Interview

Knackpunkt 35-Stunden-Woche: Wieso sich GDL und Bahn nicht einigen

Streikende Lokführer sind von hinten zu sehen.
Die GDL hat für Dienstag zum Streik aufgerufen. (Archivbild) Bild: dpa | Zuma Press/Sachelle Babbar

Die Lokführer wollen Dienstag streiken. Dabei sei ihnen die Deutsche Bahn weit entgegen gekommen, sagt der Fahrgastverband Pro Bahn. Er glaubt nicht an eine baldige Einigung.

Im Tarifkonflikt zwischen Deutscher Bahn und Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sind die Fronten weiter verhärtet. Statt der Einladung der Bahn zu Verhandlungen zu folgen, hat die GDL für Dienstag den nächsten Streik angekündigt. Die Deutsche Bahn wehrt sich dagegen mit einem Eilantrag vor Gericht.

Unabhängig davon, wie das Gericht entscheidet, hält Malte Diehl vom Fahrgastverband Pro Bahn die Situation für so festgefahren, dass er nicht an eine schnelle Lösung des Konflikts glaubt. Das steckt dahinter:

Mann mittleren Alters mit Brille guckt für Portraitfoto frontal in die Kamera
Glaubt, dass das Vorgehen der GDL dem Image der Deutschen Bahn schadet: Malte Diehl vom Fahrgastverband Pro Bahn. Bild: Malte Diehl

Herr Diehl, schon wieder ruft die GDL zum Streik auf. Inwiefern können Sie das nachvollziehen?

Überhaupt nicht. Es liegt doch jetzt ein Angebot auf dem Tisch, über das man ernsthaft reden müsste. Stichwort: 36-Stunden-Woche. Meines Erachtens geht es gerade um machttaktische Spielchen der GDL.

Und was steckt hinter diesen machttaktischen Spielchen?

Sie sind meines Erachtens maßgeblich dadurch motiviert, dass die GDL mit vielen anderen Eisenbahnunternehmen Verträge über eine 35-Stunden-Woche abgeschlossen hat, die in einigen Jahren greifen sollen. In diesen Verträgen steht allerdings eine Nachverhandlungs-Klausel. Darin steht, dass man über die 35-Stunden-Woche noch einmal verhandeln werde, sofern die GDL mit der Deutschen Bahn keine ähnliche Einigung erzielt. Die vielen kleinen Eisenbahngesellschaften wollen sich nicht schlechter stellen als die Deutsche Bahn.

Das heißt natürlich: Wenn die GDL jetzt mit der Deutschen Bahn einen Vertrag über eine 36-Stunden-Woche abschließen würde, würde sie ihren Verhandlungserfolg mit den anderen Eisenbahnunternehmen aufs Spiel setzen – und das Gesicht verlieren. Deswegen schaltet die GDL auf stur.

Glauben Sie, dass sich die GDL mit ihrer Forderung nach einer 35-Stunden-Woche durchsetzen wird?

Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass für die Deutsche Bahn die Schmerzgrenze erreicht ist. Wir reden hier über eine Arbeitszeitverkürzung von real rund zehn Prozent. Das würde für einen erheblichen Mehrbedarf an Lokführern sorgen.

Es ist ein Unterschied, ob ich ein kleines Unternehmen bin und drei, vier oder fünf zusätzliche Lokführer brauche, oder ob ich die Deutsche Bahn bin, und etliche hundert neue Lokführer einstellen muss. Entsprechend ist die Schmerzgrenze der Bahn – gerade bei diesem angespannten Arbeitsmarkt – eine andere als bei kleinen Eisenbahnunternehmen.

GDL und Deutsche Bahn werfen sich gegenseitig vor, ihren Streit auf dem Rücken der Fahrgäste auszutragen. Was ist Ihr Eindruck: Haben die Menschen noch Verständnis für diesen Arbeitskampf?

Nein, das Verständnis sinkt und sinkt. Das hat auch mit der Daseinsvorsorge zu tun. In keiner anderen Branche käme man auf die Idee, die Daseinsvorsorge komplett einzustellen, um zu streiken. Wenn in einem Krankenhaus gestreikt wird, wird immer ein Notdienst aufrecht erhalten. Wenn bei einem Energieversorger gestreikt wird, wird deswegen nicht das Kraftwerk abgeschaltet. Da gibt es auch Notdienste.

Und das würde man eigentlich auch von der Bahn erwarten. Es gibt viele Menschen, die darauf angewiesen sind, dass der öffentliche Nahverkehr funktioniert, weil sie sonst nicht zur Arbeit kommen. Wenn das wegbricht, dann bricht das gesamte Vertrauen weg. Mit den ganzen Verspätungen hat man schon genug zu kämpfen. Wenn jetzt noch so etwas dazu kommt – dann hat keiner mehr Verständnis dafür.

Stehen Sie auf der Seite der Deutschen Bahn?

Wir als Fahrgastverband sind grundsätzlich neutral, was Tarifverhandlungen angeht. Aber es fällt in dieser Tarifrunde extrem auf, dass die GDL eine sehr kompromisslose Haltung eingenommen hat. Es gab andere Tarifrunden vor ein paar Jahren, da hatte die Deutsche Bahn länger kein Tarifangebot vorgelegt. Das haben wir dann auch kritisiert. Aber diesmal ist es umgekehrt. Unsere Mitglieder und die Fahrgäste haben kein Verständnis für den Kurs der GDL.

Das Image der Deutschen Bahn war schon vor der aktuellen Auseinandersetzung mit der GDL beschädigt. Glauben Sie, dass der Ruf der Bahn nun weiter leiden wird?

Ja. Herr Weselsky (der Vorsitzende der GDL, die Redaktion) hat ja schon ganz gesagt, dass die Deutsche Bahn kein zuverlässiges Verkehrsunternehmen mehr ist. Tatsächlich war das die Bahn vorher schon wegen der vielen Zugausfälle und Verspätungen nur sehr bedingt. Wenn nicht mehr sichergestellt werden kann, dass die Bahn wenigstens einigermaßen zuverlässig bestimmten Fahrten gewährleisten kann, dann muss ich mir ja Alternativen suchen.

Aber, man muss eben ehrlicher Weise dazu sagen: Die Deutsche Bahn hat ihr schlechtes Image nicht allein zu verantworten. Doch das bleibt halt beim Fahrgast hängen: Der Zug fährt nicht oder zu spät – die Bahn ist schuld. Das dahinter auch politische Entscheidungen stehen, die von der Bahn nicht einfach aufgefangen werden können, sieht man an der Oberfläche nicht.

Was raten Sie Fahrgästen, die trotz allem weiterhin auf die Eisenbahn setzen?

Ich würde ihnen empfehlen, sich einen gesunden schwarzen Humor zuzulegen. Anders kann man das nicht mehr ertragen. Außerdem brauchen sie viel Durchhaltevermögen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es in den kommenden ein/zwei Wochen zu einer Lösung kommt.

Was mich besonders stört, ist die Weigerung, einen offiziellen Schlichter überhaupt in Betracht zu ziehen. Das wäre doch das Mindeste in so einem festgefahrenen Konflikt. Man hat ja nun schon einen Monat lang ergebnislos verhandelt.

Wie ließen sich die Gräben zwischen GDL und Deutscher Bahn dauerhaft etwas weiter schließen?

Man sollte mal über neue Verhandlungsführer nachdenken. Über solche, die sich auch menschlich besser leiden können als die Bestehenden (GDL-Chef Claus Weselsky und DB-Manager Martin Seiler, die Redaktion).

Wie der Streik der Lokführer die Bremer Wirtschaft beeinflusst

Bild: Radio Bremen
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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. März 2024, 19.30 Uhr