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Vom AWI in die USA: Das steckt hinter dem Abschied von Antje Boetius
Der Abgang der Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven sorgt für Aufsehen. Was Weggefährten dazu sagen und wie es am AWI weitergeht.
Wie schnell schmilzt das Eis in der Arktis und was bedeutet der Klimawandel für das Leben in den Ozeanen? Wer sich für Polar- und Meeresforschung interessiert, kommt um das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven nicht herum. Seit sieben Jahren leitet die Biologin und Tiefseeforscherin Antje Boetius das Institut. Nun die Nachricht: Boetius verlässt das AWI und wechselt an ein Institut in Kalifornien.
Wie überraschend kam die Nachricht vom Abschied aus Bremerhaven?
Durchaus überraschend. Gleichwohl seien sieben Jahre in einer solchen Position schon eine ganze Weile, ist aus dem Umfeld des AWI zu hören. Zumindest gab es nach außen hin keine Gerüchte, dass Antje Boetius Bremerhaven verlassen möchte. Sie sagt selbst, dass für sie ein beruflicher Wechsel bisher nicht in Frage kam, weil sie das AWI liebt. Doch dann sei das Angebot aus Kalifornien gekommen.
Boetius soll dort das Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) leiten, ein sehr berühmtes und renommiertes Institut für Tiefseeforschung. Boetius kennt das MBARI bereits, sie hat dort in den 1990er Jahren Ozeanographie studiert. Damit schließt sich für Boetius ein Kreis.
Was hat Antje Boetius zu ihrem Wechsel bewegt?
Generell arbeiten Meeres- und Polarforschende weltweit, es gehört also ohnehin dazu, Kontinente zu wechseln, sagt Boetius. "Jetzt war ich eine ganz lange Zeit in Bremen und Bremerhaven, so viele Angebote, die ich bekommen habe, habe ich gleich zur Seite gelegt und gesagt, Nein, ich liebe das hier", so die Wissenschaftlerin.
Das Angebot, da hin zu gehen, wo meine Forschung angefangen hat, wo ich viele Freunde habe und wo es so tolle Möglichkeiten gibt, direkt mit dem Gesicht zum Ozean zu leben und zu arbeiten – diesmal konnte ich nicht Nein sagen. Die Idee hat mich irgendwie gepackt.
Antje Boetius, AWI-Direktorin
Das Institut in Kalifornien werde sehr, sehr gut von einer Stiftung gefördert und habe nicht so viele verschiedene Aufgaben. Dort wolle sie direkt zum Meeresschutz durch bestes wissenschaftliches Wissen und die Entwicklung von ganz neuen Methoden und Ozeantechnologien beitragen. "Wir gucken schon immer hin, weil das MBARI ein Partner vom Marum der Uni Bremen und vom AWI ist."
Wofür steht Antje Boetius?
Sie hat es vor allem geschafft, Wissenschaft klar und verständlich zu vermitteln. Am AWI wird zu hochkomplexen Themen geforscht. Dabei fällt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern manchmal schwer, Inhalte so nach außen zu tragen, dass es die breite Masse versteht. Boetius ist das immer sehr gut gelungen. Sie hat sich in Interviews, Podcasts, Dokus für den Meeres- und Klimaschutz stark gemacht.
Außerdem ist Boetius auch Professorin an der Universität Bremen. 2023 hat sie den Preis als "Hochschullehrerin des Jahres" bekommen. Es hieß, sie sei eine "Anwältin der Meere und herausragende Wissenschaftskommunikatorin". Zu den weiteren wichtigen Auszeichnungen gehört das Bundesverdienstkreuz, das ihr 2019 verliehen wurde. Derzeit ist sie auch als Moderatorin der ZDF-Reihe "Terra X" zu sehen.
Wie geht es jetzt am AWI weiter?
Boetius soll zum 1. Mai 2025 ihre neue Stelle in Kalifornien antreten. Das heißt: Jetzt muss zeitnah eine Nachfolge in Bremerhaven her. Darum kümmert sich nun das AWI zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. So ganz aus der Welt ist Boetius dann allerdings nicht. Das MBARI in Kalifornien arbeitet schon jetzt mit dem AWI und dem Marum an der Universität Bremen zusammen.
Eine Verbindung, die dann noch gestärkt werden könnte. Die Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft, Kathrin Moosdorf (Grüne), sagt, ihre Behörde und die Uni Bremen würden schon an künftigen Kooperationen arbeiten. Der Wechsel könne damit eine Chance sein, den Meeresschutz international zu stärken.
Welche öffentlichen Reaktionen gibt es auf den Wechsel?
Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) sprach Boetius seinen Dank aus und betonte ihre Bedeutung. "Die Stadt Bremerhaven hat Antje Boetius viel zu verdanken, sie wird eine große Lücke hinterlassen", so Grantz in einer Mitteilung. So sehr er Boetius gratuliere und Erfolg wünsche, so sehr bedaure er ihren Abschied. Sie sei nicht nur eine exzellente Tiefseeforscherin, die ihre Ergebnisse verständlich vermitteln und andere mit ihrer Begeisterung anstecken könne, sie zeichne sich auch durch Bodenständigkeit und ihre empathische und fröhliche Art aus.
Antje Boetius war in den vergangenen Jahren nicht nur eine herausragende Botschafterin für Bremerhaven, sie ist für mich auch zu einer persönlichen Freundin geworden, die ich vermissen werde.
Melf Grantz, Oberbürgermeister Bremerhaven
Auch Bremens Forschungssenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) dankte Boetius für ihr Engagement und herausragende wissenschaftliche Leistungen am AWI. "Das ist ein wichtiger Punkt für Bremen gewesen, für Bremerhaven, aber auch national und international sehr, sehr angesehen", so Moosdorf zu buten un binnen. Ihr Weggang sei ein Verlust für Bremen.
"Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (FDP) schätzt die Expertise von Frau Professor Boetius sehr", so eine Sprecherin zu buten un binnen. Es sei klar, dass man eng mit transatlantischen Partnern zusammen arbeite, in Politik und Wirtschaft, aber auch der Spitzenforschung.
Für Rudolf Amann, Direktor des Max-Plack-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen und Kollege von Boetius, geht eine Ära zu Ende. "Menschen wie Antje, ganz besondere Menschen, hinterlassen natürlich eine Lücke", so Amann zu buten un binnen. "Auf der anderen Seite: Wir sind Forscher, wir werden weiterarbeiten."
Sie ist von einem unglaublichen Arbeitsethos getragen, arbeitet fast rund um die Uhr, mit ganz unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Sie ist Direktorin von einem riesigen Institut, politisch aktiv, in der Öffentlichkeit Vermittlerin von Wissenschaft, aber auch vor Mikroskop oder Manuskript weiterhin eine ganz hervorragende Wissenschaftlerin.
Rudolf Amann, Direktor des Max-Planck-Instituts
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Oktober 2024, 19.30 Uhr