Fahrradstadt Bremen: Bereit für Lastenräder?

Fahrräder sind aus dem Bremer Stadtbild kaum noch wegzudenken. Auch die Zahl der Lastenfahrräder steigt. Doch ist die Stadt dafür eigentlich ausgelegt?

Ein Mann eine schwarze Kiste auf einem elektrischen Lastenfahrrad.
Immer mehr Lastenräder prägen Bremen Straßenbild. Bild: dpa | Wolfram Steinberg

Seit Jahren steigt die Zahl der verkauften Lastenräder in Bremen. Und obwohl es sich noch um einen Nischenmarkt handelt, kommen immer mehr junge Familien mit der gezielten Idee ein Lastenrad zu kaufen in den Laden von Jap Kellner. Seit drei Jahren verkauft der Geschäftsführer bei Velo-Lab handgefertigte Lastenräder in Burglesum. Den Trend zum Lastenrad beobachtet er schon seit Jahren und nennt verschiedene Gründe: "Familien können ihre Kinder morgens mit dem Lastenrad in die Kita, fahren dann zur Arbeit und kaufen später ein. Die können so einen Zweitwagen oder auch generell ein Auto ersetzen."

Dabei ist Lastenrad nicht gleich Lastenrad. Vor dem Kauf sollte man sich sehr genau überlegen, wofür man es nutzen möchte. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Kindertransport, Einkaufen oder sein eigenes Geschäft immer dabei haben wie bei einem Coffeebike oder der mobile Eiswagen. Zwischen 1.000 und 6.000 Euro kosten die Modelle mit vielen unterschiedlichen Ausstattungen und zwei Antriebsarten: Klassisch mit Muskelkraft oder unterstützt durch einen elektrischen Hilfsmotor. "Ohne Motor spart man gut 2.000 Euro und das Rad ist auch leichter", erklärt Jap Kellner und ergänzt: "Es kommt dabei auf die Schaltung an."

Einspurig, Mehrspurig? Lastenräder gibt es viele

"Es gibt nicht nur viele Gründe für ein Lastenrad, sondern auch ganz unterschiedliche Lastenräder", erklärt Kristoffer Reed aus Dänemark, der seit rund sechs Jahren in Bremen einen Fahrradhandel besitzt. Gut die Hälfte seines Umsatzes im Verkauf macht Reed mit Lastenrädern. "Viele denken, wenn sie ein mehrspuriges Lastenrad kaufen, fahren sie sicherer, aber das ist überhaupt nicht der Fall", erklärt Reed, "denn dreirädrige Lastenräder haben ein sehr gewöhnungsbedürftiges Fahrverhalten und sind viel breiter als einspurige Räder."

Bei Lastenrädern ist es selten so, dass die Kunden in seinen Laden kommen und mit einem Lastenrad nach Hause fahren. "Die meisten kommen rein, lassen sich beraten, fahren unsere Modelle Probe und dann bestellen wir das passende Rad", erklärt Reed.

Lastenräder fahren sich anders

Wer von einem Fahrrad auf ein Lastenrad umsteigt, der kann sich das so vorstellen, wie wenn er von einem Auto auf einen Lastwagen umsteigt: Lastenräder sind länger, breiter, schwerer und der Wendekreis ist viel größer als bei einem normalen Fahrrad. An das erstmal ungewohnte Fahrgefühl gewöhnt man sich aber schnell, meinen beide Fahrradhändler.

Knapp 76.000 Lastenräder wurden 2019 in Deutschland verkauft, sie haben "großes Entwicklungspotential", sagt David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Auch wenn es sich dabei noch um einen Nischenmarkt handelt, sieht Eisenberger viele Vorteile im Lastenrad: Eine umweltfreundliche Transportweise, die Bewegung an der frischen Luft ist gut für die Gesundheit und man komme gerade in Städten teilweise schneller an sein Ziel als mit einem Auto.

Doch es fehlt eine gute Fahrradinfrastruktur. "Da sind wir noch weit vom Ideal entfernt", sagt Eisenberger. Ein Blick auf Bremen zeigt: "Es muss noch viel kommen", so Pina Pohl, Pressesprecherin des Bremer ADFC. Zwar habe man mit einem Lastenrad nicht so ein Parkraumproblem wie mit einem Auto, dennoch reicht der Platz nicht aus.

"Bei den üblichen Parkbügeln kann man ein Lastenrad gut parken, allerdings blockiert man gleich mehrere und den Zwischenraum." Lastenräder nehmen zwar weniger Platz weg als ein Auto, aber eben mehr als ein herkömmliches Fahrrad. Das zeigt sich bei den Abstellmöglichkeiten in der Innenstadt oder am Gartenzaun.

Bremen ist keine Lastenradstadt

Zu wenig Parkplätze, zu schmale Radwege – so kann man die Kritik der Lastenradfahrer zusammenfassen. Auch der ADAC sieht das so und gibt Bremen in einer Untersuchung im Oktober nur ein "ausreichend" für die Breite seiner Radwege.

Ähnlich sieht es Michael Glotz-Richter, Referent für Nachhaltige Mobilität im Radverkehr im Umweltressort der Stadt Bremen und vergibt die Schulnote 3+: "Wir haben im Radverkehr eine Tendenz zu gut, aber mit Luft nach oben", sagt er auf die Frage ob Bremen eine Lastenradstadt ist und ergänzt: "In Bremen ist nicht alles perfekt, aber im Vergleich haben wir einiges erreicht" - die Umgestaltung Am Wall, die geplanten Fahrradbrücken über die Weser.

Doch wer auf einer Verkehrsinsel steht, merkt, dass Bremen nicht für Lastenräder geplant wurde. Dort muss man sich überlegen, ob man lieber sein Hinterrad auf der Straßenbahnschiene oder sein Vorderrad auf der Fahrbahn stehen lässt. "Da merkt man, dass Bremens Infrastruktur so in den 60er oder 70er Jahren mit den damaligen Richtlinien geplant wurde."

In den neuen Planungen werden Lastenräder aber mitgedacht. Trotzdem gibt es keine Lastenradförderung von der Stadt. Gerade in Städten wie Köln oder Hamburg gibt es einen großen Zuwachs an Lastenrädern, erklärt Bernd Heumann, Geschäftsführer bei Bike & Outdoor Company (b.o.c), das habe mit der Lastenradförderung zu tun, glaubt er.

Warum es in Bremen keine Förderung gibt? "Wir setzen auf Sharing-Modelle", erklärt Glotz-Richter, "das ist für uns eine sinnvolle Alternative – gerade auch für die Finanzsituation in Bremen". So will die Stadt mehr ausprobieren und beobachtet gerade welche Erfahrungen andere Städte mit Teilmodellen macht. In Bremen gibt es das Fietje-Lastenrad-Projekt des ADFC. Rund zehn Lastenräder gibt es in Bremen zum Leihen. "Die können tageweise kostenfrei ausgeliehen werden", so Pina Pohl vom ADFC. "Das wird gut angenommen, gerade die zentralstädtischen Räder sind häufig ausgebucht." Pohl glaub aber, dass auch eine Förderung in Bremen großen Anklang finden würde: "Eine Anschubfinanzierung würde Wunder wirken."

Jap Kellner glaubt: "Eine Lastenradförderung greift besser als für den gleichen Betrag eine Straße zu sanieren." Denn: wer auf einem Lastenrad sitzt, der sitzt nicht im Auto. Kellner wünscht sich ein Umdenken in der Politik: Breitere Radwege, mehr Abstellmöglichkeiten und Förderungen wie in Hamburg.

Hamburg hat den Kauf von Lastenrädern mit rund 1,5 Millionen gefördert und im September um 700.000 Euro aufgestockt: Innerhalb einer halben Stunde war die Summe ausgeschöpft. Berlin fördert ein Sharing-Modell für Lastenräder. Beide Ideen könnte Bremen sich als Vorbild nehmen. Dann wäre da noch die Infrastruktur: "Ich bin mir sicher, dass die kommen wird, da es immer mehr Fahrräder und auch Lastenräder geben wird", sagt Kristoffer Reed, denn "die Nachfrage in Bremen ist enorm".

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. Juli 2020, 19:30 Uhr

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