Fragen & Antworten

Wie Bremens Justiz die Vermögen Krimineller beschlagnahmen will

Zollbeamte stellen bei einer Razzia in einer Villa am Tegernsee Vermögenswerte sicher, die im Zusammenhang mit einem russischen Oligarchen stehen sollen. (Archivbild)
Ein Auto, das mit Drogengeld bezahlt wurde? Der Zoll beschlagnahmt einen Mercedes. Bild: dpa | Christoph Reichwein

Ein Auto aus Drogengeld? Hohe Sachwerte durch Sozialbetrug? So etwas zu beschlagnahmen, ist oft kaum möglich. Bremer Staatsanwälte und Senatorin Schilling wollen das ändern.

Es ist das große Thema der Justizministerkonferenz – zumindest aus Bremer Sicht: Wenn am Mittwoch und Donnerstag die Justizminister der Länder in Hannover zusammenfinden, hoffen Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) und die Generalstaatsanwaltschaft Bremen auf das grüne Licht der Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern zu einer Novelle des Vermögensabschöpfungsrechts. Konkret wollen sie die Hürden senken, die die Polizei und die Staatsanwaltschaft derzeit noch nehmen müssen, um Vermögenswerte Krimineller zu beschlagnahmen. Das steckt dahinter:

Es gibt in Deutschland bereits ein Vermögensabschöpfungsrecht, das erst 2017 reformiert worden ist. Warum bedarf es aus Sicht der Bremer Justizsenatorin weiterer Änderungen?

Es gibt einige Lücken und Schwachstellen im Vermögensabschöpfungsrecht. Schilling beschreibt den Sinn der Reform, die sie anstrebt, mit diesen Worten: "Wer auf kriminellem Wege, zum Beispiel durch Drogenhandel, Raub oder Diebstahl an große Geldbeträge, Immobilien oder Luxusgüter kommt, dem müssen wir diese Werte wegnehmen.

Es kann nicht sein, dass Täterinnen und Täter zwar verurteilt werden, wir an ihr Vermögen aber nur zum Teil herankommen und sie nach einer verbüßten Strafe weiter in Saus und Braus leben.

Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD)

Bei der Justizministerkonferenz wird eine von Schilling initiierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung der Generalstaatsanwaltschaft Bremen den Justizministern Vorschläge dazu unterbreiten, wie sich das Vermögensabschöpfungsrecht schärfen ließe, um Kriminellen ihre Beute wieder zu entziehen.

Eine Frau sitzt in einem Büro.
Hat Geldwäschern den Kampf angesagt: Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling. Bild: Radio Bremen

Weshalb ist es derzeit so kompliziert für den Staat, das Vermögen Krimineller zu beschlagnahmen?

Bremens Generalstaatsanwältin Wiebke Reitemeier erklärt es anhand eines Beispiels aus der Clan-Kriminalität: "Jemand handelt in großem Umfang mit Drogen, erwirtschaftet Bargeld und erwirbt ein teures Auto. In einem solchen Fall würde wohl jeder meinen, Polizei und Staatsanwaltschaft könnten das Auto beschlagnahmen und gerichtlich einziehen lassen." Doch das sei nicht so.

Polizei und Staatsanwaltschaft benötigten zunächst einen Gerichtsbeschluss über den Geldbetrag, der aus den früheren Drogengeschäften stammt. Doch diesen Betrag so genau zu beziffern, dass das Gericht den Beschluss zur Beschlagnahmung tatsächlich erlässt, sei schwierig. "Weil man gerade am Anfang der Ermittlungen gar nicht weiß, wie viele Straftaten wann begangen wurden", so Reitemeier.

Noch schwieriger werde es, wenn der Täter das mit Drogengeld gekaufte Auto in Zahlung gibt und sich ein noch teureres Auto kauft. Dieses zweite Auto lasse sich unter Umständen gar nicht einziehen. "Nach geltender Rechtslage darf immer nur der unmittelbar aus einer Straftat erlangte Gegenstand oder der erste Ersatzgegenstand eingezogen werden – nicht aber jeder weitere Folgegegenstand", erklärt Reitemeier. Die Folge: Tätern blieben die Gewinne aus den Verkäufen ihres kriminell erlangten Besitzes erhalten.

Was sollte sich aus Sicht der Bremer Generalstaatsanwaltschaft außerdem an der aktuellen Rechtslage ändern?

Nach Auffassung Reitemeiers und der Bund-Länder-Arbeitsgruppe müssen derzeit zu viele Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Gericht das Beschlagnahmen von Vermögenswerten überhaupt beschließen darf. Entsprechend verlangten viele Gerichte hierzu von der Staatsanwaltschaft den Nachweis, dass ein Täter Vermögenswerte verschleiert oder beiseite schafft. Geht es nach Reitemeier, sollte für den entsprechenden Gerichtsbeschluss hingegen bereits der Verdacht dafür ausreichen, dass jemand eine Straftat begangen und dadurch einen Vermögensvorteil erlangt hat.

Auch hierfür nennt Reitemeier ein Beispiel: "Jemand bezieht als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Bürgergeld und verschweigt gegenüber den Behörden, dass er schwarz arbeitet. Über einen längeren Zeitraum erhält er auf diese Weise zu Unrecht einen Betrag von 50.000 Euro an Sozialleistungen ausgezahlt."

Aus Sicht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe müsste dieser Sachverhalt ausreichen, um noch vorhandene Vermögenswerte bei dem Täter sichern zu dürfen. Das aber sähen die Gerichte derzeit mitunter anders, sagt Reitemeier.

Es wird gefordert, dass die Täter auch nach Aufdecken des Betruges weitere Anstrengungen unternimmt, um seine Vermögensverhältnisse zu verschleiern.

Bremens Generalstaatsanwältin Wiebke Reitemeier

Was ist mit den Opfern von Straftaten? Oft werden sie kaum entschädigt. Möchte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe auch daran etwas ändern?

Ja, sagt Reitemeier – und beschreibt die Idee der Arbeitsgruppe anhand eines dritten Beispiels: "Jemand betrügt drei Opfer um jeweils 10.000 Euro, erlangt also 30.000 Euro. Vorläufig gesichert werden bei ihm noch 6.000 Euro, im Übrigen gibt es keinerlei finanzielle Mittel. In einem solchen Fall würde die Justiz gerne die aufgefundenen 6.000 Euro zu gleichen Teilen an die Opfer herausgeben – jeder bekommt 2.000 Euro."

So einfach aber gehe es derzeit noch nicht. Stattdessen müsse die Staatsanwaltschaft beim Insolvenzgericht einen Insolvenzantrag stellen. Das Gericht müsse daraufhin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens prüfen. Werde das Verfahren eröffnet, diene der größte Teil der 6.000 Euro der Bezahlung des vom Gericht zu bestellenden Insolvenzverwalters.

Die Opfer bekommen also viel weniger, als wenn der aufgefundene Betrag einfach zur Entschädigung genutzt werden könnte

Bremens Generalstaatsanwältin Wiebke Reitemeier

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Justizministerkonferenz den Vorschlägen Schillings und Reitemeiers zur Novelle des Vermögensabschöpfungsrechts zustimmt?

Stephanie Dehne, Sprecherin des Bremer Justizressorts, geht von einer breiten Zustimmung für die Vorschläge Schillings, Reitemeiers und der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus. Sollte Dehne recht behalten, wird die Konferenz das Bundesjustizministerium letztlich dazu auffordern, die Gesetzesnovelle mithilfe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe voranzubringen und in den Bundestag einzubringen. Schließlich müsste der Bundesrat dem neuen Gesetzestext zustimmen – danach würde das Gesetz greifen. Dehne glaubt, dass dies noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr der Fall sein könne.

Koalition lässt Bündnis Deutschland bei Clan-Debatte auflaufen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Juni 2024, 19.30 Uhr