Eine menschliche Leiche? Skelett sorgt in Bremerhaven für Aufruhr
Zuerst sah es nach einem Verbrechen aus: Auf einer Baustelle in Bremerhaven-Lehe haben Arbeiter Knochen in der Erde gefunden. Doch dann kam die Entwarnung.
Dieter Bischop hat die Hemdsärmel hochgekrempelt. Er steht in einer Baugrube an der Stresemannstraße in Bremerhaven-Lehe. Wenige Meter weiter rauschen Autos vorbei.
Der für Bremerhaven zuständige Referent der Landesarchäologie Bremen wollte eigentlich nur einen schnellen Kontrollgang machen. Doch dann entdeckt er etwas in einer Baugrube: "Hier ist so eine Kugeltopfscherbe, das ist eine Randscherbe. Kugeltöpfe waren so 1.000 nach Christi die gängige Keramik." Vorsichtig reibt er die Erde ab.
"An den Randformen kann der Archäologe erkennen, in welchem Jahrhundert er sich befindet", erklärt er. "Und hier sind wir also im 10. Jahrhundert. Also ist sie knapp tausend Jahre alt, sogar älter als die erste Erwähnung von Lehe. Also schon eine gute Bereicherung."
Ein Cold Case?
Am anderen Ende der Baugrube an der Stresemannstraße schlugen Bauarbeiter vor einiger Zeit Alarm, als sie beim Ausbaggern auf Knochen stießen. "Deswegen war damals auch schon der Erkennungsdienst da und es wurde ein Cold Case vermutet. Aber das konnten wir dann Gott sei Dank abwiegeln", berichtet Bischop.
Die Archäologen fanden schnell heraus: Es handelt sich nicht um menschliche Knochen, sondern um das Skelett einer etwa zweijährigen Kuh, die dort seit 200 bis 300 Jahre lag, schätzt der Experte. Und das waren nicht die einzigen Überreste von Rindern, die in letzter Zeit gefunden wurden. Bei Bauarbeiten in Wulsdorf und Geestemünde stießen Archäologen ebenfalls auf Kuhskelette.
Sowas haben wir noch nicht gehabt. Also hier sind Kühe gerade up to date. In drei verschiedenen Stadtteilen haben wir jetzt Kühe gefunden.
Dieter Bischop, für Bremerhaven zuständiger Referent bei der Landesarchäologie Bremen
Ungewöhnlich, aber nicht unerklärlich. Bremerhaven sei in seinen Ursprüngen von bäuerlichen Gehöften geprägt, sagt Bischop. Und Kühe, die zum Beispiel an Krankheiten gestorben sind, wurden nicht gegessen. "Manchmal sieht es so aus, als seien die Kühe ehrfurchtsvoll bestattet worden. Dass die Bauern so liebevoll mit ihren verstorbenen Kühen umgegangen sind, das können wir nicht mit Sicherheit sagen, aber es ist schon auffällig."
Fundorte verschwinden schnell
Damit jahrhundertealte Funde wie die Kuhskelette oder die Keramikscherben nicht von Baggern zerstört werden, landen alle Bauanträge auf dem Tisch der Landesarchäologen. "Es gibt ja das Verursacherprinzip im Land Bremen, sodass der Bauherr auch zahlen muss für die Entsorgung der historischen Spuren", erklärt Bischop. Entwarnung gibt er aber für Privatleute: "Der kleine Bauherr muss das nicht. Nur für große Immobilienhaie oder wenn eben großer wirtschaftlicher Gewinn erzielt wird, muss bezahlt werden."
Die etwa tausend Jahre alte Scherbe aus der Baugrubenwand hat Bischop inzwischen in eine Plastiktüte gesteckt. Jetzt will er noch den Fundort dokumentieren: "Wir versuchen, das, was im Boden erhalten ist, in ein digitales Onlinedenkmal zu übertragen und müssen das dann eben so gut es geht dokumentieren – in Plänen, Zeichnungen und so weiter." Denn den Fundort wird es so schließlich bald nicht mehr geben: "Sobald eine Baugrube ausgehöhlt ist, ist die Geschichte auch vollkommen futsch."
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 30. April 2023, 11.40 Uhr