitution nachgehen. Nur ein Bruchteil arbeitet in der Helenenstraße. Wir sind nicht verpflichtet als Staat, die Prostitution zu fördern. Wir müssen keine neue Helenenstraße irgendwo in dieser Stadt aufmachen, sondern wir können sie einfach durch Änderung der Sperrbezirksverordnung beenden.
Das wird sicherlich eine spannende Diskussion.
Am Ende des Tages wird ein Kompromiss notwendig sein, die Positionen sind sehr konträr. Ich wäre schon zufrieden damit, wenn wir die Situation festschreiben, wie sie heute ist, und wir dann mit massiven Kontrollen weiter dagegen vorgehen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. November 2023, 19:30 Uhr