Infografik
Gibt es zu wenig Plätze für den Alkoholentzug in Bremen?
In Bremen ist auch der Anteil alkoholabhängiger Menschen besonders hoch. Deren Versorgung könnte besser sein, sagen Experten.
Auffällig viele Menschen im Land Bremen haben ein Alkoholproblem. 2,28 Prozent aller Bremer und Bremerinnen, der höchste Anteil nach Mecklenburg-Vorpommern. Das zeigt eine Studie der Barmer Krankenkasse, die dieses Jahr veröffentlicht wurde. Die Zahlen beziehen sich lediglich auf die nachgewiesenen Fälle einer Alkoholsucht. Das heißt: Die Dunkelziffer könnte viel höher sein.
Anteil der alkoholabhängigen Bevölkerung in den Bundesländern im Jahr 2022
Das Problem ist den Institutionen bekannt. "Die Zahlen sind besorgniserregend", bestätigt das Bremer Gesundheitsressort. Und doch kritisiert Beatrix Meier, Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen und Vorsitzende der Bremischen Landesstelle für Suchtfragen, Versorgung und Prävention könnten im Lande besser sein. "Ein Manko ist, dass die Zahlen fehlen, wie viele Patienten wegen Alkoholsucht in den Behandlungszentren aufgenommen werden." Damit man sehen könne, wo Lücken im System sind. Um die Versorgung besser zu steuern.
Es brauche außerdem mehr niedrigschwellige Angebote, Anlaufstellen, an die sich Menschen wenden können, um überhaupt zu verstehen, ob sie ein Problem haben. Denn anders als bei illegalen Drogen gilt: Alkohol ist gesellschaftlich akzeptiert. Ein Gläschen beim Feierabend, ein paar Biere mit Freunden. Wer damit irgendwann nicht mehr klarkommt, hat mit Unverständnis und Stigma zu kämpfen. "Viele denken, man müsse sich nur anstrengen, sich einschränken. Als ob man an seiner Sucht selber schuld wäre. Doch eine Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit." Eine schleichende, oft unsichtbare, die teilweise jahrelang unerkannt bleibt.
Geno: Wartezeit in Bremen sehr kurz
Die Gesundheit Nord (Geno), als kommunaler Klinikverbund für Alkohol-Entzugszentren zuständig, schreibt, man warte in Bremen im Schnitt drei Wochen auf einen Entgiftungsplatz. Das sei eine sehr kurze Wartezeit. Auch würden die Zahlen der Patienten in den Zentren regelmäßig erhoben, jedoch nicht nach einzelner Krankheit aufgeschlüsselt. "Das ist nicht vorgesehen und wäre auch oft schwierig, weil die Patientinnen und Patienten häufig mehrere Erkrankungen haben. Eine Alkoholkrankheit beispielsweise geht oft mit Depressionen einher."
Für Suchtexpertin Meier sind eine Reihe von Handlungen notwendig, um dem Problem entgegenzusteuern. Eine Prävention, die Menschen frühzeitig erreicht. Höhere Altersgrenzen für den Alkoholkonsum, und zwar allgemein ab 18 Jahren. Die Aufhebung der Trennung bei den Suchtzentren in legale und illegale Drogen, damit Betroffene es leichter haben, Hilfe zu finden. Mehr Anlaufpunkte in den einzelnen Stadtteilen, sodass der Weg zur Beratung nicht zu lang ist. Damit sich Abhängige nicht auf der Strecke verlieren, könnte man sagen.
Außerdem: Mehr Entgiftungsplätze in Bremen. Bis zu 24 Betten stehen laut Gesundheitsressort im Klinikum Bremen-Ost zur Verfügung. Die Renovierung der Entgiftungsstation, die nicht mehr den heutigen Standards entspreche. Mehr Duschen in den Abteilungen, etwa.
Die Station im Klinikum in Bremen-Ost ist beispielsweise in einem sehr schlechten Zustand.
Beatrix Meier, Leiterin der Ambulanten Suchthilfe Bremen
Dazu schreibt die Geno auf Nachfrage:
Bauliche Mängel gibt es auf den Stationen nicht. Alle Zimmer verfügen über Toiletten und Waschbecken, haben allerdings keine eigenen Duschen. Diese befinden sich auf dem Stationsflur. Hintergrund ist, dass die Entgiftungsstation im Hauptgebäude des Klinikums Bremen-Ost bisher noch nicht renoviert worden ist. Die meisten psychiatrischen Stationen in den Außenhäusern sind in den vergangenen Jahren bereits erneuert worden.
Stefanie Beckröge, GENO-Sprecherin
Die Bremer Gesundheitsbehörde teilt indes einen Teil der Kritik von Suchtexpertin Meier. "Das Hilfesystem muss niedrigschwelliger werden und wir müssen auch junge Menschen früher erreichen", schreibt Sprecherin Kristin Viezens. Man brauche mehr Beratungsstellen, auch der Anschluss an die Rehabilitation nach der Behandlung im Krankenhaus solle besser werden.
Gesundheitsressort: Suchthilfeplan und digitale Beratung sollen helfen
Eine neue bundesweite, digitale Suchtberatung soll nun junge Menschen einfacher erreichen. Und ein aktueller Psychiatrie- und Suchthilfeplan sieht in Bremen die Wiederherstellung von 40 Plätzen für die Alkoholentgiftung im Krankenhaus vor, die vorheriges Jahr gestrichen wurden. Ob so etwas helfen kann, das Problem zu lindern, wird sich erst zeigen.
Im Rahmen der integrierten Drogenhilfestrategie ist es gelungen, dass deutlich mehr Geld für die Suchtprävention durch das Landesinstitut für Schule zur Verfügung gestellt wird. Davon verspricht sich der Senat deutliche Effekte auch im Bereich des Alkoholkonsums.
Kristin Viezens, Sprecherin der Gesundheitssenatorin
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Juni 2024, 19:30 Uhr