Interview
Technik aus Bremen: Ariane 6 soll heute erstmals ins All starten
Die Ariane soll ab 21 Uhr in Französisch-Guyana starten. Die Oberstufe der Trägerrakete wird in Bremen gebaut. Ein Manager der Ariane Group sagt, was sie kann und wer sie braucht.
Die Ariane 6 ist noch nicht gestartet, da wird die Rakete von manchen Medien bereits in der Luft zerrissen. Ihr Erststart erfolge zu spät, die Flüge mit ihr seien zu teuer, obendrein hinke Ariane 6 der Konkurrenz technisch hinterher, lauten die Vorwürfe. Tatsächlich sollte Ariane 6 ursprünglich bereits vor vier Jahren erstmals abheben. Auch ist die Rakete, anders als Falkon-9 von Space X, nicht wiederverwertbar. Nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung soll ein Flug mit Ariane 6 rund 90 Millionen Euro kosten – gut 30 Prozent mehr als mit der Konkurrenz aus den USA.
Trotzdem versprechen sich die European Space Agency (ESA) und die Ariane Group viel von ihrer neuen Rakete, deren Oberstufe in Bremen gebaut wird. Über den Erststart der Ariane 6 und über die Gründe für den Optimismus der Ariane Group hat buten un binnen mit Jens Franzeck gesprochen. Der 55-jährige Wirtschaftsingenieur ist Chief Operating Officer der Ariane Group und damit für alle industriellen Aktivitäten des Unternehmens verantwortlich, in Deutschland wie in Frankreich. Franzeck arbeitet überwiegend von Bremen aus.
Herr Franzeck, wie werden Sie den Start verfolgen?
Ich werde in Kourou sein, im Kontrollzentrum Jupiter. Dort wollen wir uns etwa eine Stunde vor dem Start einfinden und gemeinsam den Start verfolgen. Man sieht dort auch verschiedene Parameter der Vorbereitung, des Countdowns. Nach dem Start wollen wir vom Kontrollzentrum aus den weiteren Flug verfolgen.
Sind Sie nervös?
Ja, wir sind alle nervös, positiv gespannt. Wir, Ariane Group in Bremen, aber auch in Frankreich, wir haben viele Jahre gemeinsam darauf hingearbeitet. Spätestens seit dem letzten Test ist uns allen klar: Es geht jetzt auf die finale Phase zu. Da steigt natürlich die Spannung täglich und dann irgendwann stündlich, schließlich minütlich.
Bitte erklären Sie uns, was von der Ariane 6 in Bremen gefertigt worden ist?
Aus Bremen kommt die so genannte Oberstufe der Ariane 6. Das ist das Modul, das die Satelliten an Bord hat und letztlich in ihre jeweiligen Transferumlaufbahnen bringt, also dort aussetzt, wo sie hin sollen. Das wird in Bremen komplett zusammengebaut.
Lässt sich diese Oberstufe mehrfach verwerten?
Nein. Aber das Besondere an der Oberstufe der Ariane 6 ist, dass sie wieder zündbar ist, bis zu viermal. Das bedeutet, dass man die letzte Zündung, den so genannten Boost, nutzen kann, um sie auf die Erde stürzen zu lassen, damit sie verglüht, um keinen Weltraumschrott zu erzeugen.
Was meinen sie mit besonderen Höhen?
Es gibt zum einen niedrige Umlaufbahnen. Zum Beispiel die internationale Raumstation liegt auf dieser Ebene von etwa 400 Kilometern. Wir können aber auch geostationäre Satelliten in 36.000 Kilometer Entfernung zur Erdoberfläche verbringen. Das heißt nicht, dass die Rakete bis dorthin fliegt, sondern dass sie genügend Schub erzeugt, damit der Satellit am Ende auf dieser Höhe ankommt.
Trotzdem heißt es, die Konkurrenz der Ariane 6, insbesondere die Falcon-9-Raketen von SpaceX, seien technisch fortschrittlicher, auch, weil sie wiederverwertbar sind. Was sagen Sie zu diesem Einwand?
Die Ariane Group baut die Ariane 6 im Auftrag der ESA. Die Europäische Raumfahrtorganisation hat beschlossen, was sie möchte, und das hat sie bei uns bestellt.
Ariane 1 bis Ariane 6: Raketen im Portrait
Die Entwicklung der Ariane 6 hat rund vier Milliarden Euro gekostet. Wer sind die tatsächlichen und potentiellen Kunden für die Trägerrakete Ariane 6, mit denen diese Ausgaben wieder eingespielt werden können?
Auch das ist mit der ESA vereinbart. Es wird zum einen institutionelle Starts geben, also zum Beispiel für Forschungssatelliten im Auftrag der ESA oder anderer europäischer Organisationen. Zweitens wird es kommerzielle Starts geben. Darin besteht die Kunst des Raketenbaus: Man muss eine Balance zwischen beiden Arten von Starts finden. So werden sich die eingesetzten Mittel mit der Zeit wieder einspielen.
Wir haben schon jetzt, vor dem Erststart, eine sehr gute Nachfrage mit 30 Aufträgen für den Bau von Raketen. 30 Träger sind also schon gebucht, darunter sowohl Ariane 62 mit ihren zwei Boostern an den Seiten als auch Ariane 64 mit ihren vier Boostern. Das zeigt, dass es eine Nachfrage nach diesem System gibt.
Haben Sie ein Beispiel für einen typische kommerziellen Einsatz der Ariane 6 und für die entsprechenden Kunden parat?
Ein Beispiel wäre das Aussetzen von Satelliten für die Telekommunikation, wenn wir etwa ein Handynetz aufbauen wollen, das über Satelliten funktioniert. Oder auch für Satellitenverbindungen zum elektronischen Bezahlen, meinetwegen auf dem Bremer Weihnachtsmarkt. Oder für Navigationssatelliten für das Navi des Autos. Das können wir alles mit der Ariane 6 bedienen. Navigationssystem-Anbieter gehören ebenso zu unseren Kunden wie Telekommunikationssystem-Anbieter.
Wie lang wird Ariane 6 auf dem Markt sein, beziehungsweise: Wann kommt das Nachfolge-Modell?
Das kann man in der Anfangszeit einer Rakete nie sagen. Das sind sehr langfristige Programme. Es geht dabei auf jeden Fall um ein, zwei oder drei Jahrzehnte, inklusive Weiterentwicklungen natürlich. So ist es auch bei Ariane 5 gewesen. Ariane 5 ist 1997 erstmals und 2023 zum letzten Mal geflogen. Insgesamt flog Ariane 5 mehr als hundert Mal. Etwa um diese Größenordnung könnte es auch diesmal gehen. Schwerlastträger sind sehr aufwändig in der Entwicklung und in der Herstellung. Sie lohnen sich nur, wenn sie über sehr lange Zeiträume eingesetzt werden.
Der Start der Ariane 6 musste schon mehrfach verschoben werden. Wieso sind Sie so zuversichtlich, dass es diesmal klappt?
Wir sind seit sieben Monaten stabil im Zeitplan. Wir sehen seit sieben Monaten, dass dieser Zeitplan eingehalten wird, auch die letzten Tests haben wir gut überstanden. Es gab eine ganze Reihe von Tests.
Sehr wichtig waren die letzten Tests vor zwei Wochen, eine Generalprobe, bei der dem Träger vorgegaukelt wurde, dass er gleich abheben würde. Aber das ist natürlich nicht geschehen, wir haben kontrolliert ein paar Sekunden vorher abgebrochen. Aber: Er wurde betankt, er wurde unter Druck gesetzt, es wurden nochmal alle Ventile und alles überprüft, was man überhaupt am Boden überprüfen kann. Das hat uns noch mal Sicherheit gegeben. Und deshalb sind wir so zuversichtlich.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 9. Juli 2024, 19.30 Uhr