Demos gegen rechts: "Es geht um die Verteidigung der Demokratie"

Auf einer Demonstration gegen die AfD ist das Plakat zu lesen: "Nie wieder Faschismus-AfD-Verbot. Jetzt Demokratie verteidigen!" Eine Uhr zeigt auf 5 nach 12.

Demos gegen Rechtsextremismus auch in Bremen und umzu

Bild: dpa | Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler

Rund um Bremen wächst Widerstand gegen Rechtsextremismus. Eine Rassismus-Expertin und ein Soziologe erklären, warum sie "Demos gegen Rechts" gerade jetzt wichtig finden.

Nur wenige Jahre ist es her, da galt das Nicht-Beachten Rechtsradikaler und Rechtspopulisten als geeignete Strategie, um den Rechtsextremismus in Deutschland klein zu halten. Man verhelfe Rechten ohne Not zu großer Aufmerksamkeit, wenn man sich mit ihnen in breiter Öffentlichkeit befasse, so die These dahinter.

Doch inzwischen betrachten offensichtlich immer mehr Bürgerinnen und Bürgern diesen Ansatz im Kampf gegen rechts als veraltet. Spätestens, seit bekannt geworden ist, dass sich vor wenigen Wochen hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmen in Potsdam getroffen haben, um Pläne für die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund zu schmieden, drängt es die Menschen auf die Straße: zu Demos gegen rechts. Auch in Bremen steht eine solche Demo am Sonntag an: ab 12:05 Uhr auf dem Domshof.

Doch sind Demonstrationen tatsächlich ein geeignetes Mittel im Umgang mit Rechtsextremen? Wem nützen sie? Darüber hat buten un binnen mit der Sozialpädagogin und Rassismus-Forscherin Fatoş Atali-Timmer von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg gesprochen sowie mit dem Bremer Soziologen und Kommunikationsexperten Nils Kumkar, Autor des Buchs "Alternative Fakten".

Demos gegen rechts rund um Bremen

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"Demo bedeutet Solidarität"

Atali-Timmer und Kumkar sind sich einig darin, dass die Demos gegen rechts wichtig für die Demokratie in Deutschland sind. "Für die Betroffenen, die als Feindbild deklariert werden, bedeutet die Demo Solidarität", erklärt Atali-Timmer. Schweigen dagegen bedeute Zustimmung oder Gleichgültigkeit. So gesehen handele es sich auch bei der Bremer Demo gegen rechts um ein "Widerstandsinstrument". Die Demo sei sehr wichtig, um Rechtsradikalen zu zeigen, dass man nicht mit ihrer Ideologie einverstanden ist.

Mit Blick auf die Frage, was Demonstrationen gegen rechts bewirken können, legt der Soziologe Nils Kumkar Wert auf die Feststellung, dass "nicht alles immer taktisch oder strategisch durchdacht sein muss, um sinnvoll zu sein." Demonstrationen – wie die anstehenden gegen rechts – könnten den Menschen dabei helfen, sich selbst zu vergewissern, dass sie etwas tun müssen, auch wenn sie noch nicht genau wissen, was.

"Das ist für sich betrachtet schon einmal ein gutes Zeichen", findet Kumkar. Denn es zeuge von einer Haltung, die als solche einen großen Wert darstelle und als Grundlage für weitere Schritte dienen könne. In diesem Sinne bezeichnet Atali-Timmer die Demo als "Plattform für eine kollektive Meinungsäußerung". 

"Das Unsagbare ist sagbar geworden"

Porträt von Dr.in  phil. Fatoş Atali-Timmer
Die Pädagogin Fatoş Atali-Timmer beobachtet schon lange eine "toxische Stimmung in unserer Gesellschaft". Bild: privat

Einig sind sich Atali-Timmer und Kumkar auch darin, dass sich das Argument überholt habe, nachdem man der AfD und der gesamten rechten Szene zu viel Aufmerksamkeit schenkt, wenn man gegen sie demonstriert. "Die Aufmerksamkeit für die AfD ist eh schon groß, man kann sie gerade nicht ignorieren", sagt Kumkar.

Im Gegenteil: Wegen der vielen anstehenden Landtagswahlen gucke die Öffentlichkeit seit Monaten auf die Umfragewerte der AfD wie das Kaninchen auf die Schlange. "Jetzt ist die entscheidende Frage, wie die AfD thematisiert wird und nicht, ob sie thematisiert wird." Vor diesem Hintergrund sei es noch das Beste, wenn die Partei, wie es gerade geschieht, als Problem thematisiert wird.

Aus Atali-Timmers Sicht hat die Politik die Augen zu lange vor dem Problem des Rechtsextremismus verschlossen. "Jetzt ist es schon fast zu spät für eine Zukunft in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft", sagt sie. "Das Unsagbare ist schon längst sagbar geworden." Rassismus und teilweise rechtsextreme Einstellungen seien inzwischen etwas Normales in unserer Gesellschaft. Um die Demokratie zu verteidigen, sei die Demonstration der beste Weg, wenn es auch nicht allein bei einzelnen Demos bleiben dürfe. Die Menschen müssten viel öfter und häufiger demonstrieren, "den öffentlichen Raum für den Widerstand vereinnahmen", sagt Atali-Timmers.

Sollte man die AfD verbieten?

Porträt von Nils Kumkar
Sieht in den Demos gegen Rechts einen Wert an sich: der Bremer Soziologe Nils Kumkar. Bild: Falk Weiss

Für Atali-Timmer steht fest, dass ein Verbot der AfD "dringend notwendig" ist. "Die Partei profitiert von unserer Demokratie, instrumentalisiert sie für die Abschaffung dieser", argumentiert die Sozialpädagogin. Allerdings müsse das Parteiverbot juristisch gut abgesichert werden und gesamtgesellschaftlich mit einer Reihe weiterer Maßnahmen einhergehen. Auch sei klar, dass sich mit dem Verbot rechtsextreme Einstellungen in unserer Gesellschaft nicht abschaffen ließen.

Soziologe Nils Kumkar räumt ein, dass er sich nicht restlos sicher sei, ob ein Verbot der AfD der richtige Schritt wäre. Allerdings finde er die meisten Argumente gegen ein Verbot nicht überzeugend. Für ein Verbot der AfD spreche, dass man den Rechtextremisten der Partei damit die Organisationsstruktur zerstöre. "Man muss sich klarmachen, dass Akteure in der AfD, die die AfD mitbegründet haben, mit der Gründung von vornherein auch das Ziel verbunden hatten, ihre rechtsextreme Politik auf eine solidere finanzielle und organisatorische Basis zu stellen."

Er verweist auf das Stiftungsrecht, auf die von der AfD gegründeten Desiderius-Erasmus-Stiftung und auf die Diäten und Mittel der Parlamentarier, um Verbände aufzubauen und Gleichgesinnten zu Jobs zu verhelfen. So gesehen wäre ein Verbot der Partei zwar längst "keine Erlösung vom Rechtsextremismus". "Aber es wäre ein erster Schritt", glaubt Kumkar.

Diese beiden Bremer organisieren eine Demo gegen rechts

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau, 19. Januar 2024, 16:00 Uhr