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Reformstaatsvertrag: Weniger aktuelle Infos bei 'butenunbinnen.de'?

Eine junge Frau hält ein Smartphone mit der Buten un Binnen Website in den Händen

Reformstaatsvertrag: Weniger aktuelle Infos bei butenunbinnen.de?

Bild: dpa | Zoonar/Channel Partners/Montage Radio Bremen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll reformiert werden. 'butenunbinnen.de'-Redaktionsleiter Thorsten Reinhold ordnet ein, wie sich geplante Änderungen auswirken würden.

Die Bundesländer wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu gestalten. "Hierfür soll der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks qualitativ gestärkt und quantitativ begrenzt werden", schreibt die Rundfunkkommission der Länder. Jetzt liegt ein Entwurf auf dem Tisch, der auch Änderungen vorsieht, wie Radio Bremen und andere Landesrundfunkanstalten online berichten dürfen. Danach soll vor allem weniger Text möglich sein. Die Politik reagiert damit auf den Druck der Verlage in Deutschland.

Würden Nutzerinnen und Nutzer bei 'butenunbinnen.de' schlechter informiert, wenn der Entwurf so durchkommt?

Das Angebot wäre auf jeden Fall anders. Diejenigen, die uns nutzen, würden aktuelle Informationen teilweise deutlich später bekommen. Das ist ein bewusstes Ausbremsen von Informationen im Netz. Denn der Entwurf sieht vor, dass wir online erst berichten dürfen, wenn der Inhalt vorher im Radio oder Fernsehen lief. Bedeutet: Sie als User würden später informiert, und das beim schnellsten Medium. Bei sogenannten Breaking News soll es eine Ausnahme geben. Erlaubt wäre aber nur eine Schlagzeile, also ein Satz. Nicht mehr.

Nehmen wir an, es droht am Abend ein Sturm und der Bremer Freimarkt muss aus Sicherheitsgründen dicht gemacht werden (2021 ist das passiert). Die Information erhalten wir beispielsweise gegen 15:05 Uhr. Was dürften wir Ihnen dann mitteilen? "Bremer Freimarkt muss wegen Sturms dichtmachen." Eine Schlagzeile. Als Nutzer müssten Sie bis zur nächsten Nachrichtensendung warten, um online mehr darüber zu erfahren. "Online First" wäre damit in der digitalen Nachrichtenwelt von heute bei öffentlich-rechtlichen Informationsangeboten im Netz nicht mehr möglich.

Die vorgeschlagenen Regelungen gelten auch für Social Media. Auch dort würden wir eingeschränkt. Dies würde vor allem auch das junge Publikum treffen. 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen geben an, dass Netzwerke wie Instagram und TikTok ihre Hauptinformationsquellen sind. buten un binnen erreicht über diese Kanäle auch sehr viele junge Menschen.

Dahinter steckt ein jahrelanger Streit um die so genannte Presseähnlichkeit der Online-Angebote des ÖRR. Worum geht es konkret?

In Kurzform: Die privaten Zeitungsverlage stören sich daran, dass der ÖRR im Netz auch Informationen per Text verbreitet. Sie argumentieren, dass der ÖRR ihnen Konkurrenz macht und es ihnen deswegen wirtschaftlich schlechter geht. Dabei ist das Lesen ein Allgemeingut, gerade wenn es um die Vermittlung von Information geht.

Geht es nach dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), sollen Angebote wie butenunbinnen.de reine Mediatheken sein. "Wir akzeptieren natürlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender auch über regionale Themen berichten, aber das dürften ausschließlich Audio- oder Videoformate sein, die das Wesen des Rundfunks ausmachen", sagt David Koopmann in einem Interview mit medienpolitik.net. Er ist Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG, zu der der Weser-Kurier gehört.

Der aktuelle Staatsvertrag erlaubt dem ÖRR grundsätzlich Texte im Netz, vor allem dann, wenn das Thema im Fernsehen oder Hörfunk läuft, egal ob vor oder nach der Veröffentlichung im Netz.

Die Verleger sprechen von einem "ungleichen Wettbewerb". Sind die Sorgen der Verleger und Politik nachvollziehbar?

Seit Jahren behaupten die Verlage, die beitragsfinanzierten Internet-Angebote des ÖRR seien schuld daran, dass sie mit ihren Auftritten im Netz nicht ausreichend Geld verdienen. Ein aktuelles Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Verlage kaum profitieren, wenn butenunbinnen.de & Co eingeschränkt würden. Danach würden die Menschen auf kostenlose Portale wie t-online.de und gmx.de oder Google News ausweichen. Dasselbe Ergebnis liefert eine Studie, die simuliert hat, wie sich eine Abschaffung des ORF-Angebots in Österreich auswirken würde. Die Zugewinne der privaten Anbieter sind danach gering.

Vor Erfindung des Internets verdienten Verlage gutes Geld durch den Verkauf der Zeitung oder per Abo und vor allem durch Anzeigen. Jetzt geht die Werbeindustrie zu Google und Co. Das andere Problem der Verlage: Guten Journalismus digital gegen Bezahlung anzubieten, ist eine große Herausforderung. Das Online-Angebot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuschränken, löst die wirtschaftlichen Probleme der Zeitungen nicht wirklich. Profitieren würden vor allem wieder Konkurrenten im Netz, darunter auch demokratiegefährdende Quellen von Fake News. Zusammenarbeit wäre die bessere Lösung.

Klaus Sondergeld, Vorsitzender des Rundfunkrats von Radio Bremen. Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit.

Was konkret soll jetzt im Reformstaatsvertrag geändert werden?

Ein zentraler Punkt ist, Texte bei den Informationsangeboten wie 'butenubinnen.de' zu beschränken. Ein einziges Wort würde zu dieser Veränderung führen, nämlich das Wort "nachträglich" (siehe Zitat). Eine schnelle und ausreichende Information des Publikums im schnellsten Medium würde es damit nicht mehr geben, zumindest nicht mehr bei den Online-Angeboten von ARD und ZDF.

In der öffentlichen Debatte ist bislang vor allem über die Auswirkungen beim Radio und Fernsehen berichtet worden. Die Reform sieht weniger Hörfunksender und die Zusammenlegung von Fernsehkanälen vor.

Sendungsbegleitende Texte sind Sendungstranskripte, Zusammenfassungen von Sendungen sowie solche, die der nachträglichen Aufbereitung von Inhalten […] dienen, [...].

§30 (7) im Entwurf des Reformstaatsvertrags

Wie geht es jetzt weiter?

Es gab zuletzt eine öffentliche Anhörung zum Entwurf des Reformstaatsvertrags. Fast 16.000 Stellungnahmen sind nach Angaben der verantwortlichen Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz eingegangen. Ende Oktober beraten die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen. Es kann sein, dass es noch Änderungen gibt. Im Anschluss müssen die Landesparlamente über den Vertrag entscheiden. Stimmen alle dafür, dann könnten die neuen Regeln ab Sommer 2025 gelten.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 17. Oktober 2024, 8:10 Uhr