7 Fakten rund um den Pottwal, der vor 35 Jahren nach Bremerhaven kam

Schon lange wünschten sich Forscher einen Wal für ihr Museum, doch ein Ankauf aus Japan wäre viel zu teuer. Wie gut, dass ihnen einer quasi vor die Haustür schwamm.

Walskeletts hängt an der Decke der Ausstellung im Deutschen Schifffahrtmuseum Bremerhaven
Bleich und riesig groß hängt er unter der Decke des Deutschen Schiffahrtsmuseums, als Gerippe, mit Blick nur noch auf den Museumshafen statt aufs Meer. Bild: DSM | Hauke Dressler

Am Morgen des 20. November 1984 ist der Krabbenfischer Hanke Jatzen auf dem Weg zu seinem Fangplatz in der Außenweser unterwegs. In der Tegeler Rinne sieht er, wie ein riesiger Wal tot im Fahrwasser treibt. Per Funk gibt er seine Entdeckung weiter, um Gefahr für den Schiffsverkehr abzuwenden. So erreicht die Nachricht auch das Nordseemuesum, wo Günther Behrmann gerade mit Kollegen bei einer kleinen Geburtstagsfeier sitzt. Er leitet das Museum und weiß, wie man Wale präpariert. Schon lange wünscht er sich ein Exemplar für seine Ausstellung.

Es wäre ja sehr teuer, einen Wal eben von Japan hierher zu holen, die ja Wale noch fangen dürfen. Dass der uns nun in die Haustür geschwommen ist, ist natürlich ein ganz großes Glück.

Günther Behrmann, Präparator

1 Der Wal wird immer länger

Je näher der Walfisch der Küste kommt, desto länger wird er. Der Fischer gibt eine erste Schätzung mit acht Metern an. Dann meldet sich der Kapitän des Rettungskreuzers "H.H. Meier", der das Tier in den Handelshafen schleppen soll. Da sind es schon zehn Meter. Weil das Abschleppen nur sehr langsam vorangeht, korrigiert er auf zwölf Meter Länge und später gibt er er noch mal zwei Meter oben drauf. Als Museumsleiter und Präparator Behrmann das Tier in Augenschein nimmt, erhöht er auf 16 Meter. Erst als der Wal am nächsten Tag geborgen auf dem Trockenen liegt, kann er ihn exakt vermessen und kommt auf genau 17,30 Meter.

2 57 Tonnen am Haken

Wegen der ständig korrigierten Körperlänge müssen die Forscher auch das Gewicht neu berechnen. Eine Bergung mit dem ursprünglich angeforderten 25-Tonnen-Kran scheitert. Stattdessen bauen die Helfer einen Autokran auf, dessen Hubkraft vier Mal stärker ist. Um 23 Uhr hieven sie den Wal endlich an Land.

3 Vier Tage Knochenarbeit

Am nächsten Morgen beginnen Behrmann und sein Team mit der Zerlegung. Ein Fleischer vom Schlachthof hilft mit, aber auch Werftarbeiter, die eine Brücke bauen, sodass der Wal von oben begehbar ist. Auf dem Boden ist es zu nass und zu rutschig geworden. Nichts für schwache Nerven und empfindliche Gemüter: Es stinkt fürchterlich. Der riesige Pottwal verströmt einen penetranten Mief aus Tran und Verwesung, den Behrmanns Leute gar nicht mehr wahrnehmen.

4 9.000 Schaulustige an einem Tag

Trotz des Verwesungsgestanks, der über halb Bremerhaven liegt, kommen viele Tausende Schaulustige. An einem Tag sollen es sogar 9.000 Besucher gewesen sein. Sie beobachten, wie der Wal in 200 bis 500 Kilogramm große Speck- und Fleischstücke zerlegt wird, die mit Hilfe von kleinen Baggern in den bereitgestellten Containern landen.

5 Mehr als 30.000 D-Mark Spenden

Jemand saugt das Skelett eines Pottwals im Deutschen Schifffahrtsmuseum ab.
Durch Spenden kommen vor 35 Jahren 30.000 D-Mark zusammen. (Archivbild) Bild: DSM | Niels Hollmeier

Weder das Museum noch die Stadt Bremerhaven hat für einen solchen Fall Geld im Haushalt zurückgelegt. Deshalb stellt das Wal-Team einen Spendeneimer auf. So kommen mehr als 30.000 D-Mark zusammen. Davon werden die Reinigung des Hafens und der Kaje bezahlt sowie das Heißwasser zum Auskochen der Knochen.

6 Ein ausgewachsener Pottwalbulle

Das Alter eines Wal können die Wissenschaftler anhand der Jahresringe in den Zähnen bestimmen. In diesem Fall kommen sie auf 27 Jahre. Da Wale etwa 30 bis 32 Jahre alt werden können, war er quasi nicht mehr der Jüngste, der sich aber in einer guten körperlichen Verfassung befand. Ob der gestrandete Pottwal aus Bremerhaven sich verirrt hatte, weil er die Orientierung verloren hatte, können die Wissenschaftler nur vermuten.

7 14 Jahre im Container

Im Mai 1985 sind die Knochen fertig präpariert, und wenn es nach Günther Behrmann gegangen wäre, würde das Walskelett längst in einer Ausstellung hängen. Aber ins Nordseemuseum passt es nicht hinein. Deshalb lagern die Knochen erst mal in einem Container. Bis Behrmann den Pottwalbullen im neuen Anbau des Deutschen Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven aufhängen kann, dauert es noch 14 Jahre. Erst 1999 endet die lange Reise des Wals, der 1984 in der Außenweser gestrandet war.

Warum das Pottwal-Skelett so lange im Container lagert (1994)

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 21. November 2019, 5:05 Uhr

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