Amoklauf vor 110 Jahren: Ehemaliger Lehrer tötet 5 Bremer Schülerinnen
Ein langer Trauerzug zog im Juni 1913 zum Waller Friedhof. Bei einem Amoklauf wurden fünf Mädchen getötet. Wir erinnern an einen der ersten Schulamokläufe Deutschlands.
Ein psychisch kranker Mann hat bei einem der ersten dokumentieren Amokläufe in einer Schule in Bremen-Walle fünf Mädchen getötet, 20 weitere Menschen wurden verletzt. Die Nachricht könnte rund ein Jahr nach der Armbrust-Attacke am Bremerhavener Lloyd-Gymnasium kaum aktueller sein, sie ist jedoch schon 110 Jahre alt.
Damals tötete ein arbeitsloser Lehrer fünf Mädchen im Alter zwischen sechs und sieben Jahren an der katholischen Mädchenschule Sankt Marien. Noch am selben Tag kam er in die heutige Psychiatrie Bremen-Ost, früher noch "Nervenheilanstalt Sankt Jürgen-Asyl". Sein Motiv war der Hass auf Katholiken, insbesondere auf Jesuiten.
Zehn Waffen mit 1.000 Schuss
Kurz nach einem Trauerfall in der Familie, bewaffnete sich der damals 29-jährige Protestant mit zehn Schusswaffen und rund 1.000 Schuss Munition. Die Patronen stopfte er sich sogar in seine Socken und unter seine Mütze. Aus dem Bremer Flüsseviertel macht er sich auf den Weg zu der katholischen Grundschule in Bremen-Walle. Dort angekommen, schoss er wahllos um sich und verletzte 15 Kinder, zwei Mädchen waren sofort tot. Insgesamt 35 leere Patronenhülsen finden die Ermittler am Tatort, so steht es in den Ermittlungsakten aus dem Jahr 1913.
Bei der Flucht vor dem Schützen stürzte ein Mädchen eine Treppe hinunter und brach sich das Genick. Zwei weitere Mädchen verstarben noch im Krankenhaus an ihren Verletzungen.
Ein Lehrer wird zum Helden
Selbst schon mehrfach getroffen und schwer verletzt, schaffte es Lehrer Hubert Möllmann den Attentäter zu überwältigen, bevor er selbst zusammenbrach. Eine Notoperation rettete dem 24-jährigen Lehrer das Leben, an der Trauerfeier für die Schülerinnen konnte er nicht teilnehmen.
Weil er sein Leben für die Kinder riskierte, bekam er von der Stadt die Bremische Rettungsmedaille in Silber mit der Aufschrift "Fuer Rettung aus Gefahr", die noch heute im Familienbesitz ist. Aus dem Krankenhaus entlassen konnte Möllmann wieder unterrichten.
Spätere Diagnose: Schizophrenie
Der Täter blieb bis zu seinem Tod in der Psychiatrie. Der Psychiater Frank Schwerdtfeger kennt die Krankenakte des damals 29-jährigen Täters und stellt Angststörungen und Wahnvorstellungen fest. Auch in der Psychiatrie fühlte sich der Täter phasenweise noch von Jesuiten bedroht und verfolgt. Erinnern konnte er sich laut den Krankenakten nicht an seine Tat.
Trauerzug zu Waller Friedhof
Wenige Tage nach der grausamen Tat fand die Beerdigung von vier Mädchen statt, eins der Kinder verstarb später im Krankenhaus. Nach der Gedenkfeier zog ein kilometerlanger Trauerzug in Richtung des Waller Friedhofs, die ganze Stadt nahm Anteil.
Das Gebäude der Grundschule wurde im zweiten Weltkrieg zerstört, heute befindet sich auf dem Gelände ein Neubau der katholischen Sankt Marien Schule, angrenzend an das Schulzentrum Grenzstraße.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, 20. Juni 2023, 15:10 Uhr