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Lösen Gesundheitszentren Bremens Ärztemangel? Ärzte und Politik uneins

Symbolbild Wartezeit in Kinderarztpraxen
Vor allem in Bremens ärmeren Stadtteilen fehlen Ärzte. (Symbolbild) Bild: Imago | Lars Berg

Das Bremer Gesundheitsressort plant, kommunale Gesundheitszentren in armen Stadtteilen einzurichten. Ärzteverbände kritisieren das. Aber wer hat recht?

Lange Wartezeiten, volle Praxen – der Ärztemangel ist auch in Bremen ein Problem. Vor allem in ärmeren Stadtteilen wie Gröpelingen oder Tenever gibt es zu wenige Praxen. Doch wie geht man am besten dagegen vor? Darüber sind sich das Bremer Gesundheitsressort und Ärzteverbände in Bremen nicht einig.

Was sind die Pläne des Gesundheitsressorts?

Das Gesundheitsressort plant, in Stadtteilen mit wenigen Arztpraxen sogenannte "Medizinische Versorgungszentren" (MVZ) zu gründen. In diesen Zentren sollen dann verschiedene Ärzte und Ärztinnen arbeiten. Den Anfang sollen Kinderärzte, Hausärzte und Gynäkologen machen. In Zukunft könne man sich aber vorstellen, dass auch zum Beispiel Hebammen dort arbeiten und es verschiedene Beratungsangebote gibt, erklärt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke).

Diese Zentren werden dann von den Kommunen betrieben. Die Ärzte und Ärztinnen, die dort arbeiten, sind nicht selbstständig, sondern im Versorgungszentrum angestellt. Das Gesundheitsressort hofft, dass damit Mediziner und Medizinerinnen angelockt werden können. Denn immer weniger von ihnen wollten selbstständig eine Praxis betreiben.

Ganz häufig haben wir zu hören bekommen, dass die Arbeitsbedingungen schwierig sind. Und das Risiko, eine eigene Praxis zu eröffnen, sei verdammt hoch.

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) im Interview
Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke)

Wie weit sind die Pläne?

Laut Gesundheitsressort werde ein Zentrum schon konkret geplant. Wann und wo es eröffnet wird, ist aber noch nicht klar. Man habe schon in einigen Stadtteilen nach geeigneten Orten gesucht, darunter Tenever, Gröpelingen und Kattenturm. Das Projekt sei aber eher mittelfristig gedacht, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. Man gehe von einer Umsetzung in den kommenden Monaten und Jahren aus.

Es müssen allerdings auch Ärzte und Ärztinnen gefunden werden, die in den Gesundheitszentren arbeiten wollen. Eine Idee ist zum Beispiel ältere Ärzte, die langsam weniger arbeiten möchten, mit einzubeziehen, sagte Bernhard im Interview mit buten un binnen. Mit einigen Interessierten sei man im Austausch, erklärt Fuhrmann.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte findet die Idee des Gesundheitsressorts nicht gut. Was kritisieren die Ärzte?

Solche Gesundheitszentren seien teurer und weniger effizient als selbstständige Arztpraxen, kritisiert der Verband in einer Mitteilung. Er fordert daher, diese Praxen mehr zu unterstützen und damit attraktiver zu machen. Es brauche günstige Räumlichkeiten, Unterstützung bei der Suche nach neuem Personal und weniger Bürokratie.

Sinnvoll wären außerdem Dolmetscher und Sozialarbeiter, die mit den Praxen zusammenarbeiten, meinen die Kinder- und Jugendärzte. Denn sie seien mit neuen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel durch immer mehr übergewichtige Kinder und die psychischen Folgen der Corona-Einschränkungen.

Wie sehen die Hausärzte die Idee?

Auch Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbands Bremen, sieht die Idee kritisch. Denn die Medizinischen Versorgungszentren würden eine teure Parallelstruktur zu den bestehenden Praxen schaffen. Außerdem seien sie nur eine kurzfristige Lösung – denn ältere Ärzte oder solche, die aus der Rente zurückgeholt werden, um in den Zentren zu arbeiten, könnten nicht ewig bleiben.

Das eigentliche Problem sei der Nachwuchsmangel. Und dieser werde durch die Gesundheitszentren nicht geringer. Stattdessen würden die Zentren und die Praxen womöglich um das sowieso schon knappe Assistenzpersonal konkurrieren. Darum plädiert Mühlenfeld dafür, auf das bestehende System zu setzen und die Hausarztpraxen sowie die Stellung des Hausarztes zu stärken.

Was sagen unabhängige Gesundheitsexperten?

Die geplanten Gesundheitszentren können helfen, die Versorgung in den aktuell unterversorgten Stadtteilen zu verbessern, sagt Ansgar Gerhardus, Professor für Versorgungsforschung an der Universität Bremen. Zumindest als kurzfristige Lösung seien sie sinnvoll.

Als Sofortmaßnahme sind solche Zentren absolut nachvollziehbar. Wenn sie dann irgendwann nicht mehr nötig sind, umso besser.

Ansgar Gerhardus
Ansgar Gerhardus, Professor für Versorgungsforschung an der Universität Bremen

Eine Konkurrenz zu den klassischen Arztpraxen sieht Gerhardus bis zu einem gewissen Grad. Denn es könnten zwar Ärzte entscheiden, in einem Gesundheitszentrum statt in einer Arztpraxis zu arbeiten. Allerdings bestehe auch die Möglichkeit, Ärzte zu motivieren, die ansonsten ihren Beruf gar nicht mehr ausüben. Denn in kommunal finanzierten Zentren, in denen die Ärzte angestellt sind, gebe es weniger finanziellen Druck, weniger Zeitdruck und weniger Papierkram, vermutet Gerhardus.

Außerdem liege den Gesundheitszentren mit ihrem vielfältigen Angebot ein ganz anderes Konzept zugrunde, als den Arztpraxen. Durch zum Beispiel Sozialarbeiter könnten sie sich zudem gut in ihrem jeweiligen Viertel vernetzen. So könnten Patienten, denen an anderer Stelle besser geholfen werden kann, gut weitervermittelt werden.

Bremens Gesundheitssenatorin: "Die Praxen brechen weg"

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 14. Februar 2023, 19:30 Uhr