"Man ist nur einmal 16, 17 oder 18": Was Corona mit Jugendlichen macht

Ein Jugendlicher sitzt an einer Wand, trägt einen Mund-Nase-Schutz und blickt auf sein Smartphone.
Viele Jugendliche fühlen sich durch die Einschränkungen einsam. Bild: Imago | Hans Lucas

Kaum Schule, kaum Freizeitveranstaltungen, kaum Kontakte zu Freunden und keine Partys. Die Corona-Krise trifft viele Jugendliche hart.

Gerade für Kinder und Jugendliche sind die Corona-Maßnahmen schwer auszuhalten. Denn die harten Kontaktbeschränkungen bedeuten für Jugendliche, dass sie sich nicht mit Gleichaltrigen austauschen können. Austausch, den sie in ihrer Entwicklung brauchen. Digitale Verbundenheit ist dafür oft kein Ersatz.

"Der Alltag hat sich in den Zeiten von Corona überall verändert, doch auch die allmählichen Lockerungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass neben Senioren vor allem junge Menschen beeinträchtigt sind", so Beate Alefeld-Gerges, Leiterin von Trauerland, einem Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche.

Viele Jugendliche sind verunsichert

In dem Zentrum melden sich nicht nur Jugendliche, die einen Verlust erlitten haben: "Wir haben Anrufer, die wollten gerade eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, was an sich schon eine große Herausforderung ist und viele Zweifel mit sich bringt." Und mit diesen Problemen werden Jugendliche allein gelassen, "die vermissen ihre Peergroup". Heranwachsende würden ihre Unsicherheiten aktuell extremer spüren. Oft hört Alefeld-Gerges Verzweiflung und Ohnmacht aus ihren Gesprächen heraus.

Normalerweise denken Jugendliche: "Da kommt schon irgendwas ..." Aber jetzt überwiegt die Frage: "Was kommt als nächstes?" Und: Niemand weiß, wann sich die Situation wieder ändert.

Diese Unsicherheit beschäftigt vor allem Schulabgänger, Jugendliche, die im Sommer verreisen wollten oder deren Pläne komplett auf Eis liegen. Da helfen auch keine Online-Angebote. Jugendliche sind zwar total vernetzt, sagt der 17-jährige Ruben Wieser, aber das hilft nur, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. "Unser gemeinsames Leben ist total eingeschränkt", erzählt der Schüler, der gerade mal acht Stunden pro Woche in die elfte Klasse der Oberschule an der Egge geht.

"In unserer Phase ist das ein richtiger Arschtritt"

"Ich bin gerade in dem Alter, wo man auf Partys gehen könnte. Da sind wir schon ein bisschen neidisch auf die Älteren, die das voll auskosten konnten. Man ist halt nur einmal 16, 17 oder 18". Ruben glaubt, dass der springende Punkt der "menschliche Kontakt" ist, der sei natürlich für jeden wichtig, aber: "In unserer Phase ist das ein richtiger Arschtritt." Jugendliche stehen vieles zusammen durch, sagt er.

Anastasia Stichnoth, Schülerin des Ökumenischen Gymnasiums zu Bremen in Oberneuland hat ihr Abitur geschrieben und wartet gerade auf die Ergebnisse. Für sie ist ungewiss, ob sie online studieren muss oder in welcher anderen Form ihr Wunschstudium möglich sein wird. Zurzeit arbeitet sie mit ihren Freundinnen an dem, was von Abitur 2020 für ihren Jahrgang geblieben ist: Das Abibuch.

Alle Feierlichkeiten wurden abgesagt: Keine Abiparty, keine Abifahrt, kein Abiball: "Wir wissen, dass das so nie nachgeholt werden kann". Das macht die 18-Jährige und ihre Mitschülerinnen traurig. Nur der Abi-Gottesdienst findet wohl statt. Zweimal sogar, weil jeweils nur die Hälfte der rund 100 Schüler mit ihren Eltern kommen darf.

Digitale Treffen ersetzen nicht den persönlichen Kontakt

Die Schülerin meint, dass digitale Treffen den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können. Ähnlich sieht es Jennifer Bartels, pädagogische Leiterin einer Jugendfreizeiteinrichtung in der Vahr. Ihre Erfahrung ist, dass Jugendliche nicht sofort offen über ihre Probleme sprechen. In ihrer Einrichtung kommt sie vor allem über den persönlichen Kontakt ins Gespräch und kann so einschätzen, ob es Probleme gibt und wo diese liegen. Dieser Kontakt könne durch Video-Meetings nicht ersetzt werden. Sie erzählt: Nach solchen Angeboten blieb die Frage: "Wann können wir uns denn wieder so treffen?"

Die Jugendlichen, mit denen Alefeld-Gernes in Kontakt steht, haben große Existenzangst, diese wird mit den Unsicherheiten im Corona-Alltag noch verstärkt. Das Lebensgefühl der Jugendlichen wird eingeschränkt: "Es werden die Abschlussfeiern und -fahrten in den Schulen teilweise ersatzlos gestrichen. Ein immens wichtiger Lebensabschnitt kann so nicht richtig abgeschlossen werden. Dazu gibt es im Hinblick auf Ausbildungsplätze oft nur unklare Antworten, was noch zu mehr Unsicherheiten führt."

Sie wünscht sich, dass die verschiedenen Perspektiven der Schüler gesehen werden und dass man einfach im Blick hat, dass es für die Jugendlichen schwieriger ist, als wenn man mitten im Leben steht und schon viel Erfahrung hat: "Es wird zu oft über Jugendliche entschieden, aber es macht viel mehr Sinn zu fragen, welche Ideen gibt es", so Alefeld-Gernes. "Vielleicht gibt es bei den Schülern ja Ideen, wie man seinen Abschluss coronagemäß feiern kann?". So könnten sich Jugendliche organisatorisch einbringen und zur Bewältigung der Krise betragen, so Alefeld-Gerges.

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. Juni 2020, 19:30 Uhr

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