Wie die KI "Nala" künftig Flüsse im Kreis Cuxhaven retten könnte
Vielen Flüssen geht es schlecht, etwa nach Dürren und Starkregen. Künstliche Intelligenz könnte helfen, Gewässer zu schützen. Ein Projekt im Kreis Cuxhaven arbeitet daran.
Was kann Künstliche Intelligenz? Zum Beispiel: Texte für Grußkarten erzeugen, die geschmeidiger klingen, als man sie jemals selbst hinbekommen hätte, Fakenews erzeugen und wohl auch Wahlen manipulieren. Vielen Menschen macht das Angst.
Man kann KI aber auch für nützliche Zwecke einsetzen. Eine Naturschutzorganisation aus dem nördlichen Landkreis Cuxhaven will zum Beispiel mit Hilfe der KI Flüsse retten. Ein Besuch in Neuhaus an der Oste.
Wie ein Fluss, der gerettet werden muss, sieht die Aue bei Neuhaus eigentlich nicht aus: Langsam fließt sie aus einem kleinen Wäldchen Richtung Dorf, an ihrem Ufer steht ein hübsches altes Haus. Die Luft ist neblig und das Licht trüb, das Laub leuchtet intensiv gelb. Eigentlich eine Herbstidylle – oder?
Nur auf den ersten Blick. Tatsächlich sei die Aue ein Sorgenkind der Region, sagt Elke Freimuth von der Naturschutzorganisation Wilde Natur.
Vielen Flüssen geht es total schlecht. Wenn die eine Stimme hätten, würden die schreien. Von oben guckt man und denkt, es ist eine schöne Oberfläche. Aber wenn man unters Wasser guckt, dann sind sie starken Belastungen ausgesetzt.
Elke Freimuth, Naturschutzorganisation Wilde Natur
Fischsterben wegen Dürre und Starkregen
Das zeigte sich auch im Dezember 2018, als in der Aue die Fische starben. Ursache waren starke Regenfälle nach einer langen Dürreperiode im Sommer des Jahres. Der stark gesunkene Grundwasserspiegel hatte dazu geführt, dass Stoffe im Boden mit dem Luftsauerstoff reagierten. Der Regen wusch sie später in den Fluss – darunter Aluminiumsulfat. Michael Lautermann vom Angelverein Neuhaus erinnert sich.
Das war eine wirkliche Katastrophe. Das Wasser sah aus wie in der Karibik. Strahlend blau, der Untergrund weiß, alles kam hoch und war tot. Das hat nicht sehr lange gedauert. Das waren Stunden. So schnell konnte kein Mensch mehr reagieren.
Michael Lautermann, Angelverein Neuhaus
Auch im Sommer letzten Jahres starben die Fische. Immer wieder kämpfen sie auch mit Sauerstoffmangel in dem kleinen Fluss. Der Angelverein und Elke Freimuth wollen Gewässern wie der Aue helfen – und in dem knapp 20 Kilometer langen Nebenflüsschen der Oste ein Frühwarn- und Steuerungssystem ausprobieren.
"Nala" haben sie ihre KI-Anwendung genannt: Ein Netzwerk von Sensoren im Wasser erfasst Temperatur-, Sauerstoff- und Schadstoffwerte, die Künstliche Intelligenz analysiert sie. So kann die KI erkennen, ob der Fluss gerade zu sauer, zu salzig ist oder zu wenig Sauerstoff hat – und dann Handlungsempfehlungen geben oder Antriebselemente aktivieren.
"Die Schöpfwerke werden schon digital gesteuert, da könnten wir sie andocken und dann könnte sie die steuern. Oder wir könnten Belüftungsmaschinen, die solarbetrieben sind, an den Fluss stellen, die sie bei Bedarf selbst steuern könnte", führt Freimuth weiter aus.
KI "Nala" wäre nach Lernphase große Hilfe
Bisher werden Sauerstoff- und weitere Werte einmal im Monat gemessen. Gerade taucht Walter Zehm vom Angelverein von einer kleinen Brücke beim Schöpfwerk aus eine Sonde ins Wasser. Er zeigt auf den kleinen Messapparat in seiner Hand.
Es sagt uns jetzt, dass wir 4,65 Milligram Sauerstoff pro Liter Flüssigkeit haben. Wir haben eine Sättigung von 39 Prozent, was nicht unbedingt gut ist. Idealzustand wären 80, 90 oder sogar 100 Prozent.
Walter Zehm, Angelverein Neuhaus
Die KI könnte die Werte viel öfter erfassen, zum Beispiel dreimal am Tag, ohne großen Aufwand und niemand müsste Zeit für die Auswertung investieren, wenn die KI einmal gut angelernt ist. Im ersten Jahr soll sie mit allen nötigen Daten gefüttert werden, erklärt Elke Freimuth. Unterstützung bekommt ihre Organisation vom Angelverein, der Kommune und vom Unterhaltungsverband, der das Gebiet entwässert und das Wasser ableitet.
Es ist keine Rocket Science. Wir Menschen können das alles schon. Wir haben die Sensoren. Wir können eine KI programmieren. Es geht den Flüssen dramatisch schlecht. Also müssen wir jetzt was tun.
Elke Freimuth, Naturschutzorganisation Wilde Natur
Die Schwierigkeiten der Aue seien zwar ein lokales Problem, sagt Elke Freimuth – aber eines, das so oder sehr ähnlich auch viele andere Flüsse in Deutschland, Europa und der Welt haben. Deswegen könne "Nala" auch anderen Flüssen helfen – und nicht nur dem Sorgenkind Aue bei Neuhaus.
Gegenwärtig steht die Aktion in einem Wettbewerb des Bundesumweltministeriums um Förderung als KI-Pilotprojekt. Ende des Jahres ist dann klar, ob "Nala" eines von drei geförderten Vorhaben ist.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 8. November 2024, 11:40 Uhr