"Doppeltes Lottchen": Zu Besuch bei Bremerhavens neuem Weihnachtsstück
Das Weihnachtsmärchen hat in Bremerhaven große Tradition, kam zuletzt jedoch weniger gut an. Warum es diesmal üppig wird und "Das doppelte Lottchen" nur in Retro funktioniert.
Der spannendste Moment eines Theaterstücks für Schauspielerinnen und Schauspieler? Sicher die Minuten vor der Premiere. Aber es gibt einen anderen ganz besonderen Augenblick, ganz ohne Publikum: Die allererste Probe einer neuen Produktion, das "Beschnuppern" der Beteiligten. Am Jungen Theater Bremerhaven hat dieser Moment nun stattgefunden – für das Weihnachtsmärchen, das Familienstück "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner. Ein seltener Blick hinter die Kulissen, rund fünf Wochen vor dem Start.
Auf dem langen Tisch im Foyer des Jungen Theaters liegen Textbücher und seitenweise Terminpläne. Ein Team aus Darstellenden, Dramaturgie und Regieassistenz beugt sich über die Blätter. Am Kopfende sitzt Regisseur Jens Kerbel. Er nimmt einen Schluck Kaffee und setzt an, die Gruppe auf den Stoff einzustimmen: "Es ist ja so, dass Kästner einer der verbotenen Schriftsteller war im Nationalsozialismus ..."
Beteiligte "beschnuppern" sich zu Probenbeginn
In etwa fünf Wochen soll "Das doppelte Lottchen" im Großen Haus des Stadttheaters aufgeführt werden. Die meisten Ensemble-Mitglieder treffen beim Auftakt der Proben zum ersten Mal auf das Regieteam. Es besteht aus Regisseur Jens Kerbel sowie dem Kostüm- und Bühnenbildner, der einfach nur Toto genannt werden möchte. "Wenn ein Regieteam neu dazukommt, ist das immer besonders spannend", sagt Schauspielerin Marsha Zimmermann. "Wie gehen wir miteinander um, wie viele Fragen darf ich stellen und wie deckt es sich mit den eigenen Vorstellungen?"
"Das doppelte Lottchen" ist eine Verwechslungskomödie um die beiden Schwestern Luise und Lotte. Ihre Eltern leben getrennt. Bei Erich Kästner finden sie am Ende wieder zu einer Bilderbuch-Familie zusammen. In der Bremerhavener Inszenierung wird das Ende offener, erzählt Dramaturin Bianca Sue Henne.
Wenn wir in den Zuschauerraum gucken, haben wir da so viele Kinder, die in Trennungsfamilien leben, für die das nicht die richtige Lösung sein kann. Wir wollten nicht erzählen: Wenn die Kinder genug Intrigen spinnen, kommen die Eltern wieder zusammen. Die Variante, die Jens Kerbel gefunden hat, lässt verschiedene Möglichkeiten offen.
Bianca Sue Henne, Dramaturgin
Schauspieler tauchen in andere Welt ein
Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben sich in ihre Rollen eingearbeitet und Phantasie entwickelt. Isabel Zeumer spielt unter anderem die Haushälterin Resi und hat bereits ein Bild von ihrer Figur. "Ja, ich hätte gern, dass die Resi dick ist", sagt sie. "Die muss wahnsinnig dick sein, die Wienerin – das habe ich mir beim Lesen so gedacht."
Ob Zeumer mit der Kostümabteilung auf einen Nenner kommt, wird sich zeigen. Nach dem ersten Treffen im Foyer des Jungen Theaters ist dies auch die nächste Station für die Schauspielerinnen von Lotte und Luise. Auf einer Kleiderstange hängen bunte Blusen, Petticoats und Blümchenkleider. Lotte-Darstellerin Coco Plümer streicht über die Kleider. "Es ist für uns so, dass wir ein bisschen in eine andere Welt eintauchen", beschreibt sie die Kostümierung. Die Kleidungsstücke seien alles Originale, das merke man auch am Stoff.
Authentische Kostüme vom Flohmarkt
So eine Zwillingsverwechslung würde in Zeiten von Smartphones ziemlich schnell auffliegen. Um diesen Umstand zu umgehen, spielt die Bremerhavener Inszenierung in den 1950er Jahren. Kostümbildner Toto hat deshalb viel auf Flohmärkten und in Vintage-Läden gestöbert.
Die besondere Petticoat-Gaze hat einen kleinen Stand, gleichzeitig ist sie weich und schmeichelt, damit sie die neuen Feinstrümpfe nicht kaputt macht. Was heute Wegschmeißartikel sind, war früher Goldstaub. Feinstrümpfe, eine Herrlichkeit der amerikanischen Besatzungsmacht, wo es dann ein bisschen billiger ging.
Toto, Kostümbildner
Zum ersten Mal schlüpfen die Darstellerinnen der Schwestern in ihre Kostüme: Freche Lederhose für Luise, etwas bravere Bluse mit Kleid für Lotte. "Ich liebe erste Anproben", sagt Coco Plümer. "Das ist immer spaßig und gibt einem viel für die Rolle – das Kostüm hilft total." Theater-Zwilling Fenja Abel ergänzt: "Wie ich höre, haben wir ganz viele Kostüme – ich freue mich schon drauf das alles zu spielen."
Aufwändige Kostümierung und ein üppiges Bühnenbild: Damit ist das diesjährige Weihnachtsmärchen auch ein Gegenentwurf zum Vorweihnachtsstück im vergangenen Jahr. Die Inszenierung von "Brüderchen und Schwesterchen" war einigen Bremerhavener Familien zu modern und zu schlicht. Dem will das Stadttheater diesmal also mit Opulenz im Stile der 1950er Jahre begegnen.
Ab dem 17. November ist "Das doppelte Lottchen" als Familienstück zur Vorweihnachtszeit für Kinder ab 6 Jahren in insgesamt 33 Vorstellungen bis zum 26. Dezember im Großen Haus zu sehen. Erste Termine sind bereits ausverkauft.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 12. Oktober 2023, 10:40 Uhr