Interview
Bremen-Check bei buten un binnen: So sind wir vorgegangen

Welche Politikbereiche sollen wir checken? Das wollten wir von den Radio Bremen-Meinungsmeldern wissen. Das Ergebnis aus 16.000 Kommentaren: Verkehr, Bildung, Sicherheit, Wohnen und Gesundheit.
Am 14. Mai 2023 fand die Bürgerschaftswahl statt, rund zwei Monate später stand die rot-grün-rote Regierung. Zwei Jahre danach – zur Halbzeit der Amtsperiode – beleuchtet buten un binnen in dieser Woche, wie die bisherige Bilanz des Bremer Senats ausfällt. Bei der Suche nach den dafür wichtigen Themen halfen die Radio-Bremen-Meinungsmelder: In einer Umfrage konnten sie angeben, in welchen Bereichen noch "viel Luft nach oben" ist und in welchen es "sehr gut" läuft. Herausgekommen sind die Themen Verkehr und Infrastruktur, Bildung, Wohnraum, Sicherheit und Gesundheit, die die Befragten besonders beschäftigen. Im Anschluss konnten die Teilnehmenden kommentieren, was genau in den einzelnen Bereichen als gut oder schlecht empfunden wird.

Daran haben im Zeitraum vom 4. bis 11. März 2025 mehr als 3.500 Menschen teilgenommen. Dorothee Meinzer vom Dialog- und Userlab erklärt, wie die Umfrage genau abgelaufen ist.
Wie seid ihr bei der Meinungsmelder-Umfrage zum Halbzeit-Check vorgegangen?
Die Meinungsmelder-Befragung war dieses Mal ein bisschen anders als gewohnt, weil bei den Online-Umfragen sonst hauptsächlich mit geschlossenen Fragen gearbeitet wird. Dieses Mal war es ganz anders konzipiert. Das heißt, es gab eine große geschlossene Frage, in welchen Bereichen – beispielsweise Gesundheit und Verkehr – es gut oder schlecht läuft. Und dann haben die Leute bei jeder Kategorie die Rückfrage bekommen "Wo gibt es Luft nach oben?" oder "Wobei läuft es denn besonders gut?".
Bei jedem einzelnen Kommentar sind wir induktiv vorgegangen. Das bedeutet, wir haben bei jedem einzelnen Satz geguckt, was da drin steckt.
Dorothee Meinzer, Dialog- und Userlab von Radio Bremen
Und da konnte man zum Beispiel herausfinden, an welchen Orten sich die Meinungsmelder besonders unsicher fühlen, beispielsweise in der Innenstadt oder am Bahnhof. Warum? Wegen der Drogenkriminalität. Und so ging das weiter.
Warum habt ihr euch denn dazu entschieden, anders als sonst mit offenen Fragen zu arbeiten?
Der Wunsch kam aus der Redaktion. Es war genau so angedacht, da ganz offen dranzugehen. Das hat die qualitative oder offene Forschung an sich. Man geht erst gar nicht mit der Annahme rein, dass zum Beispiel bei der Bildung auf jeden Fall der Personalmangel das größte Problem ist. Deswegen hieß es auch Bremen-Check, weil die Leute ihren Fokus setzen und selbst sagen, wo was getan werden muss oder wo es gut läuft.
Das klingt nach einem ziemlich großen zeitlichen Aufwand für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. War das ein Problem?
Ja, es ist tatsächlich so, dass wir eine relativ hohe Abbrecherquote haben. Die erste Frage wurde noch von rund 3.500 Menschen beantwortet, aber bei den einzelnen Bereichen waren es nur noch 2.000. Sprich: 1.500 haben schon gar nicht mehr im Detail geantwortet.
Solche Abbrecherquoten haben wir sonst nicht und es haben auch ein paar später geschrieben, dass sie es sehr anspruchsvoll fanden.
Aber wenn man sich überlegt, dass trotzdem 2.000 Leute zu allen Bereichen etwas im Detail geschrieben haben, ist das ein großer Erfolg.
Dorothee Meinzer, Dialog- und Userlab von Radio Bremen
Wie viel Arbeit habt ihr selbst dort reingesteckt – von der Konzeption bis zur Auswertung?
Die Vorbereitung ging über einen längeren Zeitraum. Wir haben nicht kontinuierlich ausschließlich an dieser Befragung gearbeitet, sondern immer mal wieder. Ich glaube, wir haben im Dezember angefangen und dann gab es immer mal wieder einen Termin. Wir sind zu dritt im Team und es haben alle zwei Wochen an der Auswertung gesessen.
Jeder von uns hat jeden Tag acht Stunden codiert. Das sind wahnsinnige Datenmengen. Wir haben insgesamt rund 16.000 Kommentare gelesen. Es wäre natürlich auch clever gewesen, dafür eine KI einzusetzen, aber bislang arbeiten wir damit noch nicht. Wir hatten kein vorgefertigtes Kategoriensystem, die sind aus dem Material hervorgegangen.
Wie repräsentativ ist die Befragung?
Gar nicht. Unsere Meinungsumfragen sind schon per se nicht repräsentativ. Das liegt allein an der Methode. Man hat keine Repräsentativität, sobald die Leute freiwillig mitmachen dürfen und sich für ein Thema entscheiden.
Das ist das Hauptargument: Jeder kann mitmachen, jede Stimme zählt und es beruht auf Freiwilligkeit. Repräsentativität könnte man nur erreichen, wenn man eine Stichprobenziehung macht.
War die Umfrage anonym?
Ja, an sich schon, aber man kann ganz hinten ankreuzen, ob man nochmal kontaktiert werden möchte und dort seine Kontaktdaten hinterlassen. Wir haben kein Panel, wo man immer drin wäre, wenn man einmal bei den Meinungsmeldern teilgenommen hat, sondern man kann sich bei jedem Thema neu entscheiden. Deswegen werden die Daten auch nicht miteinander verknüpft und wir erstellen auch keine Profile mit diesen Daten. Darum geht es nicht. Wir sehen unsere Befragungen als Einladung zum Dialog. Wir möchten, dass möglichst viele Menschen auf ganz einfache Art und Weise mitmachen können. Und das heißt umgekehrt: Wir möchten niemanden ausschließen. Trotzdem testen wir natürlich, ob wir bei den Befragungen Auffälligkeiten oder besondere Abweichungen haben: Haben besonders viele Frauen mitgemacht? Haben besonders viele jüngere Menschen mitgemacht? Gibt es bei einzelnen Fragen auffällige Ausreißer nach oben oder unten? Übrigens: Dialog heißt für uns, dass wir bei manchen Leuten auch zu Hause vorbeifahren, wenn sie zugestimmt haben. Da halten wir ihnen dann Mikro und Kamera hin und holen uns deren Statement direkt ab. Und das kommt dann auch ins Programm.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. April 2025, 19:30 Uhr