Veranstalter geben Bremerhaven auf: Wird die Stadt zur Kultur-Provinz?
Die Bremerhavener Stadthalle ist marode. Einen Neubau lehnt die Politik ab, sie will sanieren. Das könnte aber schwere kulturelle Folgen haben: Jetzt sprechen die Veranstalter.
Die Ärzte, die Toten Hosen, "Wetten, dass..." mit Thomas Gottschalk: Man muss schon etwas weiter zurückschauen, um große Namen zu finden. Doch es gab Zeiten, in denen die Stadthalle Bremerhaven im Konzert der Großen in Norddeutschland mitspielte. Das Programm heute ist etwas bodenständiger. Viele Cover-Bands, viele Veranstaltungen mit Lokalkolorit und als größte Namen die No Angels oder die Comedians Torsten Sträter und Sascha Grammel.
50 Jahre alte Halle: marode und schadstoffbelastet
Dass die wirklich großen Acts fehlen, liegt auch am Zustand der Stadthalle. Sie ist marode, teils schadstoffbelastet und entspricht offenbar nicht modernen Standards. 1974 wurde die Halle gebaut. Seitdem sind die Anforderungen der Veranstalter massiv gewachsen, vor allem an die Bühnentechnik.
Ob diese Ansprüche in Zukunft erfüllt werden können, ist aber die Frage. Die Koalition aus SPD, CDU und FDP will die Halle für bis zu 40 Millionen Euro sanieren lassen – aus Kostengründen, denn ein Neubau wäre teurer, es kursieren Zahlen um die 55 Millionen Euro. Allerdings verwies die Koalition auch auf seit Corona gesunkene Besucherzahlen. Viel Gegenwind aus der Opposition half nichts, es blieb bis heute bei der Entscheidung.
Veranstalter sehen für die Zukunft schwarz
Doch wie sehen das die, die die Stadthalle bespielen sollen? Oliver Mücke arbeitet bei Koopmann Concerts in Bremen, einem der größten Veranstalter im Nordwesten. Im Gespräch mit buten un binnen wird er schnell deutlich, etwa auf die Frage, ob eine Sanierung sinnvoll wäre.
"Das halte ich für eine extrem schlechte Idee, weil Bremerhaven wird sich damit seiner Zukunft auf der Veranstaltungs-Landkarte berauben und einfach nicht mehr stattfinden", sagt er. "Wir haben mittlerweile mit Bremerhaven abgeschlossen, unseren Kollegen geht es nicht anders."
Wir werden noch eine Show machen im nächsten Jahr. Und dann war es das.
Oliver Mücke, Koopmann Concerts
Mücke war beim Prozess der Entscheidungsfindung sogar dabei: "Wir hatten an diesen Entwicklungsgesprächen teilgenommen, um herauszufiltern: Neubau oder Sanierung? Und das ging relativ schnell in Richtung Neubau." Mit einer quasi neuen alten Halle würde es nicht gehen.
Heute seien da "ganz andere Anforderungen, denen muss man einfach auch gerecht werden", sagt Mücke. Doch das passiere in Bremerhaven einfach nicht mehr. "Man möchte am besten mit dem weitermachen, was man mal irgendwann vor 50 Jahren gebaut hat. Wenn man saniert, dann wird alles wieder ganz toll. Und das ist einfach ein Irrglaube."
Auch lokale Veranstalter sehen Probleme
Mit seiner Sorge steht Oliver Mücke nicht allein da. Auch lokale Veranstalter sehen Probleme. Zum Beispiel für den Tanzsport. Die TSG Bremerhaven ist ein Verein mit vielen Welterfolgen. Immer wieder hat die Tanzsportgemeinschaft Veranstaltungen auf Bundesebene ausgerichtet. Doch "für nationale oder gar internationale Mannschaftswettbewerbe reicht eine sanierte Halle nicht mehr aus", sagt Marcel Scherb von der TSG.
Er befürchtet auch, dass eine Sanierung im laufenden Betrieb nicht funktionieren würde. Für Alexander Hoßfeld vom Rollkunstverein ERC Bremerhaven ist vor allem die Planungsunsicherheit ein Problem: "Es gibt keine Sicherheit darüber, wie es im nächsten Jahr weitergeht."
Wir sind genauso betroffen wie professionelle Veranstalter. Die gehen dann woanders hin. Das können wir natürlich nicht.
Alexander Hoßfeld, ERC Bremerhaven
Stillstand bis mindestens 2030?
Einfach woanders hingehen? So emotionslos ist es für Oliver Mücke von Koopmann Concerts nicht, er findet "sehr schade" und "entsetzlich", was mit der Stadthalle geschieht. "Was haben wir alles in Bremerhaven schon gemacht", blickt er zurück.
Nach vorne sieht er Stillstand bis 2030 – so lang sei bei großen Konzerten der Planungshorizont und Bremerhaven sei nun eben erst einmal raus. Und mit einer sanierten Halle mit vielen alten Standards wohl auch über 2030 hinaus. Wäre es nach Mücke gegangen, hätte die Stadt anders vorgehen müssen.
Man muss auch darüber nachdenken, welche Einzelkünstler, welche Bands man dahinziehen kann, um das Ganze attraktiv zu machen. Das sollte der erste Schritt sein.
Oliver Mücke, Koopmann Concerts
In Bremerhaven sei es umgekehrt: "Man baut da irgendetwas Schönes hin, denkt, dass das jetzt total super ist. Und warum kommen die internationalen Rockstars jetzt plötzlich nicht? Das ist leider in vielen anderen Städten auch so", sagt Mücke "Man baut sich eine schöne Halle, lässt aber die Leute, die diese Halle bespielen sollen, gar nicht zu Wort kommen."
Am Ende sei es aber nicht seine Aufgabe, die Politik zu schütteln und ihnen zu sagen: "Leute, jetzt mach doch mal was. Ihr habt ein Ziel vor Augen. Aber der Weg dahin ist eine Gerade und kein Kreis."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 20. November 2024, 9:04 Uhr.