Wie Bremer Vereine sich gegen illegale Sportwetten im Fußball wehren

Sportwetten im Amateurfußball: Auf der Suche nach Datenscouts

Bild: dpa | Claus Bergmann

Es tut sich was im Bremer Amateur-Fußball – in der Vergangenheit soll es zu illegalen Wetten gekommen sein. Jetzt fangen Vereine an, gegen mögliche Manipulation vorzugehen.

Es klingt fast schon ein wenig paranoid, doch beim Bremen-Ligisten Blumenthaler SV zum Beispiel holen sie bei jedem Heimspiel das Fernglas hervor und scannen die Tribünen ab. Beim KSV Vatan Sport ist der Vorsitzende beim vergangenen Heimspiel durch die Zuschauerreihen gegangen und hat Besucher angesprochen, die viel aufs Smartphone geschaut haben. Bei Union 60 Bremen haben sie neulich eine Person mit Headset hinter dem Zaun erwischt und vom Gelände geschickt. Der Grund für all diese Aktionen: die Sorge vor sogenannten Datenscouts.

Aushang am Eingang von Union 60, dass keine Datenscouts zur Unterstützung von Sportwetten erwünscht sind
In den Vereinen gibt es mittlerweile Aushänge, dass keine Datenscouts zur Unterstützung von Sportwetten erwünscht sind. Bild: Radio Bremen | Niko Schleicher

Das sind Menschen, die von Datenhändlern beschäftigt werden, um Spielinformationen an Wettanbieter weiterzugeben – in Echtzeit. Entweder per Eingabe ins Handy oder per Sprachübermittlung. So werden Live-Wetten möglich.

Über die ausländischen Plattformen der Anbieter kann man dann zum Beispiel Geld daraufsetzen, wer den nächsten Einwurf hat, wer die nächste gelbe Karte kriegt, wer das nächste Tor schießt. Es sind unzählige Wetten möglich. Auch die Quote ändert sich im Spielverlauf. Erlaubt sind diese Wetten auf Amateurspiele in Deutschland nicht.

Diese Gefahren lauern hinter Wetten im Amateurfußball

Der Grund dafür: Im Amateurfußball verdienen die Spieler kein Geld oder sehr wenig. Dadurch ist die Manipulationsgefahr hoch. Für manche ist es verlockend, wenn sie Geld geboten bekommen, um einen Elfmeter zu verursachen oder ein Tor reinzulassen.

Doch woher wissen die Vereine von den Wetten? Ein Tippgeber ist Thomas Melchior. Der gebürtige Sachse hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Er wurde süchtig nach Sportwetten, stürzte komplett ab.

Melchior verliert durch Wetten alles

Thomas Melchior sitzt vor dem Funkaus auf dem Bronzesofa
Thomas Melchior setzt sich gegen Sportwetten ein – er selbst wurde spielsüchtig und musste deshalb sogar ins Gefängnis. Bild: Radio Bremen | Niko Schleicher

Der frühere Bankkaufmann verlor nach und nach Job, Freunde, Familie, wurde kriminell und saß etwas mehr als drei Jahre im Gefängnis. Heute hält er Vorträge auch an Schulen, warnt vor Spielsucht und Sportwetten.

Entdeckt er Wetten auf Amateurspielen, schreibt er die Klubs an, informiert sie darüber.  Und das in ganz Deutschland, auch in Bremen. Seine Lebensgeschichte motiviert ihn. "Mein Anliegen ist, den Amateurfußball, die Amateursportler, die Vereine, die Fans zu schützen, zu sensibilisieren und darauf aufmerksam zu machen", sagt er, "dass der Sport aktuell mit diesen Wettanbietern ein riesengroßes Problem hat."

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Bild: Radio Bremen

Wie Bremer Vereine mit dem Thema umgehen

Aber haben alle Vereine in Bremen das Thema schon auf dem Schirm? Buten un binnen hat eine Umfrage unter allen 16 Bremen-Ligisten gestartet, welche Erfahrungen sie mit Datenscouts gemacht haben. Die Hälfte hat sich zurückgemeldet. Drei Klubs haben welche gesichtet, die anderen noch nicht.

Der SC Vahr-Blockdiek etwa hatte kürzlich einen Datenscout von der Anlage verwiesen. Generell sind die Bremer Vereine noch recht unerfahren mit dem Thema. Der erste Vorsitzende des Habenhauser FV, Linus Edwards, etwa sagt: "Tatsächlich ist das erstmal komplett überraschend, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, das live zu tun. Das ist sehr aufwühlend und irritierend und nicht mehr das, was wir als fairen Sport definieren."

Datenscouts sollen vom Platz verwiesen werden

Alle Vereine eint, dass sie gegen Wetten im Amateurfußball sind und Datenscouts sofort von der Anlage schicken würden, wenn sie jemanden entdecken – so wie schon geschehen bei Vahr-Blockdiek. Mittlerweile haben viele Klubs Verbotsschilder auf ihren Anlagen aufgehängt mit dem Hinweis, Datenscouts sind nicht erwünscht.

Das Musterschreiben kam vom Bremer Fußball-Verband, jedoch erst auf Nachfrage. Wenn die Datenscouts keine Daten liefern, sind Live-Wetten nicht mehr möglich. Für die Vereine ein erster wichtiger Schritt im Kampf gegen Spielmanipulation.

Vereine schließen Vereinbarung mit ihren Spielern

Für manche wie Axel Viereck, den Vorsitzenden von Union 60 Bremen, ist das nicht genug.

Wetten kann man ja trotzdem, nur nicht live wetten. Für Manipulation reicht ja das Ergebnis. Insofern ist immer ein mulmiges Gefühl.

Axel Viereck, Vorsitzender von Union 60 Bremen

Tatsächlich war es am vergangenen Sonntag, 22. September, möglich auf drei der vier Bremen-Liga-Partien Wetten zu platzieren – jedoch nicht live. "Bremen ist da noch so ein bisschen eine Wundertüte", sagt Melchior. In der Hamburger Oberliga sei es schon gelungen, die Datenscouts von den Anlagen fern zu halten. Bei Union 60 haben sie neben den Verbotsschildern eine schriftliche Vereinbarung mit den Spielern getroffen, dass diese nicht wetten. Mehr könnten sie nicht machen, sagt Axel Viereck.

Thomas Melchior aber sieht einen Trend der vergangenen Wochen, "dass aufgrund der steigenden Sensibilisierung die Zahl der illegalen Live-Wetten deutlich abgenommen hat, weil die Datenscouts nicht mehr unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen können", sagt er. Und das wertet er positiv, als gutes Zeichen auch für die Bremen-Liga.

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  • Niko Schleicher
    Niko Schleicher

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. September 2024, 19:30 Uhr