Interview
Forscherin zur Wirkung von Hunden: "Vor allem Männer profitieren"
Hunde, Katzen, Hühner und Schafe tun Menschen richtig gut. Wie vielfältig Tiere uns beeinflussen, erklärt am Welthundetag die Psychologin Andrea Beetz.
Frau Beetz, haben Sie ein Haustier?
Ja. Ich habe einen zweieinhalb Jahre alten Hund. Ich hatte eigentlich immer Hunde seit meiner Kindheit.
Erwischen Sie sich als "Tier-Psychologin" oft dabei, wie Sie sich und ihren Hund analysieren?
(Sie lacht.) Ja, so ein bisschen reflektiere ich natürlich schon: Was sage ich da gerade, wieso sage ich es? Aber schön ist, dass der Hund einem Dinge gut spiegelt. Er fängt beispielsweise an, mich zu beschwichtigen, wenn er mich für angespannt hält. Dann schüttelt er sich, um Stress abzubauen. Und dann weiß ich: Ich muss selbst auch etwas entspannen.
Inzwischen versuchen Forscher, durch KI Tiersprache zu übersetzen – zum Beispiel von Schweinen. Ist das aus Ihrer Sicht auch für Haustiere erfolgversprechend?
Ein bisschen entschlüsseln kann man das sicherlich, wenn zum Beispiel Stresssignale identifiziert werden können. Ich persönlich finde es allerdings immer schöner, wenn die Menschen sich intensiver mit ihren Heimtieren beschäftigen und lernen, was zum Beispiel mit dem Hund ist, wenn er viel gähnt, sich ständig streckt oder schüttelt. Und wenn er mir das Spielzeug vor die Füße wirft oder vor der Futtertonne mit den Leckerlies steht, dann ist ja auch meist klar, was er will.
Über das enge Verhältnis von Menschen und Heimtieren wird schon seit Jahren geforscht. Es gibt Studien, wie Pferde das Sozialverhalten beeinflussen – oder Hunde die Schulleistungen. Gibt es diese Einflüsse wirklich?
Diese Einflüsse sind eindeutig messbar. Es gibt dazu beispielsweise großangelegte Studien mit mehreren Tausend Personen. Sie zeigen, dass Menschen, die Hunde, Katzen oder andere Kleintiere halten, tatsächlich gesünder sind. Ihre Werte hat man dabei mit Gesundheitsdaten von Krankenkassen abgeglichen. Das Ergebnis: Personen, die Heimtiere halten, haben weniger Schlafprobleme und ein besseres Herz-Kreislauf-System. Die Überlebensrate von Tierhaltern nach einem Herzinfarkt ist ein Jahr später beispielsweise auch höher.
Wir wissen auch, dass, wenn man ein Tier nur ein paar Minuten streichelt, das Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird. Und dieses Hormon reduziert Stress, Herzschlag und Blutdruck.
Die Mensch-Tier-Interaktion hat darüber hinaus soziale Effekte. Wenn wir zum Beispiel einen Hund dabeihaben, werden wir häufiger angelächelt.
Gilt das für Frauen und Männer gleichermaßen?
Vor allem die Männer profitieren, wenn sie einen netten Hund dabeihaben. Es gibt Experimente, bei denen Studenten auf die Straße geschickt worden sind, einige mit einem Welpen, anderen mit einem erwachsenen Labrador, einige mit einer anderen Hunderasse und einige allein. Sie sollten fremde Frauen ansprechen und in einem kurzen Gespräch mal nach der Telefonnummer fragen. Die größten Erfolgschancen hatten jene, die einen netten Hund dabeihatten, bestenfalls einen Welpen. Die Studenten ohne Hund schnitten am schlechtesten ab.
Abgesehen vom Flirten, sind Tiere auch in anderen Alltagssituationen hilfreich?
Ja. Es gibt Experimente zu Menschen, die Angst vor dem Zahnarzt haben. Denen hat man bei der Behandlung einen Therapiehund in die Zahnarztpraxis mitgegeben. Eine Kontrollgruppe hatte keinen Hund dabei. Die Gruppe mit dem Hund hat im Nachhinein über viel weniger Angst und Stresssituation berichtet.
Und das gilt in vielen Bereichen – bei Prüfungen in der Schule zum Beispiel.
Würde es aus Ihrer Sicht Sinn machen, Tiere in Schulen zu integrieren?
Wir haben einen exponentiellen Anstieg der Anzahl an Schulhunden in Deutschland. Und ich denke, das hat ein hohes Potenzial, wenn es gut vorbereitet und gut umgesetzt wird. Dazu zählt eine entsprechende Ausbildung, eine Eignungsprüfung. Und dem Hund muss es natürlich Spaß machen.
Mit Schulhunden haben die Kinder mehr Freude an der Schule. Sie fehlen weniger an den Tagen, wo der Hund da ist. Vor allem aggressive Kinder, die sonst auffallen, nehmen sich mehr zurück. Gleichzeitig kommen die ruhigen Kinder mehr aus sich heraus. Es gibt Beobachtungsstudien, die zeigen, dass sich das auf das soziale Gefüge in der Klasse sehr gut auswirken kann.
Wir haben auch mal eine Leseförderung mit Hund durchgeführt. Die Gruppe mit dem Hund hat deutlich schneller lesen gelernt.
Wäre das auch etwas für Kitas?
Da finde ich es schwierig, so wie die Kita-Situation im Moment ist. Es gibt zu wenig Personal und zu laute Gruppen. Das kann für das Tier total stressig sein, wenn es einen ganzen Vormittag in der Kita verbringen muss. Ich finde das daher schon aus Tierschutzgründen schwierig.
Ich kenne aber Projekte, wo einmal pro Woche für vielleicht eine halbe Stunde der Kita-Hund kommt. Da sitzen sie alle brav in einem Stuhlkreis. Das wird vorbereitet. Dann wird etwas mit dem Hund gemacht oder auch der richtige Umgang mit ihm gezeigt. Das ist okay.
Wie sieht es in Büros aus?
Wenn es machbar ist, wirkt es positiv auf die Arbeitsmotivation und die Atmosphäre. Wenn Sie in einem Großraumbüro arbeiten, geht es aber meist nicht. Anders ist die Situation in Büros, wo zwei oder drei Mitarbeiter sitzen. Wichtig ist auch hier, genaue Regeln aufzustellen. Denn wenn Sie es einer Person erlauben, wollen es am Ende vielleicht auch fünfzig andere. Das muss geregelt sein, sonst gibt es Unfrieden und Zwist.
Wir haben Kolleginnen, die mit Hühnern, Eseln, Ziegen oder Schafen arbeiten. Und ich habe Klienten gesehen, für die gab es nichts Schöneres, als sich friedlich mit Schafen auf die Weide zu legen.
Psychologin Andrea Beetz
Wichtig ist nur, dass es sich um domestizierte Tiere handelt. Denn das sind Tiere, die auf die Interaktion mit Menschen eingehen, die freundlich sind, die meistens auch sozial lebende Tiere sind.
Erstmals veröffentlicht am 22. September 2024
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. September 2024, 19:30 Uhr