Infografik
Weniger Briefe, mehr Pakete: Was Postzustellern die Arbeit erschwert
Immer öfter beschweren sich Bremer über die Post. Viele schimpfen auf Zusteller. Dabei liegt der Fehler vielleicht woanders. Ein Bremer Postzusteller berichtet aus seinem Alltag.
Tobias M.* möchte sich nicht beklagen. "Meistens arbeite ich gern in diesem Beruf", sagt der Zusteller der Deutschen Post in Bremen, der Postsendungen im Bremer Umland zustellt. Die meisten Leute, mit denen er in seinem beruflichen Alltag zu tun hat, seien nett zu ihm, stellt er fest und erklärt: "Der Normalfall ist ja auch, dass sich die Menschen freuen, wenn der Postbote klingelt und ein Paket für sie hat. Entsprechend sind diese Menschen dann freundlich." Allerdings erlebe er seit einigen Jahren auch immer öfter mal Adressaten, die "ein bisschen anders drauf" sind, wie Tobias das nennt.
Damit meint er Männer und Frauen, die ihn beispielsweise beschimpfen, weil er an einem Montagmorgen um halb neun ein Paket noch nicht dabeihat, das sie doch schon am Abend zuvor zwischen der "Sportschau" und dem "Tatort" vom Fernseher aus bestellt hätten. Oder Kunden, die, weil sie ein Paket erwarten, die Ladefläche seines Lieferwagens durchsuchen wollen, weil er als Zusteller wahrscheinlich "zu blöd" sei, um das Paket zu finden. Oder Kunden, die hupend auf ihn zufahren und ihn als "hirnlosen Paket-Affen" beschimpfen.
Der Ton, den einige Menschen uns gegenüber anschlagen, ist rauer geworden.
Postzusteller Tobias M.
Immer mehr Quereinsteiger bei der Post in Bremen
Zwar handele es sich bei derartigen Begegnungen noch immer um Ausnahmesituationen. Allerdings um Ausnahmen, die ihre Ursachen zumindest teilweise in tatsächlichen Problemen bei der Post hätten, räumt Tobias ein. "Es kommt vor, dass ein Brief mal nicht im richtigen Briefkasten landet", sagt er dazu.
Zum einen, weil jeder mal einen Fehler mache. Zum anderen aber auch, weil sich der Arbeitskräftemangel auch auf die Qualität der Postzustellung auswirke. So arbeiteten heute immer mehr Quereinsteiger bei der Post, gerade in den unteren Gehaltsgruppen, also etwa bei den Zustellern.
Postzusteller ein Auslaufmodell?
Viele der Quereinsteiger hätten eine andere Muttersprache als Deutsch – ein klarer Nachteil beim Zustellen von auf Deutsch beschriften Briefen und Paketen. Die Einarbeitungszeit dieser Quereinsteiger betrage in der Regel lediglich drei Wochen. Und aus Gründen der geforderten Effizienz verändern sich noch dazu die Touren der Zusteller immer öfter.
Das Ergebnis: Der ortskundige Briefträger, der über Jahre in denselben Straßen mit dem Fahrrad die Post zustellt und genau weiß, wer in welchem Haus wohnt – dieser Zusteller wird nach und nach zum Auslaufmodell. Zumal die Post inzwischen auch in Städten, wie schon lange auf dem Land, vermehrt für Paketsendungen und für Briefe dieselben Zusteller einsetzt: "Wir müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass wir immer mehr Pakete und immer weniger Briefe zustellen sollen", sagt Post-Sprecherin Maike Wintjen zur Erklärung. Der Briefverkehr werde seit Jahren nach und nach zusehends von der Email-Korrespondenz abgelöst.
Post versendet bundesweit immer weniger Briefe
Post stellt deutschlandweit immer mehr Pakete zu
Gewerkschaft fordert Tarifbindung bei Paketdiensten
Es gibt jedoch noch weitere Umstände, die zu Fehlern bei der Postzustellung führen können. Thomas Warner, Fachbereichsleiter Postdienste der Gewerkschaft Verdi für Bremen und Niedersachsen, verweist auf die gesetzliche Verpflichtung der Post, alle Sendungen zuzustellen – eine Verpflichtung, die es für private Wettbewerber in dieser Form nicht gebe. Und das habe Folgen, so Warner: "Wenn ein anderer Dienstleister mehr Sendungen befördern soll, als er befördern kann, dann schmeißt er das einfach bei der Post auf die Rampe und sagt: Nun macht mal."
Auf diese Weise komme die Post immer wieder unverhofft zu erheblichen zusätzlichen Sendungen, die sie zustellen muss. Weitere große und unter Umständen neue Touren für das ohnehin ausgelastete Personal seien die Folge. Um zumindest dem Personalmangel in der Zustellerbranche zu begegnen, fordert Verdi einen fairen Wettbewerb mit Tarifbindung für alle Wettbewerber. Momentan orientieren sich die meisten Dienstleister bei der Bezahlung am Mindestlohn", stellt er fest. Die Post bezahle ihre Zusteller zumindest nach einem Haustarif.
"Schade, dass wir immer an allem schuld sind"
Auch deshalb legt Tobias M. Wert auf die Feststellung, dass seine Arbeitgeberin, die Deutsche Post AG, bei Weitem nicht so schlecht sei, wie sie in der Öffentlichkeit gelegentlich dargestellt werde. Auch glaubt er, dass einige Kunden, die die Post kritisieren, in Wahrheit einen anderen Dienstleister meinen: "Ich bin auch schon beschimpft worden, weil ich ein Paket nicht dabeihatte, das von einem Mitbewerber ausgeliefert werden sollte", sagt er und fügt hinzu: "Schade, dass wir immer an allem schuld sind." Dabei versäume es manch‘ Kritiker der Post sogar, seinen Namen auf den Briefkasten zu schreiben.
*Name von der Redaktion geändert
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. September 2023, 19:30 Uhr