Fragen & Antworten
Darum dreht sich der Streit um die Weservertiefung
Im Bremer Häfenausschuss geht der erbitterte Richtungsstreit über den richtigen Kurs zwischen Ökonomie und Ökologie in eine neue Runde.
Die Weser weiter ausbaggern, damit die ganz dicken Pötte die Häfen anlaufen? Ergibt das Sinn – gerade mit Blick auf Umweltschutz und Klimawandel? Der Bund und die Länder Bremen und Niedersachsen wollen den Fluss vertiefen – vor allem vor Bremerhaven und dem niedersächsischen Brake. Nach rechtlichen Schwierigkeiten mit dem ursprünglichen Verfahren, ging die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Frühjahr einen neuen Weg. Heute lässt sich der Bremer Häfenausschuss einen Sachstandsbericht der Behörden zum Genehmigungsverfahren geben.
Noch in diesem Jahr soll eine sogenannte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung starten. Darin sollen betroffene Privatleute, anerkannte Vereinigungen und Verbände sowie Träger öffentlicher Belange Stellung beziehen können. Nach einer Abwägung kann der Bundestag dann beschließen. Dafür wird entscheidend sein, wie die künftige Regierung aussieht – und vor allem, welche Rolle die Grünen darin spielen.
Warum soll denn unbedingt gebaggert werden?
Aus wirtschaftlichen Gründen. Denn Befürworter wie der Wirtschaftsverband Weser fordern die Weservertiefung, damit die großen Containerschiffe mit bis zu 13,50 Meter Tiefgang vor allem Bremerhaven anlaufen können. Vom Hafen hängen zu viele Tausend Arbeitsplätze ab, als dass man das aufs Spiel setzen könnte, heißt es aus der Politik – zum Beispiel von Bremens Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD). Gleichzeitig versichert die Senatorin, dass genau und ordentlich abgewogen werde zwischen Wirtschaft und Natur- und Umweltschutz.
Innerhalb der Koalition im Land gibt es aber nicht nur Zustimmung. Die Bremer Grünen hatten der Außenweser bislang zugestimmt, nicht aber der Unterweser, so Sprecher Ralph Saxe: "Wir wollen auf keinen Fall eine Vertiefung der Unterweser. Und dagegen werden wir mit allen Kräften kämpfen." Kritik an der erneuten Vertiefung kam auch aus der Partei Die Linke in Bremen, die hier mitregiert.
Es gab schon Gerichtsurteile gegen die Vertiefung, warum wird das Verfahren trotzdem vorangetrieben?
Geklagt hatte vor allem der Umweltverband BUND. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass sich die Gewässerqualität der Weser nicht verschlechtern dürfe. Deshalb sei die Vertiefung mit der EU-Wasserrichtlinie nicht zu vereinbaren. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraufhin 2016 erklärt, dass das ursprüngliche Verfahren für den Ausbau der Weser rechtswidrig war. Herausgekommen ist ein Schnellverfahren, über das der Bundestag beschließt, nicht mehr die Länder. Nun sollen erst einmal nur die Außenweser vor Bremerhaven und der Bereich bis Brake ausgebaggert werden – der Rest der Weser aus Umweltschutzgründen nicht.
Hier soll die Weser vertieft werden
Und was halten die Umweltverbände davon?
Nichts, der BUND prüft zurzeit erneut eine Klage. Der Vorwurf der Umweltschützer: Mit dem Schnellverfahren sollen sie nur ausgebremst werden und die Wirtschaft werde über alles gestellt. Von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dagegen heißt es, das neue Verfahren sei viel transparenter als das alte und alle Einwände würden gehört. Letztlich ist die Frage: Wie sieht die neue Bundesregierung aus? Und welche Position vertreten die wohl daran beteiligten Grünen dabei mit Blick auf die Klimadebatte? Erstmal treibt die Bundesverwaltung das Verfahren jedoch voran.
Welche weiteren Interessen gibt es rund um die geplante Weservertiefung?
Es prallen denkbar gegensätzliche Positionen aufeinander. Für die Befürworter ist die Weservertiefung alternativlos. Zum Beispiel Uwe Beckmeyer, Vorstandsvorsitzender des Wirtschaftsverbands Weser: "Die Reeder erwarten, dass tideabhängig und -unabhängig Bremerhaven, aber auch Brake erreicht werden können mit den Standardschiffen, die zurzeit laufen. Und die Standardschiffe, die Bremerhaven anlaufen, sind in den letzten 20 Jahren deutlich gewachsen."
In den Augen der Gegner wäre eine weitere Vertiefung eine ökologische Katastrophe und gefährlich. Martin Rode, Geschäftsführer des Umweltschutzverbands BUND in Bremen: "Wir reden über Klimawandel, der Meeresspiegel steigt und wir wollen uns die Nordsee noch schneller reinholen. Das war schon vor zehn Jahren falsch und das ist jetzt falsch und das wird in zehn Jahren noch viel falscher sein."
Kritisch sehen auch Touristik-Fachleute die Vertiefung der Weser – eine weitere Verschlickung der Häfen und Gefährdung der Strände könnte die Folge sein. An einer Menschenkette gegen die weitere Vertiefung beteiligten sich kürzlich rund 500 Menschen.
Für Oliver Oestreich, Vorsitzender des Verbands der Bremer Spediteure, muss die Weservertiefung kommen. So oder so – schließlich gehe es ja nicht nur darum, Container abzustellen, sondern auch eingespielt, logistisch sinnvoll weiterzutransportieren und wieder aufzunehmen: "Wird jetzt der eine oder andere nicht so gerne hören: Also die Außenweservertiefung ist wichtiger, denn da gehen die großen Schiffe hin. Die Musik spielt zuallererst in Bremerhaven, da müssen wir halt sehen, dass die mit den größtmöglichen Schiffen da voll abgeladen hingehen können."
Welche Rolle spielen die laufenden Verhandlungen von Bremen und Hamburg über eine Hafen-Kooperation?
Eine große Rolle. Hamburg hat die Elbvertiefung gegen massive Proteste durchgesetzt. Auch wenn die Weservertiefung kommen sollte – alle Zeichen stehen darauf, dass an einer Hafen-Kooperation von Bremen und Hamburg kein Weg mehr vorbeiführt. Die Verhandlungen gehen dem Vernehmen nach in die Schlussrunde. Künftig dürfte der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven stärker in den Fokus rücken, an dem Bremen ja bereits beteiligt ist. Ein deutliches Zeichen dafür ist, dass die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd jetzt beschlossen hat, in den Jade-Weser-Port mit 30 Prozent einzusteigen. Es wird also aller Voraussicht nach bald mehr Containerumschlag an der Küste stattfinden – weniger in Hamburg.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 29. September 2021, 6:35 Uhr