Interview

"In diese Zukunftsindustrien muss Bremen investieren"

Sarah Ryglewski ist Bremer SPD-Abgeordnete im Bundestag und parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. So blickt sie auf das Ringen um den Bremer Haushalt.

Sarah Ryglewski
Sarah Ryglewski sitzt seit 2015 für Bremen im deutschen Bundestag. Bild: Sarah Ryglewski | Fionn Grosse

Frau Ryglewski, Sie sind Bremer Abgeordnete der SPD im Bundestag und arbeiten als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. Schaut Berlin eigentlich auf das kleine Bremen, wenn hier der Haushalt geplant und beschlossen wird?

Natürlich schauen wir da drauf, wir schauen auch auf die anderen Länderhaushalte. Bei Bremen ist nochmal die Besonderheit, dass der Stabilitätsrat – das ist ein gemeinsames Gremium des Bundes und der Länder – genau hinschaut, ob Bremen die Vereinbarungen einhält. Da wird aber im Moment anerkannt, dass die besonderen Belastungen durch die Corona-Pandemie zu berücksichtigen sind.

Das heißt, die Notsituation, die Bremen aufgrund der Corona-Pandemie wohl sehr wahrscheinlich auch im kommenden Jahr ausrufen wird, ist in Berlin unumstritten?

Das hängt ja davon ab, wie sich die Pandemie weiter entwickelt. Aber wir sehen im Moment bei allen Haushalten – sowohl bei dem des Bundes als auch bei denen der Länder – eine hohe Belastung. Zum einen wegen der Steuerausfälle, zum anderen weil hohe Ausgaben wegen der Pandemie anfallen.

Bremen hat deswegen den kreditfinanzierten Bremen Fonds aufgesetzt. Alle Bundesländer haben ähnliche Fonds oder Hilfspakete geschnürt, sprich Schulden gemacht, um die Kosten von Corona aufzufangen. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Einerseits deckt Bremen mit dem Bremen Fonds pandemiebedingte Kosten. Das andere, was man macht, ist, dass man in die Zukunft investiert. Man setzt Schwerpunkte im Bereich Ökologie, bei der Bekämpfung des Klimawandels, Digitalisierung. Und bei Investitionen ist das ja grundsätzlich so: Man gibt jetzt Geld aus, auch viel Geld, das vielleicht über Schulden kommt. Aber diese Investition wirkt über viele Jahre. Zu sagen, wir investieren jetzt, damit Bremen fit für die Zukunft ist – das ist ein guter Ansatz.

Und diese Investitionen könnten Bremen gleichzeitig mehr Geld in die Kasse spülen. Wie funktioniert das?

Zum einen ist ganz klar: Wenn Bremen mit jedem investierten Euro sogenannte Komplementärmittel aus der EU oder vom Bund bekommt, dann muss Bremen das Geld investieren. Das steht auch so im rot-grün-roten Koalitionsvertrag. Der andere Aspekt ist, dass man schaut, was hat zum Beispiel der Bund künftig vor, um beispielsweise den Klimawandel zu bekämpfen? Welche Zukunftstechnologien gibt es da? Da fallen mir die Stichworte Wasserstofftechnologie oder emissionsfreies Fliegen ein. Da will der Bund Geld rein stecken. Bremen muss dann eben zusehen, dass es möglichst attraktiv als Standort für solche Projekte wird. Heißt: In diese Zukunftsindustrien muss Bremen investieren.

Weil man annimmt, dass das in der Zukunft dann eine Rendite abwirft?

Ja, genau. Es gibt da keine klare Kausalkette, also es muss nicht sein, dass die Entwicklung dann tatsächlich so kommt. Aber wenn es gut läuft, entstehen Arbeitsplätze und wenn es richtig gut läuft, entstehen sogar mehr Arbeitsplätze als anderswo wegfallen. Dadurch bekommt Bremen mehr Steuereinnahmen, vielleicht siedeln sich weitere Unternehmen an, die Gewerbesteuern zahlen. Und das verbessert dann natürlich wieder die Einnahmen der Kommunen und der Länder.

Haben Sie ein Beispiel, wo das mal funktioniert hat?

Die Bremer Uni! Als die gegründet wurde, war das ja nicht unumstritten. Aber wenn man sich mal anschaut, was daraus geworden ist. Dadurch haben sich weitere Unternehmen angesiedelt, Studierende sind nach Bremen gekommen, zum Teil sind sie hier geblieben, arbeiten hier, zahlen hier Steuern. Das ist ein gutes Beispiel, um zu sagen: Es lohnt sich, in die Zukunft zu investieren.

Der rosa Elefant, der im Moment bei der Diskussion um die öffentlichen Haushalte mitten im Raum steht, ist die Schuldenbremse. In Bremen gilt die strengste Variante. Weder das Land noch die Kommunen dürfen in "normalen" Zeiten Schulden machen. Sie haben 2011 noch als Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft für diese strenge Schuldenbremse gestimmt. Aus Ihrer heutigen Sicht: Ist die Schuldenbremse, so wie sie in der Bremischen Landesverfassung steht, nach wie vor gut und richtig?

Ich glaube zur damaligen Zeit war das für die rot-grüne Koalition ein wichtiges Anliegen. Insbesondere die Grünen wollten Ausgaben begrenzen. Insbesondere laufende Kosten sollten nicht über Schulden finanziert werden. Dieser Ansatz ist grundsätzlich nachvollziehbar. Man muss aber aufpassen, dass man nicht die Möglichkeit nimmt, Investitionen für langfristige Projekte über Schulden zu machen. Da wird ja häufig argumentiert, es sei nicht gerecht der nachfolgenden Generation gegenüber, Schulden aufzunehmen. Aber ich finde, das ist der falsche Ansatz. Wenn wir nochmal das Beispiel Uni nehmen. Das war ja keine Investition, die nur den Menschen damals bei der Gründung der Uni genützt hat. Und zu sagen, dass soll aber nur von dieser einen Generation bezahlt werden, das ist ein Denkfehler. Genau diese Diskussion wird im Bund und in den Ländern gerade geführt – auch wegen Corona. Aber ich denke, dass wir auch unabhängig von der Pandemie darüber reden müssen, damit die Schuldenbremse nicht zu einer Zukunftsbremse wird.

Autor/Autorin

  • Autor/in
    Ramona Schlee

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Tag, 22. Februar 2021, 23:30 Uhr