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Viele Bremer Bauprojekte stehen still: "Markt ist seit 2 Jahren tot"
In Bremen stehen einige Bauprojekte still oder werden gar nicht erst angegangen. Die Stadt reagiert mit einer Gesetzesänderung, die geht vielen aber nicht weit genug.
Die Baukrise zieht auch an Bremen nicht spurlos vorbei. Auch hier in der Stadt stehen Bauprojekte still oder werden gar nicht erst begonnen. "Im Bereich Wohnungsbau ist der Markt seit etwa zwei Jahren mehr oder weniger tot", sagt Phillip Romeiser. Er ist Geschäftsführer beim Bremer Bauträger und Projektentwickler "M-Projekt". Das Unternehmen mit Sitz in Bremen-Nord kauft, bebaut und verkauft seit 2008 Grundstücke in ganz Bremen.
"Es ist nicht so, dass sich in ganz Bremen kein Baukran mehr dreht, aber wo noch gebaut wird, sind das Entwicklungen, die schon vor über zwei Jahren angeschoben wurden", sagt er. Warum das so ist und was die Stadt dagegen unternimmt, erklären Bremer Experten aus der Baubranche.
Wieso kommt es zu Baustopps und Verzögerungen?
Das liegt unter anderem an den gestiegenen Kosten, sind sich die Experten einig. "Die Rahmenbedingungen, die aktuell eine Rolle spielen, sind die Preise fürs Bauen. Da wirken sich die Energiepreise stark aus, aber auch die veränderte Zinspolitik der Finanzierungsinstitute", sagt Bremens Senatsbaudirektorin Iris Reuther. Geschäftsführer Romeiser macht Verzögerungen bei Lieferketten durch Corona und den Ukraine-Krieg für die gestiegenen Preise verantwortlich. Er beklagt allerdings auch das Wegfallen von Zuschüssen. "Für ein Reihenhaus haben Sie früher 37.000 Euro Zuschuss bekommen", sagt er, "vor drei Jahren lag der Zins außerdem noch bei einem Prozent, mittlerweile liegt er bei vier Prozent. Das schreckt viele ab."
Der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oğuzhan Yazici, sieht zusätzlich langwierige Bauanträge als Problem an: "Zwischen Bauantrag und Baugenehmigung vergehen manchmal Jahre, in der Zeit explodieren die Kosten", sagt er. Auch Romeiser hält die vielen Vorschriften für problematisch:
Wir haben mittlerweile über 30.000 Normen, die man beim Bau beachten muss.
Phillip Romeiser, Geschäftsführer eines Bremer Bauträgers
Wie stark trifft die Baukrise Bremen?
In Bremen hat die Anzahl der genehmigten Wohneinheiten seit 2021 kontinuierlich abgenommen. Waren es damals noch 2.080 genehmigte Wohnungen, sank die Zahl bis 2023 auf 1.090 – das ist der geringste Wert seit zehn Jahren. Im Bereich der fertiggestellten Wohnungen ist die Situation etwas besser: 2021 wurden 1.604 Einheiten abgeschlossen, 2022 waren es sogar 1.667, 2023 allerdings nur noch 1.407.
Ein prominentes Beispiel für verzögerte Bauprojekte steht auf dem ehemaligen Gelände der Deutschen Bundesbank im Bremer Viertel. Eigentlich sollte hier ein Hochhaus mit 179 Wohneinheiten entstehen, doch seit etwa einem Jahr bewegt sich hier nichts mehr.
Ein weiteres Beispiel ist das ehemalige Gebäude der Basler Versicherungen am Wall: Es steht nun schon einige Jahre leer, aufgrund der aktuellen Situation schreckt der Eigentümer aber derzeit vor einer Entwicklung des Gebäudes zurück. Auch der Bauträger "M-Projekt" aus Bremen-Nord hat einige Projekte pausieren müssen. "Wir hatten beispielsweise in Blumenthal den Neubau von 30 Seniorenwohnungen geplant. Das haben wir gestoppt, weil es sich finanziell nicht darstellen ließ", sagt Romeiser.
Diese Bauprojekte in Bremen stehen still:
Info: Diese Karte zeigt eine Auswahl an Bauprojekten in Bremen an, die auf Eis liegen. Mehr Infos sehen Sie, wenn Sie auf die kleinen Warndreiecke tippen beziehungsweise klicken.
Wie sieht es bei Neubauten von Schulen und Co. aus, trifft die Baukrise auch den städtischen Wohnungsbau?
Nein, eher weniger. "Der öffentliche Bereich ist nicht so von der Krise betroffen. Schulen und Kindergärten müssen eben saniert und gebaut werden", sagt Romeiser. Beim städtischen Wohnungsbau geht es laut der Sprecherin der Gewoba tatsächlich voran: "Die acht Projekte der Gewoba mit ihren insgesamt 533 Wohneinheiten laufen alle planmäßig", sagt sie.
Was wird gegen die Baukrise unternommen?
Der Senat versucht, das Problem durch eine Novellierung der Landesbauordnung anzugehen und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Bau-Turbo" für Bremen. "Wir haben die Gelegenheit genutzt, die Rahmenbedingungen für den Bau zu ändern. Es geht um den Umbau, aber auch um den Neubau", sagt Senatsbaudirektorin Reuther.
So soll der neue Gebäudetyp-E erlauben, von bestimmten Bauvorschriften abzuweichen, wenn die Baubehörde zustimmt. "In den 1970er Jahren hatten wir beispielsweise andere Anforderungen an Brandschutz. Das führt dazu, dass Sie bei einem Umbau häufig Stützen und Decken verkleiden müssten. Von diesen Vorgaben könnte man nun gegebenenfalls abweichen", sagt Romeiser.
Laut CDU-Experten Yazici sind Abweichungen von Vorgaben beim Gebäudetyp-E für private Bauherren allerdings ein Risiko: "Bis man aber künftig rechtssicher auf gewisse Standards verzichten kann, wird noch Zeit vergehen. Wir brauchen eine Änderung im bürgerlichen Gesetzbuch, damit der Bauherr nicht haftet, falls es am Ende in das Haus rein regnet. Ein entsprechendes Gesetz liegt derzeit noch bei Marco Buschmann im Ministerium und dürfte frühestens im Frühjahr 2025 in Kraft treten."
Senatsbaudirektorin Reuther sieht trotz der Bedenken die Möglichkeit für schnelles Bauen.
Das ist Neuland für alle, das Risiko muss man abwägen, aber wenn man jetzt schon einmal die Chance hat, sollte man sie auch nutzen.
Senatsbaudirektorin Iris Reuther
Welche Neuerungen soll die neue Bauordnung außerdem bringen?
Dazu zählt das sogenannte serielle Bauen, das weitere Erleichterungen bringen soll. Einmal erteilte Baugenehmigungen sollen nun für mehrere baugleiche Gebäude an verschiedenen Orten gelten. "Das serielle Bauen setzt voraus, dass Sie ein Grundstück finden, auf dem das gleiche Gebäude nochmal gebaut werden kann. Im innerstädtischen Bereich, wo verdichtet werden soll, ist so etwas eher die Seltenheit und dürfte somit nur für Neubaugebiete interessant sein", sagt Reuther und hebt hervor, dass das serielle Bauen weitere Vorteile hat. "Das bedeutet auch, dass man in anderen Bundesländern angewendete Typen auch in Bremen bauen kann."
Durch die neue sogenannte Genehmigungsfiktion sollen Bauanträge außerdem schon genehmigt werden, wenn zwar alle Unterlagen vorliegen, die Baubehörde den Antrag aber nicht innerhalb der vorgesehenen Frist bearbeitet. "Das ist auch ein Instrument, schneller zu bauen und somit im Interesse von Bauenden", sagt Reuther. "Wie das konkret funktionieren soll, wissen wir noch nicht. Wie sehr es dann am Ende zu einer Beschleunigung führt, müssen wir abwarten", meint Bauträger-Geschäftsführer Romeiser.
Aus Sicht der CDU sind zusätzliche Absenkungen der Baustandards notwendig. "Gemeinsam mit den am Bau Beteiligten müssen alle Standards konsequent auf ihre Kostenwirkung hin untersucht und ein neuer Regelstandard für Bremen entwickelt werden, der klimafreundliches aber zugleich auch bezahlbares Wohnen ermöglicht", sagt Yazici.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. Juli 2024, 19:30 Uhr