Interview
Ein Novum: Bremen und Bremerhaven produzieren Theaterstück gemeinsam
Eine solche Kooperation hat es bislang noch nicht gegeben. Dramaturg Peter Hilton Fliegel gewährt einen Blick hinter die Kulissen von "Die Welt zwischen den Nachrichten".
Eigentlich liegt der Gedanke ganz nah – ein Ensemble in Bremen und ein Theater in Bremerhaven erarbeiten zusammen ein gemeinsames Stück. Tatsächlich gab es das aber auf professionellem Niveau bisher nicht. Das ändert sich jetzt, denn die renommierten Häuser Bremer Shakespeare Company und das Stadttheater Bremerhaven kooperieren für eine Inszenierung. Im Theater am Leibnizplatz in Bremen hat man sich nun zur ersten Konzeptionsprobe getroffen. Peter Hilton Fliegel, Schauspielleiter und Dramaturg am Stadttheater, berichtet von dem Gemeinschaftsprojekt.
Das Stück mit dem Titel "Die Welt zwischen den Nachrichten" und dem Untertitel "Night Radio Show – oder William Shakespeares Sonette als Medizin gegen nächtliche Einsamkeit" hat zwei Premieren – eine in Bremen im Theater am Leibnizplatz am 26. September und eine in Bremerhaven im Stadttheater am 28. September.
Die Bremerhavener sind nun zu einem ersten Beschnuppern nach Bremen gekommen, geht es dann fairerweise immer hin und her?
Es wird ziemlich viel hin und her gehen, die waren auch schon hier. Wir haben im Dezember schon eine erste Schreibwerkstatt gemacht, mit allen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern. Aber jetzt war die sogenannte Konzeptionsprobe, wo das Regie-Team nochmal allen Beteiligten an dieser Produktion das Konzept vorstellt und wir gemeinsam darüber gesprochen haben, was wir hier eigentlich treiben. Davor gab es ein allererstes offizielles Treffen mit den beiden Leitungen des Hauses, weil es eben die erste Co-Produktion der beiden Häuser ist.
Es war uns wichtig, das herauszustellen. Ich nenne es mal ganz flapsig so: Die kleine "hässliche" Schwesterstadt von Bremen, Bremerhaven, hat ein großes Stadttheater. Und die große Stadt mit einer wahnsinnig reichen Kulturszene hat viele feine und kleine Privattheater. Eines davon, ein sehr renommiertes, 40 Jahre alt inzwischen, ist die Shakespeare Company. Vor ungefähr einem Jahr haben wir gesagt, es wäre doch interessant, wenn wir uns mal zusammenschmeißen und gemeinsam ein Stück erarbeiten.
Was ist anders als an einem Gastspiel in der jeweils anderen Stadt?
Anders ist, dass die beiden Kulturen dieser Häuser, die sich sehr unterscheiden, in ihren Produktionsstrukturen aufeinandertreffen. Das ist für uns erstmal spannend, aber ich glaube auch, dass wird ausstrahlen, auf die Produktion und auf das Resultat auf der Bühne. Denn wir haben auch von Anfang an gesagt, wir machen nicht einfach ein Stück von Shakespeare und besetzen das mit Leuten aus den unterschiedlichen Häusern, sondern es ist eine richtige Stückentwicklung geworden. Die Autorin Judith Kuckart hatte eine inhaltliche Idee. Dann haben wir uns im Dezember getroffen und sechs Schauspielerinnen und Schauspieler zusammengeschmissen, drei von uns, drei aus Bremen, und haben angefangen, dieses Stück zu schreiben.
Kein bekannter Klassiker, sondern von Shakespeare inspiriert, kann man das so sagen?
Das kann man so sagen. Die Shakespeare-Sonette sind die Ausgangsbasis. Und das andere, was im Kern dahintersteht, steckt ein bisschen im Titel: "Die Welt zwischen den Nachrichten". Wenn die Nachrichten schweigen, sitzen wir gerne mal alleine zu Hause uns denken vor uns hin oder hören eben Radio. Es wird eine Radioshow mit einem Moderator, bei dem Leute anrufen, die nachts zu Hause sitzen und einsam sind und aus ihrem Leben erzählen möchten. Den Stoff für diese Geschichten haben die Schauspieler einerseits in ihren privaten Biographien gesucht und zu literarischen Texten verarbeitet, aber eben auch mit den Sonetten von Shakespeare abgeglichen.
Für wen ist das Stück gemacht?
Für alle, würde ich sagen. Das ist vor allem ein Stück für Menschen, die etwas über sich selber erfahren möchten, eben in diesen späten Stunden, wo man alleine zu Hause sitzt und über sein Leben nachdenkt. Das tun wir alle irgendwann mal und das wird auch in diesem Stück stattfinden. Das Tolle ist, dass die unterschiedlichen Arbeitsweisen der beiden Häuser zusammenkommen. Denn die Spieler an der Shakespeare Company sind zum Teil seit Jahren dabei, kennen ihre Art zu spielen. Unsere Stadttheater-Schauspieler sind auch schon länger bei uns, aber haben eine ganz andere Art zu arbeiten. Es wird ungeheuer spannend, weil das eine ganz eigene Energie auf der Bühne ergeben wird.
Das Interview führte Reza Vafa für Bremen Zwei, aufbereitet für butenunbinnen.de von Joschka Schmitt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 26. August 2024, 17:38 Uhr