Interview

Bremer Kneipen vor dem Aus: Das sind Gründe für die Krise

Weniger Kunden, mehr Steuern: Bremens Gastro in der Krise

Bild: Radio Bremen | Inès Schumann

Tau, Schröters und Arberger Hof sind dicht – Bremens Gastroszene schrumpft. Ein Gastronom erklärt, woran die Betriebe leiden – und warum er dennoch eine neue Kneipe aufmacht.

Das "Tau" in der Weserburg ist dicht, das "Schröters" im Schnoor weg, der "Arberger Hof" in Hemelingen geschlossen, das "Kvartier" im Viertel macht bald ebenfalls zu. Viele Bremer Kneipen und Restaurants werden derzeit Opfer der schwierigen Bedingungen in der Gastronomie und schließen.

Und doch gibt es Ausnahmen. Der Bremer Gastronom Oliver Trey will Ende des Jahres eine neue Gaststätte an der Sielwall-Kreuzung eröffnen.

Herr Trey, was haben Sie sich dabei gedacht, in diesen Tagen eine neue Kneipe aufzumachen?

Das ist in der Tat eine gute Frage. Ein Grund ist, dass wir den Vertrag schon vor einem Jahr unterschrieben haben. Damals war die Situation noch ein bisschen besser als jetzt. Zweitens ist es einfach ein Herzensprojekt. Da hatte ich immer schon Lust drauf. Und drittens haben wir ja auch ein, zwei andere Standbeine. Nichtsdestotrotz, wenn ich heute nochmal entscheiden müsste, würde ich deutlich länger überlegen – es aber am Ende wohl trotzdem machen.

Kann man von einem Kneipensterben in Bremen sprechen?

Ja, ein Kneipensterben gibt es sogar schon länger. Es hat nur zunächst eher in den Randgebieten angefangen, wo das nicht jeder sofort mitkriegt. In Sebaldsbrück, in Gröpelingen oder Vegesack. Dass es jetzt die ersten Namhafteren trifft, ist eigentlich nur eine Fortsetzung. Es ist schade für jeden Betrieb, weil da immer auch eine Existenz dranhängt. Es war aber vorhersehbar, dass es jetzt mehr und mehr werden. Es werden definitiv auch im nächsten Jahr noch einige dazukommen.

Bauzaun an einer ehemaligen Kneipe im Bremer Viertel
Das ehemalige "M:One" an der Sielwall-Kreuzung steht nach einem Brand im Juli 2022 leer. Trey will dort Ende 2024 eine neue Kneipe eröffnen. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Was sind die Gründe?

Es kommt einiges zusammen. Eigentlich sind wir seit fünf Jahren im Dauerkrisenmodus. Das heißt, da ist für viele der Spaßfaktor weg. Die sagen jetzt: Weißt du was? Ich hatte jetzt fünf Jahre lang Dauerstress. Ich will nicht mehr. Ich will einen normalen Job.

Kommen denn neue Gastronomen nach?

Normalerweise haben wir immer einen Generationswechsel. Wenn ein Gastronom 56, 60 Jahre alt ist, hat er vielleicht keine Lust mehr, kriegt es körperlich nicht mehr hin. Früher gab es dann Nachfolger, zum Beispiel für eine Traditionsgaststätte wie den Arberger Hof. Jetzt werden solche Locations immer häufiger umgebaut zu Wohnungen oder Geschäften. Es sind weniger Menschen bereit, das Risiko Gastronomie zur Selbstverwirklichung auf sich zu nehmen.

Liegt das an finanziellen Gründen?

Ja. Zum Beispiel gibt es gerade große Probleme mit den Corona-Rückzahlungen, also der Abrechnung der Corona-Hilfen. Da haben sich die Bedingungen immer wieder verändert. Wo jetzt viele dran gescheitert sind, ist der Umstand, dass in jeder Abrechnung das Leistungsdatum genommen wird. Bei den Corona-Abrechnungen ist es aber das Rechnungsdatum. Das heißt, wenn ich mit der Überbrückungshilfe III noch zehn Raumlüfter gekauft habe und die Rechnung aber erst später kam, also nach dem Ende des Förderzeitraums, dann kriege ich diese Dinger nicht mehr finanziert – habe sie aber verbucht und muss das Geld jetzt zurückzahlen.

Nicht jeder ist dann bereit, diese Rückzahlung zu machen und noch weiter zu investieren, um dann eventuell in drei, vier, fünf Jahren auf eine Erholung zu hoffen.

Sind auch Dinge besser geworden seit der Pandemie?

Ja. Das Personal war vielen Betrieben ja praktisch weggelaufen. Seit der Zeit damals hat sich das ein bisschen erholt. Das sehe ich auch jetzt, wo ich für den neuen Laden im Viertel Leute suche. Ich glaube aber, das Personal hat inzwischen mehr Möglichkeiten, sich auszusuchen, was sie wirklich wollen. Und dann ist wahrscheinlich ein Laden im Szeneviertel spannender als die Eckkneipe im Vorort von Bremen.

Mehrere Personen sitzen an einer Theke, dahinter steht eine Frau.
Die traditionsreiche Hafenkneipe "Blinkfeuer" in Bremerhaven musste 2023 dicht machen. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Auch die Inflation ist doch deutlich gesunken.

Das ist nur bei unseren Essens- und Getränkelieferanten leider noch nicht so angekommen (er lacht.). Die Preissteigerungen waren in den vergangenen Jahren schon heftig. Wir hatten die wiederholten Mindestlohnerhöhungen, die Preise für ein Paket Butter sind von einem Euro auf zwei Euro hoch, Fleisch ist teurer geworden, und auch die Energiepreise. Wenn hinten in der Restaurantküche eine Herdplatte die ganze Zeit läuft, dann ist das energieintensiv. Und wenn die SWB-Rechnung im Monat plötzlich 2.000 statt 1.000 Euro beträgt, muss man das irgendwie wieder einspielen.

Sind Preiserhöhungen eine Lösung?

Das ist schwierig. Denn jeder, der ja auch privat solche Kostensteigerungen hat, überlegt sich zweimal, ob er noch viermal im Monat Essen geht und seinen Stammtisch behält.

Merken Sie das als Gastronom?

Ja. Es ist dieses Getränk weniger. Vielleicht auch der Nachtisch, der wegfällt. Der Durchschnittsumsatz geht eher nach unten – und das bei gestiegenen Preisen. Das sind dann halt zehn Prozent weniger Umsatz pro Tisch. Das fehlt in der Kasse.

Konnten Sie denn wenigstens die wieder von 7 auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer an Ihre Gäste weitergeben?

Neben der Mindestlohnerhöhung und so weiter kam das ja Anfang 2024 noch dazu. Ich konnte da natürlich nicht einfach hingehen und 20 Prozent auf alles draufschlagen. Viele Läden haben das jetzt über die Zeit gemacht. Manche haben das teilweise noch gar nicht weitergegeben, weil ihre Gäste gesagt haben, bis hier und nicht weiter. Und diese Minderung sorgt jetzt natürlich dafür, dass schon kleine Krisen bei geschmolzenen oder nicht mehr vorhandenen Rücklagen in der Gastronomie große Folgen haben.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. November 2024, 19:30 Uhr