Vertrauliche Geburt in Bremen – ein Ausweg für Schwangere in Not

Ein Neugeborenes Mädchen wird getragen.

Vertrauliche Geburt in Bremen: Ein Ausweg für Schwangere in Not

Bild: Imago | Westend61

Zwei Striche auf einem Schwangerschaftstest. Grund für Euphorie – oder Verzweiflung. Die vertrauliche Geburt soll Frauen helfen, die ihr Baby nicht behalten wollen oder können.

Manchmal liegt im Tresor der Beratungsstelle Cara eine Spieluhr. Neben einem Umschlag, der frühestens in 16 Jahren geöffnet werden kann. Der Umschlag enthält streng vertrauliche Informationen zur Identität einer Mutter, die ihr Kind nicht behalten kann oder möchte.

Seit 2014 haben Schwangere in Deutschland das Recht auf eine vertrauliche Geburt. Sie können ihr Baby anonym unter einem Pseudonym zur Welt bringen. Und müssen ihre Identität dabei nur einmal gegenüber einer Beratungsstelle – im Land Bremen Cara – offenlegen. In der Regel geht das Baby dann, wenige Stunden nach der Geburt, in die Obhut einer Adoptionsfamilie über.

Gewalt in der Vergangenheit – oder der Zukunft

Frauen, die sich für eine vertrauliche Geburt entscheiden, befinden sich oft in einer Notsituation, haben Gewalt erlebt.

Teilweise sind es Vergewaltigungen, die zu der Schwangerschaft geführt haben. Wo unter Einfluss von Drogen, K.O.-Tropfen zum Beispiel, gar nicht mehr nachvollziehbar ist, was genau mit wem eigentlich passiert ist.

Judith Hennemann von der Beratungsstelle Cara

In anderen Fällen steht die konkrete Angst vor einem Femizid oder vor Gewalt aus dem direkten Umfeld im Raum, sollte die Schwangerschaft bekannt werden, sagt Judith Hennemann von der Beratungsstelle Cara.

In solchen Fällen verbergen die Frauen ihren Körper hinter weiten Klamotten, erfinden teils auch Ausreden, um Familie oder Bekannte nicht treffen zu müssen. Der Beratungsstelle ist ein Fall bekannt, in dem eine Frau extra von Süddeutschland nach Bremen gezogen sei, um die Schwangerschaft besser vor der Familie zu verstecken.

Schutz von Mutter und Kind

Damit in die Frauen in solchen emotionalen Extremsituationen nicht auf sich allein gestellt sind und eine ärztliche Versorgung sichergestellt ist, gibt es die vertrauliche Geburt. Sie soll Schwangere schützen, hat aber auch die Gesundheit des Kindes im Blick.

Das ganze Konzept ist entwickelt worden, um Kindstötungen und Kindsaussetzungen zu vermeiden. Zusätzlich zu Angeboten wie der Babyklappe, die wir in Bremen haben.

Tanja Joachim, Hebamme am Klinikum Bremen-Mitte

Wenn Frauen, für die eine vertrauliche Geburt infrage kommt, Kontakt mit der Beratungsstelle Cara aufnehmen, sind Fristen für Abtreibungen meist verstrichen. Sie erlebe immer wieder, dass diese Frauen ihre Schwangerschaft verdrängen – und der Körper mitspiele, sagt Beraterin Judith Hennemann. "Wir hatten mehrfach ganz zierliche, schlanke Frauen hier. Sie waren jenseits der 30. Schwangerschaftswoche und man konnte ihnen nicht ansehen, dass sie schwanger sind. Und in dem Moment, in dem sie drüber reden, da ist es, als ob sich irgendetwas entfalten würde." Erst dann werde der Bauch sichtbar.

Mütter geben Rechte ab

18 vertrauliche Geburten gab es im Land Bremen in den vergangenen zehn Jahren. Eine geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass jährlich in Bremen 6.000 bis 7.000 Kinder geboren werden. Möglicherweise, weil der Prozess nicht niedrigschwellig sei, heißt es von den Fachstellen. Außerdem müssen die Frauen bereit sein, sich wirklich von dem Kind zu trennen.

"Die rechtliche Situation ist so, dass die Frau mit Verlassen des Krankenhauses ohne ihr Kind jegliches Recht abgibt", erklärt Judith Hennemann. "Ein Amtsvormund wird eingerichtet." Allerdings bleibt ihr ein kurzes Zeitfenster bis zum offiziellen Beschluss der Adoption, wenn sie ihre Entscheidung rückgängig machen will.

Ein Spielzeug als Erinnerung

Wie viel Nähe die Frauen in dieser emotional belastenden Situation zur ihrem Kind aufbauen, sei ganz verschieden, sagt Hennemann. "Manche wollen ihr Baby nach der Geburt nicht sehen, andere wünschen sich einen Tag Zeit in der Klinik, um sich zu verabschieden." Letztens habe es eine junge Frau gegeben, die ihr Baby unbedingt stillen wollte, trotz der Umstände.

Und einige Mütter geben ihrem Kind noch etwas mit auf den Weg. Einen Namen, einen Brief, oder ein Spielzeug. Wer ihre Mutter genau ist, darüber können die Kinder frühestens mit 16 Jahren, die ersten also 2030, Auskunft erhalten. Dann wird der Umschlag mit den streng vertraulichen Informationen auf Anfrage geöffnet. Aber nur, wenn die Offenlegung das Leben der Mutter nicht gefährdet.

Autorin

  • Sophia Allenstein
    Sophia Allenstein

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 16. Mai 2025, 7:36 Uhr