Hat dieser kleine "Wurm" Bremerhavens Nordmole zerstört?

Ein Wurm steckt in einem Stück Holz. Das Holz ist durchlöchert.
Die Holzbohrmuschel, unter anderem auch bekannt als Schiffsbohrwurm und Schiffsbohrmuschel, frisst Löcher in Holz. Bild: Imago | blickwinkel

Die eingestürzte Nordmole hat im August vergangenen Jahres für bundesweites Aufsehen gesorgt. Jetzt hat sich ein Holzwirt genauer mit der Ursache beschäftigt.

Sie ist klein und unscheinbar: die Holzbohrmuschel. Sie sieht aus wie ein kleiner Wurm. Einzeln ist sie relativ harmlos, aber im Team können die Muscheln eine Menge Schaden anrichten. So auch an der Nordmole. Der Molenturm ist im vergangenen August eingestürzt. Überraschend war das nicht, sagt jetzt ein Holzwirt, der sich näher mit der Ursache des Einsturzes beschäftigt hat.

Der abgesackte Molenturm in Bremerhaven. In der Nacht zum Donnerstag hatte sich die Nordmole, an deren Spitze das Leuchtfeuer mit dem roten Haupt steht, abgesenkt, wobei der rund 20 Meter hohe Turm in eine bedrohliche Schieflage geriet.
Im vergangenen August stürzte die Nordmole ein. Bild: dpa | Markus Hibbeler

Was hat der Experte untersucht?

Diplom-Holzwirt Johann Müller aus dem Emsland hat sich für einen Artikel für die Fachzeitschrift Holz-Zentralblatt mit der Nordmole beschäftigt. Er hat sich den freigelegten Holzunterbau, auf dem die Nordmole stand, genauer angesehen. Der zuständige Hafenbetreiber Bremenports hat ihm den Zugang zum Unterbau ermöglicht und vorhandene Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2011 und 2016 zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Außerdem hat sich Müller mit dem Vorkommen der Holzbohrmuschel beschäftigt.

Zu welchem Ergebnis kommt der Experte?

Bei der Untersuchung im Bereich der eingestürzten Nordmole stellte Müller fest, dass einige Pfahlabschnitte durch die Bohrmuschel völlig zerstört waren. "Das Wegbrechen der Molenmauer zur Wasserseite scheint damit erklärbar", so Müller. Für die Fortpflanzung der Muscheln sind Salzgehalt und Temperatur entscheidend, erklärt Müller. Deshalb hat er beides untersucht und kommt zu dem Schluss, dass auch der Klimawandel eine entscheidende Rolle spielt. "Die vorliegenden Daten zum Salzgehalt in der Weser dürften eine dauerhafte Ansiedlung der Bohrmuschel im Bereich Bremerhaven hinreichend erklären", so der Experte. "Begünstigt wurde die Fraßaktivität des Schädlings zudem durch nach und nach steigende Wassertemperaturen, wobei dieser Trend noch viele Jahre als Folge des Klimawandels anhalten dürfte."

Da der Unterbau der Nordmole größtenteils vom Wasser umspült blieb, war der Befall durch die Holzbohrmuschel somit möglich, sobald sich den Schädlingen ausreichende Lebensbedingungen boten.

Johann Müller, Diplom-Holzwirt

Hätte man mit dem Schaden nicht rechnen können?

Das Vorkommen der Bohrmuschel ist nicht neu. In den niederländischen und deutschen Nordseeküstenbereichen wurde die Holzbohrmuschel laut Müller bereits im 18. Jahrhundert nachgewiesen. In den 1990er-Jahren wurden im Bereich der Nordseeküste vermehrt Schäden an Hafenanlagen festgestellt, beispielsweise in den Häfen von Wangerooge, Spiekeroog und Langeoog sowie in Cuxhaven. In der Weser bei Bremerhaven entdeckte man sie erstmals 1997.

Gesicherte Nachweise über das Vorkommen in den Hafenanlagen in Bremerhaven gibt es seit 1998. 2011 wurde Bohrmuschelbefall an der Nordmole festgestellt. Die Untersuchungen hatte damals Bremenports in Auftrag gegeben. Fünf Jahre später ließ die Hafengesellschaft weitere Untersuchungen durchführen. Dabei stellte man fest, dass die Bohrmuscheln einige Pfähle schon vollständig zerstört hatten. Zudem gab es laut Müller deutliche Hinweise auf Schäden an der Kaimauer.

Von einer Krangondel aus wird am schiefen Leuchtturm auf der Mole in Bremerhaven die Demontage der Kuppel vorbereitet.
Nach dem Einsturz wurde die Nordmole abgerissen. Bild: dpa | Bodo Marks

Wäre die Nordmole aus Sicht des Experten noch zu retten gewesen?

"Insbesondere bei Betrachtung des Gesamtzustandes der wasserseitigen Pfahlreihe erschien das Wegbrechen des Mauerwerks im Bereich nahe des Leuchtturms jedoch nachvollziehbar, und mit den Untersuchungsergebnissen aus dem Jahre 2016 wohl auch vorhersehbar", sagt Müller. Ein nachträglicher Schutz von Holzkonstruktionen im Meerwasser wäre laut Müller nur mit einer vollständigen Abschottung der Hölzer vom Wasser möglich gewesen, etwa durch eine vorgesetzte Spundwand und einer Verfüllung des Raumes dahinter, was allerdings hohe Kosten verursacht hätte. Er kommt zu dem Schluss, dass Holzkonstruktionen in der Weser bis zur Höhe von Nordenham in der Wesermarsch durch die Holzbohrmuschel gefährdet sind und regelmäßig überprüft werden sollten.

Was sagt die zuständige Hafengesellschaft Bremenports dazu?

Dass die Nordmole marode sei, sei spätestens seit 2012 bekannt, sagt Bremenports-Sprecher Holger Bruns. "Wir haben jedes Jahr eine Risikomeldung an den Senat gemacht." Der Senat habe jedoch erst 2019 den Beschluss gefasst, die Nordmole neu zu bauen. "Die Planungsarbeiten haben gedauert", so Bruns. Mit einer früheren Entscheidung für einen Abriss hätte man den Einsturz verhindern können.

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. August 2022, 19:30 Uhr