Interview

Bremer Schuldnerberater warnt vor Online-Käufen auf Rechnung

Eine Frau sitzt  vor einem Laptop und bezahlt eine Rechnung für eine Lieferung (Symbolbild)
Bei Online-Käufen verlieren offenbar viele Menschen den Überblick über ihre finanziellen Möglichkeiten. Bild: dpa | Christin Klose

Online-Käufe und -Kredite tragen immer öfter zur Überschuldung von Verbrauchern bei. Wie das kommt und was dann zu tun ist, erklärt ein Schuldnerberater der Caritas Bremen.

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform stellt am heutigen Dienstag, 19. November, den Schuldneratlas 2024 vor. Der Schuldneratlas zeigt Jahr für Jahr, wie viele Menschen aus welchen Bevölkerungsgruppen wo in Deutschland überschuldet sind. buten un binnen hat vor der Veröffentlichung mit Schuldnerberater Jamal Maati von der Caritas Bremen über neue Formen der Verschuldung sowie über Auswege daraus gesprochen.

Dunkelhaariger Mann, etwa 40, mit Brille und Vollbart lächelt für Foto in die Kamera
Jamal Maati von der Schuldnerberatung der Caritas Bremen findet, dass es zu einfach ist, über das Internet Kredite abzuschließen. Er fordert strengere Kriterien dafür. Bild: Caritas Bremen

Herr Maati, schon immer haben sich Menschen verschuldet. Welche neuen Entwicklungen bei der Verschuldung beobachten Sie?

Immer mehr Menschen verschulden sich beim Online-Shopping. Und zwar insbesondere dann, wenn Händler Zahlungsmethoden anbieten wie "jetzt kaufen, später bezahlen". Dadurch verlieren einige Verbraucher den Überblick und häufen Schulden an. Ein weiterer Punkt sind Online-Kredite. Sie sind einfacher zu bekommen als andere Kredite. Allerdings sind sie meistens auch teurer und führen Verbraucher in die Schuldenfalle.

Wie läuft eine Schuldnerberatung typischerweise bei Ihnen ab?

Die Caritas bietet eine kostenlose Erstberatung an. Im ersten Schritt lernen wir die Klienten kennen und besprechen mit ihnen ihre finanziellen Probleme. Wir legen den Fokus zunächst auf die Existenzsicherung. Ich gucke, ob der Klient die Miete und die Stromrechnung bezahlt hat. Uns ist wichtig, dass unsere Klienten eine Wohnung und Strom haben. Damit befassen wir uns, bevor wir über die anderen Schulden reden.

Danach erstellen wir gemeinsam mit dem Klienten einen Haushaltsplan, um Einnahmen und Ausgabe klar zu strukturieren und um mögliches Einsparpotential aufzuzeigen. Danach nehmen wir Kontakt zu den Gläubigern auf, um die genaue Höhe der Schulden zu ermitteln. Und wir schlagen ihnen einen Vergleich vor (Anm. d. Red.: Ein Vergleich ist eine außergerichtliche Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger).

Was bewirkt der Vorschlag eines Vergleichs?

Der Gläubiger kann den Vorschlag annehmen oder ablehnen. Nimmt er ihn an, ist das natürlich gut. Dann läuft es in der Regel auf eine Stundung der Schuld und auf eine Ratenzahlung hinaus. Lehnt er den Vergleich ab, kann der Klient einen Antrag auf Insolvenz stellen.

Was müssen Verschuldete tun, außer zur Beratung zu gehen und alle Fakten auf den Tisch zu legen?

Auf alle Fälle darf er keine neuen Schulden machen. Er muss alle Gläubiger identifizieren, wissen, bei wem er alles Schulden hat. Leider kommt es sehr häufig vor, dass Menschen zu uns in die Beratung kommen und gar nicht wissen, bei wem sie alles Schulden haben. Sie haben den Überblick verloren. Wir fragen dann bei der Schufa nach und bekommen eine Liste der Gläubiger. Oder wir rufen beim Finanzamt und bei anderen Behörden an und fragen dort direkt nach. Das gehört auch zu unserem Job.

Was könnten Politik und Gesellschaft tun, um die Menschen besser vor Überschuldung zu schützen?

Ich fange mal mit den Kindern an. In der Schule sollte unterrichtet werden, wie man verantwortungsvoll mit Geld umgeht. Wenn die Kinder das lernen würden, würden sie sich später vielleicht nicht verschulden.

Zweitens sollten strengere Regeln für das Anbieten von Krediten eingeführt werden, gerade mit Blick auf das Online-Shopping. Zahlungsmethoden wie "jetzt kaufen, später bezahlen" führen dazu, dass viele Menschen mehr ausgeben, als sie sich leisten können. Das ist ein großes Problem.

Schließlich sollten wir auch über die soziale Sicherung nachdenken. Viele Menschen haben zu geringe Einkommen. Wir haben viele Rentner mit viel zu niedrigen Renten. Gleichzeitig fehlt bezahlbarer Wohnraum. Das sind alles Gründe für Schulden. Das soziale Netz muss insgesamt gestärkt werden.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. November 2024, 19.30 Uhr