Interview
Neue Meeresschutzorganisation von Paul Watson in Delmenhorst gegründet
Die Organisation Sea Shepherd und deren Gründer Paul Watson haben sich 2022 getrennt. Jetzt hat der Meeresschützer eine neue Organisation gegründet – mit Deutschlandsitz in Delmenhorst.
Viele Menschen in Bremen und umzu widmen sich dem Schutz der Meere. Jetzt steht eine weitere Meeresschutzorganisation in den Startlöchern. In Delmenhorst wird derzeit der deutsche Ableger der Captain Paul Watson Foundation gegründet, benannt nach einem der bekanntesten Meeresschützer der Welt.
An diesem Wochenende wird das Flaggschiff der neuen Organisation, die John Paul DeJoria, zu Gast im Bremer Kohlenhafen sein. An Bord wollen die Aktivisten erklären, was Sie mit dem Schiff vorhaben. Einer von ihnen ist Tom Strerath. Warum ihn die Arbeit mit Paul Watson so am Herzen liegt und welche Rolle Sea Shepherd bei der Neugründung gespielt hat, verrät er im Interview.
Herr Strerath, Delmenhorst ist jetzt nicht als Hafenstadt bekannt. Wieso gründen Sie die Captain Paul Watson Foundation dort?
(Er lacht.) Ja, das haben wir uns auch gedacht. Delmenhorst hat vielleicht nicht den besten Ruf, es gibt auch keinen großen See und kein Meer. Aber meine Frau und ich sind vor sechs Jahren von Bremen hergezogen. Und es ist einfach der kostengünstigste Weg. So sparen wir das Geld, das uns die Leute spenden. Und geben es für wichtigere Dinge aus.
Sie haben selbst Jahre lang bei Sea Shepherd in Bremen-Vegesack mitgearbeitet. Paul Watson war einst Gründer von Sea Shepherd. Er und die Meeresschutzorganisation haben sich im vergangenen Jahr jedoch im Streit getrennt. Wie kam es dazu?
Es ist richtig, dass ich mehr als sieben Jahre bei Sea Shepherd mitgearbeitet habe. Das ist aber Geschichte. Heute repräsentiere ich die Captain Paul Watson Foundation für Deutschland. Und was da rund um Paul Watson und Sea Shepherd passiert ist, will ich hier nicht kommentieren. Was ich sagen kann, ist, dass wir uns mit der neuen Organisation auf den aktiven Schutz aller Meereslebewesen wie Wale, Delfine, Fische, Meeresschildkröten oder Robben konzentrieren. Und zwar so, wie man es von Paul Watson gewohnt ist.
"Gewohnt" heißt, so wie es Sea Shepherd auch tut?
Ich will es mal so sagen. Ich habe die alte Organisation 2017 verlassen, weil sich strukturell einiges verändert hatte. Sie war in meiner Wahrnehmung damals nicht mehr das, weswegen ich ursprünglich bei ihr mitgewirkt hatte. Es war nicht mehr die Art von Einschreiten und Protest, die ich dort ursprünglich gewohnt war.
Welche Art von Einschreiten meinen Sie?
Auf den Alltag heruntergebrochen könnte vielleicht folgendes Beispiel dienen: Wenn wir in der Bremer Obernstraße spazieren gehen und sehen, wie jemand einen Hund bepöbelt, anspuckt und tritt, dann würden wir ja auch nicht daneben stehen und zugucken. Wir würden in dem Moment versuchen, die Person daran zu hindern, das Tier zu quälen. Das ist direktes Einschreiten, so wie wir es verstehen.
Für die Meere und Ozeane gibt es sogar die UN-Weltcharta der Natur, die es Privatpersonen quasi auferlegt, in bestimmten Situationen einzuschreiten.
Wie sieht so etwas auf den Weltmeeren aus?
Paul Watsons bekanntestes Einschreiten dieser Art war damals die Auseinandersetzung mit japanischen Walfängern in der Antarktis, die dort Wale ermordet haben. Das ist auch Thema in den weltweiten Nachrichten und sogar in einer bekannten Fernsehserie gewesen.
Dann gab es die großen Kampagnen auf den Färöer-Inseln, wo er sich den dort traditionellen Treibjagden von Pilot- oder Grindwalen entgegengestellt hat, um das blutige Töten dieser Tiere zu verhindern.
Nicht zuletzt haben wir die Jagd auf Delfine, die in der japanischen Bucht von Taiji zusammengetrieben, getötet oder lebend gefangen genommen werden, dokumentiert. Dort haben wir aufgedeckt und darüber berichtet, dass ein Großteil der Delfine, die in Delfinarien sitzen oder dort vor sich hinvegetieren, aus Taiji kommt.
Mit solchen Aktionen verbinden viele Meeresschützer doch gerade Sea Shepherd. Was braucht es da eine weitere Organisation?
Ich kann nur so viel sagen. Als ich 2015 mit dem Schiff "Sam Simon" auf den Färöer-Inseln war, war das die letzte seegestützte Kampagne dieser Art der anderen Organisation. Seitdem waren die Schiffe nicht mehr dort. Wir haben damals knapp 200 Pilotwalen das Leben gerettet – wofür ich vor Ort auch im Gefängnis gelandet bin.
Wie lange saßen sie damals im Gefängnis?
Zum Glück nur einen Tag. Sie haben mir aber den Reisepass weggenommen. Danach durfte ich die Insel nicht verlassen. Ich sollte meine Verhandlung abwarten. Das zog sich aber hin. Denn es gab keine Beweise für meine Schuld. Unser Kameramann im Schlauchboot hatte schlicht vergessen, frische Akkus vom Schiff mitzunehmen. So gab es keine Bilder von der Aktion.
Würden Sie mit der neuen Organisation jederzeit wieder in See stechen?
Ja, jederzeit. Sollte es im kommenden Jahr wieder in Richtung Färöer-Inseln oder nach Island gehen, werde ich auf jeden Fall Zeit freischaufeln, damit ich in Aktion treten kann.
Das Gute ist, es gibt eine schlanke Struktur, keine langen Diskussionsrunden. Paul Watson hat das Kommando und beschreibt die Vorgehensweise. Wenn jemand mitmachen will, macht er mit, wenn nicht, dann nicht.
Was macht diesen Mann aus, dass Sie ihm folgen?
In der Paul Watson Foundation ist er derjenige, der den Spirit vorgibt. Er hat ein extrem großes Wissen über das, was er tut. Das gilt für die rechtliche Seite, für die ökologische Seite, er ist auch Seefahrer durch und durch. Er weiß, was man auf den Weltmeeren tun darf und was nicht. Er kennt die Grauzonen. Und er hat eine klare Vorstellung von dem, was er machen will. Er sagt, wenn er sehe, dass etwas passiert, was nicht passieren darf, dann schreite er da ein. Und alle, die mit ihm unterwegs sind, wissen das. Deshalb sind sie ja dabei. Für mich ist er eine große Inspiration.
Paul Watson kennt die Grauzonen.
Tom Strerath, Mitgründer der Captain Paul Watson Foundation Deutschland
Ich persönlich möchte Leben retten, andere Leute zum Nachdenken bewegen und vielleicht durch eine große Empörung, die durch so etwas ausgelöst wird, Menschen dazu zu bringen, über eine neue Gesetzgebung nachzudenken.
Das neue Flaggschiff der Captain Paul Watson Foundation, die John Paul DeJoria, kommt an diesem Wochenende nach Bremen. Waren Sie schon auf dem Schiff?
Nein, leider noch nicht. Ich bin aber sehr aufgeregt, weil es auch viel größer und länger ist als das, was ich aus der anderen Organisation kenne.
Was zeichnet ein Schiff aus, das für die Rettung von Meerestieren überall auf der Welt geeignet ist?
Wichtig ist, dass es für viele Aufgabengebiete wie zum Beispiel die Antarktis geeignet ist. Unsere großen Schiffe sollten daher eine Eisklasse haben. Sie müssen auch schnell genug sein, um mit anderen Schiffen mithalten zu können. Wichtig ist auch, dass wir eine große Reichweite haben, also selten tanken müssen. Auch ohne Kräne geht es nicht, um zum Beispiel Schlauchboote zu Wasser zu lassen und wieder an Bord heben zu können. Um Netze oder Langleinen aus dem Meer zu fischen, sind auch Winden an Bord eine große Hilfe.
Am besten sind daher Schiffe geeignet, die selbst mal für die Ausbeutung der Meere gebaut worden sind. Solche alten Schiffe nehmen wir gerne, um sie dann auch mal für etwas Gutes einzusetzen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. November 2023, 19:30 Uhr