Werden wegen der Russland-Sanktionen jetzt die Fischstäbchen knapp?
Überfischung und Russland-Sanktionen – vor dem Deutschen Fischereitag herrscht in der Branche Anspannung. Die Folgen davon könnten Kunden und auch Bremerhaven zu spüren bekommen.
Fisch droht immer mehr zur Luxusware zu werden. Nicht nur, weil es weltweit weniger davon gibt – etwa durch Überfischung. Sondern auch wegen der sich zuspitzende Lage bei den Russland-Sanktionen. Sollte in der EU komplett auf russischen Fisch verzichtet werden müssen, würde das den ganzen Markt verändern. In Hamburg kommen nun rund 200 Experten zum Deutschen Fischereitag zusammen. Die Abhängigkeit von Russland wird Thema sein – wenn auch nicht offiziell. Klar ist: Ohne Importe sieht es für die deutsche Fischwirtschaft düster aus.
Im Bremerhavener Fischereihafen gehen täglich zigtausende Fischstäbchen über die Produktionsbänder. Aber auch viele andere Produkte, für die Fisch tiefgefroren per Schiff oder Lkw und Container in die Stadt gebracht wird, werden hier hergestellt. Der Alaska-Seelachs ist dabei zentraler Bestandteil für die Fischstäbchen, die in Deutschland besonders bei Familien beliebt sind. Hunderte Jobs hängen im Fischereihafen an der Industrie. Felix Clüver ist Produktionsleiter bei der Deutschen See und weiß, dass mit Maschinen nicht alles geregelt werden kann.
Sie brauchen für jede Fischsorte eine Anlage, wenn sie das denn wollen. Die sind aber nicht unterschiedlich umrüstbar auf andere Produkte. Bei unserem Lachs sind Anlagen sinnvoll, weil es eine große Menge ist. Aber bei anderen Produkten müssen wir immer noch auf Handarbeit zurückgreifen, um die Tiere perfekt bearbeiten zu können.
Felix Clüver, Deutsche See in Bremerhaven
Produktion europäischer Fischindustrie gefährdet?
Laut Europäischem Fischbranchenverband stammen bisher etwa 70 Prozent des Fischs aus russischen Beständen – und ein Großteil davon entfällt auch auf Fischstäbchen. Fällt der Alaska-Seelachs komplett aus der Nutzung heraus, könnte das die Produktion in der EU lahmlegen. Womöglich würden Fischstäbchen und auch andere Fischprodukte demnächst komplett in Asien hergestellt – und importiert. Dann könnten Tausende Jobs in Deutschland wegfallen. Für die Branche das absolute Horrorszenario.
Im kommenden Herbst könnte es neue Verhandlungen zu den Sanktionen geben. Kai-Arne Schmidt ist Geschäftsführer der Cuxhavener Kutterfisch-Zentrale und verhandelt für die Branche auf EU-Ebene. Er warnt vor Panikmache.
Ich sehe nicht, dass man den russischen Alaska-Pollack mit einem Einfuhrverbot in der EU belegt. Uns ist bekannt, dass die Baltischen Staaten darauf schon länger drängen, was bis jetzt noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Nun heißt es gerüchteweise, dass Frankreich sich mit dem Gedanken anfreunden kann. Würde man das tatsächlich machen, hätte das natürlich Auswirkungen auf die Rohwaren-Versorgung und die Preise.
Kai-Arne Schmidt, Kutterfisch-Zentrale in Cuxhaven
Schmidt sieht zwar keine Fischstäbchen-Krise – weil die ja nicht nur aus Fisch, sondern zum Beispiel auch aus Panade bestehen. Aber Fisch würde insgesamt deutlich teurer werden. Manche Branchenvertreter befürchten schon eine Preis-Explosion. Und ein Monopol der USA, die dann den Preis diktieren könnte. Was sind also die Alternativen?
Die Industrie müsste stärker auf andere Fischarten umsteuern, sagt der Kutterfisch-Chef. "Dann würde man mehrere Hunderttausend Tonnen Filet nicht mehr zur Verfügung haben", so Schmidt. "Dann musst man andere Produkte suchen – Pangasius-Filet, Tilapitafilet, Seelachsfilet." Die meisten Fischarten dürften dann als Ersatzprodukte aus Aquakulturen stammen – aber auch das hätte deutliche Auswirkungen auf die Preise, schätzen Experten.
Experten raten Industrie zu neuen Wegen
Nach Ansicht des Kutterfisch-Chefs müsste das hauptsächlich über französische, englische und norwegische Fischerei laufen. Der Deutsche Anteil könne da nur gering sein. Aber komplett wäre die russische Ware auch so nicht zu kompensieren, bestätigt Gerd Kraus vom Thünen-Institut für Fischereiökologie in Bremerhaven. Er plädiert dafür, dass die Firmen sich neue Wege suchen.
Sie sind daran interessiert, Geld zu verdienen, ihren Lieferauftrag zu erfüllen. Ich vermute, dass man sich schon jetzt Gedanken macht, was man für alternative Produkte gewinnen kann. Es kann sein, dass das eine oder andere Produkte mal eine Zeit lang nicht im Supermarkt zu finden ist. Das halte ich nicht für unrealistisch.
Gerd Kraus, Thünen-Institut in Bremerhaven
Eine weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland könnte also dazu führen, dass sich die gesamte europäische Fischindustrie umstellen muss. Zu groß ist der Anteil des in der EU verarbeiteten Seelachses, der von dort stammt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 27. August 2024, 8:20 Uhr