Plastikmüll selbst recyceln? Dieser Bremer erklärt, wie das geht
Ricardo Santanna recycelt seine eigenen Plastikabfälle. In einer Ausstellung in Bremerhaven zeigt er, wie ein jeder Plastik sortieren, schreddern und schmelzen kann.
Ricardo Santanna sammelt Plastik. Eigentlich gibt der Bremer Yoga-Unterricht, bei einem Bildungsaufenthalt in Vietnam ist er aber auf das dort unübersehbare Plastikproblem gestoßen.
Ich habe dort an einem Strand gelebt, der eigentlich für Wassersport gedacht ist. Und ich war schockiert über das Ausmaß der Verschmutzung. Und dann habe ich angefangen mich zu fragen: Warum ist das so? Warum tut niemand etwas?
Ricardo Santanna von "Precious Plastic"
Weil der gebürtige Brasilianer mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken wollte, hat er sich dem internationalen "Precious Plastic"-Kollektiv angeschlossen. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Plastikabfälle als Ressource zu nutzen. Deshalb hat Santanna eine Ausstellung im Kulturzentrum "Werk" in Bremerhaven organisiert. Dort zeigt er, welche Arbeitsschritte nötig sind, um Plastikmüll selbst zu recyclen.
In 3 Schritten zum wiederverwendbaren Plastik
Damit Santanna überhaupt etwas mit dem Plastik anfangen kann, müssen alle Papierbeschriftungen entfernt sein, auch darf der Müll keine groben Verschmutzungen aufweisen. Das Plastik sortiert der Recycling-Profi im ersten Schritt nach der Art des Kunststoffs – insgesamt gibt es sieben Kunststoffkategorien. Auf den meisten Verpackungsmaterialien ist über einen Materialcode angegeben, um welche Kategorie es sich handelt. Da aus dem Plastikmüll im Rahmen seiner Ausstellung kleine Kunstwerke wie Anhänger oder Kunstdrucke entstehen, sortiert Santanna das Plastik zusätzlich nach Farben.
Im nächsten Schritt schreddert er das sortierte Plastik. Dafür stehen im "Werk" zwei Industrie-Plastikschredder und eine Art Open-Source Eigenbau bereit. Beim Schreddern ist es laut Santanna wichtig, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, denn dabei entsteht Mikroplastik.
Das geschredderte Plastik schmilzt Santanna im dritten Arbeitsschritt mithilfe einer T-Shirt-Druckpresse zu Platten zusammen, auch mit einem Waffeleisen hat er schon experimentiert. Bislang funktioniere alles noch recht behelfsmäßig, zur Aufklärung über Plastikrecycling reiche das aber erstmal aus, sagt Santanna. Aus den Plastikplatten soll dann neue Kunst entstehen. In Zukunft plant er, das Plastik in eine Balkenform zu bringen, um daraus Hochbeete zu bauen. Dafür nimmt Santanna auch nach Ende der Ausstellung im "Werk" Plastikmüll entgegen.
Diesen Weg nimmt der Bremerhavener Plastikmüll
Für die Mülltrennung in Deutschland ist die "Duales System Holding GmbH & Co. KG" verantwortlich. Als eine von deutschlandweit elf Auftragnehmerfirmen kümmert sich die Zentek Gruppe um die Abwicklung der Plastikrecyclingprozesse im Raum Bremerhaven. Christian Gerhards, zuständiger Regionalleiter der Zentek Gruppe, beschreibt den Weg des gelben Sacks in Bremerhaven wie folgt: Die Bremerhavener Entsorgungsgesellschaft sammelt den Verpackungsmüll ein und bringt ihn zum Umschlagplatz in Bremerhaven Wulsdorf. Von dort wird der Plastikmüll zu Sortieranlagen weiter transportiert, die eine gesetzliche Recyclingquote erfüllen müssen.
Das Verpackungsgesetz sieht vor, dass 63 Prozent der Kunststoffabfälle in Deutschland als Werkstoff weiterverwendet werden müssen – zum Beispiel als geschreddertes Granulat wie bei Santanna. Plastik, das nicht recyclelt werden kann, werde in Verbrennungsöfen wie bei der Bremerhavener BEG zu Fernwärme umgewandelt oder als Brennstoff in Zementwerken eingesetzt. Wie viel Plastik im Raum Bremerhaven verbrannt oder recycled wird, kann Christian Gerhards nicht angeben. Laut dem Statistischem Bundesamt hat Deutschland im Jahr 2022 knapp 750.000 Tonnen Plastikmüll ins Ausland exportiert.
Unwissenheit über das Abfallsystem
Santanna weiß, dass es bis zu einer kommerziellen Nutzung seiner Recycling-Methode noch ein langer Weg ist. Aktuell erinnert der Prozess ein wenig an Bügelperlen bügeln. Doch genau über diesen spielerischen Angang möchte Santanna zeigen, dass Plastik-Recycling auch außerhalb großer Fertigungsanlagen möglich ist. Mit seiner Idee möchte er vor allem auf die Grundprobleme der Plastikentsorgung aufmerksam machen. Bei Menschen mit denen er über das Thema spricht, herrsche häufig Unwissen, sagt er.
Es gibt viele Leute, die einfach keine Ahnung haben, wie das Aballsystem funktioniert, wie Plastik produziert wird und noch weniger warum diese Ganze Verschmutzung so ist. Und was sie auch selbst machen können.
Ricardo Santanna von "Precious Plastic"
Wer Plastik im Bremerhavener "Werk" abgeben möchte, kann sich auf Instagram bei @preciousplastic.bremen melden.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, 23. Januar 2024, 7:20 Uhr