Sicher feiern in Bremen? Awareness-Teams und "Mika" helfen Partygästen
Im Nachtleben kommt es zu Übergriffen, Diebstählen und anderen Straftaten. Vereine, Betreiber und Sicherheitsfirmen versuchen das Feiern in Bremen sicherer zu machen.
Bremen bietet viele Möglichkeiten zum ausgelassenen Feiern. Ob in Bars und Kneipen im Viertel und in der Neustadt oder in Klubs auf der Discomeile am Hauptbahnhof, für jeden ist etwas dabei. Doch nicht jede Partynacht bleibt positiv in Erinnerung. Übermäßiger Alkoholkonsum, Gewalt, Drogenhandel und unzureichende Beleuchtung beeinträchtigen laut der Bremer Polizei das Sicherheitsgefühl der Menschen.
Awareness-Teams sind vor Ort und helfen
Um etwas dagegen zu tun, ist die Sicherheitsfirma L'Unità Security am Wochenende mit Awareness-Teams in auffälligen lila Westen im Viertel und im Club "Modernes" in der Neustadt unterwegs. "Wir kümmern uns um Leute, die belästigt, angefasst oder beleidigt wurden, und um Menschen, die zu viel getrunken haben oder nicht mehr wissen, wie sie nach Hause kommen sollen", sagt die Leiterin der Awareness-Abteilung, Maja von Glan. Die Arbeit schließe eine Lücke zwischen Polizei und Security.
Die Security konzentriert sich darauf, dass die Hausordnung durchgesetzt wird, während die Polizei darauf aus ist, Straftäter zu ermitteln. Was passiert aber mit Leuten, die akute Unterstützung brauchen?
Maja von Glan, Leiterin der Awareness-Abteilung
Polizei und Awareness-Teams arbeiten stellenweise auch zusammen. So rufe die Polizei durchaus auch das Awareness-Team zur Hilfe, wenn sie weiter zum nächsten Fall müsse, die betroffene Person aber noch total aufgelöst sei. Andersherum zieht das Awareness-Team die Polizei nur auf ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen hinzu: "Nur wenn jemand Anzeige erstatten möchte, kontaktieren wir die Polizei", sagt von Glan.
Die Awareness-Teams im Viertel sind jeden Freitag und Samstag von 22 bis vier Uhr früh unterwegs. Das Projekt gibt es seit 2021. Im "Modernes" ist das L’Unità Awareness-Team seit Anfang des Jahres jeden Freitag und Samstag im Einsatz. Eines der Teams im Viertel trägt die auffälligen lila Westen, während das andere in ziviler Kleidung unterwegs ist. "Während das eine Team oft angesprochen wird und ins Gespräch mit den Viertelbesuchenden kommt, kann das andere Team zu einer betroffenen Person gehen, ohne dass gleich alle sehen, dass da jemand einen Awareness-Fall hat", sagt von Glan.
Awareness-Arbeit hat ihre Wurzeln im Kampf gegen sexuelle Übergriffe und sexualisierte Gewalt. "Die Arbeit hilft, das Thema Übergriffe zu enttabuisieren, mittlerweile werden Betroffene ernster genommen", sagt von Glan. Allerdings sind die Teams auch für rassistische und antisemitische Übergriffe da. "Wir bilden uns konstant weiter und beschäftigen uns mit weiteren Diskriminierungsformen", sagt von Glan, "in Zukunft wollen wir uns zum Beispiel vermehrt mit barrierefreiem Feiern beschäftigen und uns bei den Themen Queer- und Transfeindlichkeit professionalisieren."
Partygäste in Not können Codewort "Mika" nutzen
"Kennst du Mika?" ist ein weiteres Projekt, dass die Partynacht in Bremen sicherer machen soll und Hilfe bei sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum bietet. Das Projekt funktioniert über die Codewort-Frage "Kennst du Mika?", mit der Betroffene zum Beispiel dem Theken-Personal mitteilen können, dass sie einen Übergriff erlebt haben oder akut bedrängt werden. Initiiert wurde es 2021 von "notruf Bremen", einer Beratungsstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt.
"Uns ist wichtig, dass Betroffenen dann ein geschützter Raum geboten werden kann. Welche Hilfe die betroffene Person braucht, bestimmt sie dabei selbst", sagt Pauline Habermann vom "notruf Bremen". Das Projekt soll sexuelle Übergriffe und Diskriminierung im öffentlichen Raum sichtbar machen und so auch präventiv wirken. Mitglieder sind unter anderem die Bar "Fehrfeld" im Viertel und das Weserstadion.
Fragen nach "Angela" und "Luisa" sind Vorgänger
Das Konzept stammt ursprünglich aus England und richtete sich mit "Ask for Angela" zunächst nur an Frauen. Die Frage nach "Mika" steht aber allen Geschlechtsidentitäten offen. Die Bremer Vorläuferkampagne "Ist Luisa da?" wurde 2019 nach einem Rechtsstreit mit dem Münsteraner Projekt "Ist Luisa hier?" eingestellt. Die Münsteraner befürchteten damals eine Verwechslungsgefahr mit ihrem Projekt, welches ausschließlich für Frauen gedacht war.
Der Verein Clubverstärker, der die Interessen der verschiedenen Live-Musik-Spielstätten in Bremen vertritt, schult mit L'Unità Security Clubbetreiber und Personal zu den Themen Anti-Diskriminierung und sexualisierte Gewalt. Außerdem bietet der Verein Schulungen zum Umgang mit Menschen an, die Drogen konsumiert haben: "Wir haben auch in Bremen immer mehr stärkere Drogen, sodass andere Konflikte entstehen können", sagt Filip Roolfing, Co-Geschäftsleiter.
Ein Problem ist laut Roolfing die Finanzierung von Schutzkonzepten. "Viele Betreiber würden gerne ein Awareness-Team engagieren, oft können sie das aber nicht bezahlen", sagt er. Die Workshops des Vereins, gefördert durch das Bremer Wirtschaftsressort, seien in diesem Fall eine Art erste Hilfe zur Selbsthilfe.
Finanzierung der Awareness-Teams läuft aus
Die Awareness-Teams von L'Unità Security werden durch ein Projekt des Bundesfamilienministeriums finanziert. Die Förderung läuft laut der Sicherheitsfirma aber Ende dieses Jahres aus. "Es wäre fatal, wenn Betroffene bei uns anrufen und dann ist keiner mehr da", sagt von Glan. "Wir hoffen, dass die Stadt unsere Finanzierung übernimmt."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. August 2024, 19:30 Uhr