Giftpilz oder Glücksgriff: Was bringen Apps bei der Pilzsuche?
Ein Foto und schon soll man ein Ergebnis haben, welchen Pilz man im Wald gefunden hat. Doch wie sicher sind diese KI-Erkennungen? Ein Pilz-Experte ordnet ein.
Pfifferlinge, Shiitake oder Seitlinge – jetzt im Herbst landen Pilze bei vielen auf dem Teller. Aber im Supermarkt sind Pilze teilweise sehr teuer. Im Wald gibt es sie in diesen Wochen gratis. Nur sollte man sich gut auskennen, damit am Ende kein falscher Pfifferling in der Pfanne landet. Es gibt eine ganze Reihe von Apps, die dabei helfen sollen, Pilze im Wald zu bestimmen. Aber wie sicher ist die Pilzsuche per App?
Um das herauszufinden, gehen wir mit dem Pilz-Sachverständigen Tom Sprengnether in den Wernerwald bei Cuxhaven. Nach nur wenigen Metern hat er – zwischen Laub und Kiefernnadeln – einen Pilz mit samtig brauner Kappe entdeckt. Er greift aber nicht zum Messer, sondern hat eine andere Technik.
Wenn ich nicht weiß, welche Pilzart es ist, dann drehe ich den Pilz heraus. Manche Pilze kann ich nur bestimmen, wenn ich alle Merkmale habe und dazu zählt auch die Stielbasis.
Tom Sprengnether, Pilz-Sachverständiger
Erkennt eine App den Pilz?
Für unseren Test wird nun eine der am meisten genutzten Pilz-Bestimmungsapps mit dem Smartphone geöffnet. Die Bedienung ist ziemlich einfach: Foto vom Pilz schießen und kurz auf das Ergebnis warten. Die App erkennt einen netzstieligen Hexenröhrling. Knapp vorbei, sagt Sprengnether zu dem Ergebnis: "Es ist der flockenstielige Hexenröhrling." Aber macht das einen Unterschied? "Manche Leute reagieren in Verbindung mit Alkohol empfindlich auf den netzstieligen Hexenröhrling, auf den flockenstieligen allerdings nicht“, erklärt der Pilz-Experte.
Als Pilz-Sachverständiger bietet Tom Sprengnether nicht nur Kurse an. Es kommen auch Menschen zu ihm, um ihre gesammelten Pilze kontrollieren zu lassen. "Häufig kriege ich auch Bilder über Whatsapp geschickt", aber nur anhand von Bildern darf der Sachverständige keine Pilze zum Verzehr freigeben. Das ist die Regel vom Deutschen Zentrum für Mykologie – also Pilzkunde.
Wenn die Deutsche Gesellschaft für Mykologie es den Pilzsachverständigen verbietet, eine Freigabe nur anhand von Bildern zu geben, dann sehe ich es als kritisch an, dass eine App die Freigabe von Pilzen gibt.
Tom Sprengnether, Pilz-Sachverständiger
Pilz-Experte: Apps haben ihre Tücken
Immerhin: Es ploppt in der App immer wieder der Warnhinweis auf, Pilze nur zu essen, wenn man sie wirklich gut kennt. Der nächste Pilz hat eine hellbraune, leicht glitschige Kappe und eine schwammige Unterseite.
Beim zweiten Versuch werden mehrere Fotos hochgeladen – in der App kann man zum Pilz außerdem noch einige Fragen beantworten. Das Ergebnis: Der Pilz soll ein Kuh-Röhrling sein. "Das passt, ja. Aber wenn wir jetzt schauen und den Fruchtkörper beurteilen und die Röhren, die sehen schon ziemlich alt aus. Es ist sehr weich", Sprengnether empfiehlt: Besser nicht mitnehmen.
Die meisten Vergiftungen gibt es nicht, weil Menschen Giftpilze essen – sondern weil sie alte oder falsch gelagerte Pilze essen.
Tom Sprengnether, Pilzsachverständiger
Pilze solle man eher wie rohes Fleisch handhaben und nicht wie Obst oder Gemüse, sagt der Pilz-Sachverständige: "Also auf jeden Fall immer frisch verzehren. Und wenn es aufbewahrt wird, dann im Kühlschrank – und auch im Kühlschrank höchstens einen Tag lang und sonst lieber wegschmeißen."
Fliegenpilz, Braunkappe, kahler Krempling: Die App kann zwar einen Großteil der Pilze im Wernerwald richtig bestimmen – aber nicht alle. Und sie erkennt auch nicht, ob die Pilze schon alt oder sogar leicht schimmlig sind. Auf eine App sollten sich Sammlerinnen und Sammler deshalb niemals ganz verlassen, rät Sprengnether. Und wer nach der Pilzpfanne doch einmal Vergiftungssymptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Herzrasen hat, sollte in jedem Fall zum Arzt gehen oder sich bei der Giftnotrufzentrale melden.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Sonntag aus Bremerhaven, 10:40 Uhr