Interview
Bremer Medienpädagoge erklärt: Das können Eltern bei Cybermobbing tun
Einer Studie zufolge sind fast ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Medienpädagoge Markus Gerstmann erklärt, wie Kindern geholfen werden kann.
Immer mehr Kinder und Jugendliche werden im digitalen Raum bedroht, belästigt und bloßgestellt. Eine aktuelle Befragung zeigt: Eltern und Schulen sind häufig mit dem Phänomen überfordert. Mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche sind betroffen, wie aus der aktuellen "Cyberlife"-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse hervorgeht, die in Berlin vorgestellt wurde.
Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung der Lage: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht.
Herr Gerstmann, Cybermobbing klingt für viele abstrakt. Wie kann das zum Beispiel aussehen?
Wir sprechen auch von "mobben mit Medien", um das zu verdeutlichen. Das können Nachrichten bei Whatsapp, bei Instagram, TikTok oder hier in Bremen auch auf der Schulplattform "itslearning" sein, wo Schüler und Schülerinnen miteinander interagieren können.
Wenn Kinder dort gemobbt, also beispielsweise beleidigt oder bloßgestellt werden, welche Folgen hat das für die betroffenen Kinder und Jugendlichen?
Das ist eine wahnsinnige Ohnmachtsituation, wenn ich im Internet sehe, dass ich angegriffen werde, verarscht werde, wie wir umgangssprachlich sagen. Ich bin ohnmächtig. Ich kann ja gar nicht reagieren. Ich kann natürlich eine Mail zurückschreiben oder eine Nachricht, aber damit habe ich keine direkte Reaktion.
Die Ohnmacht ist beim Cybermobbing so besonders intensiv. In dem Moment weiß ich nicht, was ich tun kann.
Medienpädagoge Markus Gerstmann
Und dann ist es natürlich wichtig, dass da jemand da ist, der die Kinder und Jugendlichen unterstützt.
Im Idealfall sind das die Eltern. Doch bekommen die überhaupt immer alles mit, was bei den Kindern los ist?
Nein, denn da gibt es ja auch eine Schamgrenze. Es ist belegt, dass es eine Generationsgrenze gibt. Ich gehe als Kind oder Jugendlicher nicht zu Erwachsenen, um etwas zu sagen. Ich halte das aus, ich regele das mit meinen Klassenkameraden alleine.
Wir brauchen immer diese Gesprächsangebote, dass wir als Erwachsene für Kinder da sind.
Medienpädagoge Markus Gerstmann
Entscheidend ist: Wir brauchen immer diese Gesprächsangebote, dass wir als Erwachsene für Kinder da sind, dass es Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen, Fachkräfte in der Jugendarbeit gibt, die da sind und unterstützen, aber auch Eltern, die einfach mal fragen: "Wie geht es dir? Was ist los?" Vor allem dann, wenn sie merken, dass sich das Kind zurückzieht. Das passiert oft in einer Phase der Pubertät, wo man gar nicht weiß, ob es ein Problem gibt oder ob es einfach ganz normales Verhalten ist.
Wenn die Eltern wissen, dass das Kind online gemobbt wird: Was können sie dann tun?
Das Wichtigste ist eigentlich immer, dem Kind zu signalisieren: "Wir schaffen das! Ich habe vielleicht noch keine Ahnung, wie das funktioniert bei Tiktok, aber wir finden eine Lösung. Wir unterstützen dich und wir haben dich lieb." Das ist die wichtigste Botschaft, die wir den Kindern geben können, damit sie nicht alleine in dieser Situation sind und diese Ohnmachtssituation auch noch zu Hause spüren. Eine Lösung wäre also, das Kind zu stärken und dann eventuell zur Schulsozialarbeit zu gehen, um eine Lösung zu erarbeiten.
Laut Studie findet das Cybermobbing meistens im Umfeld der Schule statt. Was müssen Schulen leisten, um den Kindern angemessen zu helfen?
Wir sind hier Bremen schon wirklich gut aufgestellt. Wir haben einen Arbeitskreis Mobbing seit 15 Jahren, wo Schulsozialarbeiterinnen, Jugendarbeiterinnen und andere Fachkräfte zusammensitzen, um immer wieder Lösung zu erarbeiten.
Trotzdem müssen wir genau hingucken. Und wir müssen die Themen "digitale Veränderung" und "digitale Kommunikation" in der Schule bearbeiten und den Jugendlichen zeigen, was eine richtige Kommunikation ist, wie man es machen sollte. So können die Kinder das von uns lernen – anstatt, dass wir nur hohe Ansprüche an die Kinder stellen.
(Das Gespräch führte Malte Döbert für Bremen Vier. Aufgeschrieben und redigiert hat es Robert Otto-Moog.)
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Läuft, 23. Oktober 2024, 15:15 Uhr