Interview

Bovenschulte: "Wir müssen uns in schwierigen Zeiten unterhaken"

Bovenschulte sitzt an einem Tisch.

"Deutliches Zeichen": Bovenschulte fand Türkei-Besuch "ermutigend"

Bild: dpa | Focke Strangmann

Bremens Bürgermeister hatte am Dienstag an der deutsch-türkischen Städtepartnerschaftskonferenz teilgenommen. Diese stand im Zeichen der Verhaftung von Istanbuls Oberbürgermeister.

Für Andreas Bovenschulte (SPD) ist es eine ereignisreiche Woche: Heute stimmt er im Bundesrat über die Schuldenübernahme des Bundes von kommunalen Schulden ab. Am Mittwoch stellte seine Bundespartei gemeinsam mit der Union den Koalitionsvertrag vor, für den er jetzt bei seinen Mitgliedern um Zustimmung werben möchte. Am Dienstag dagegen stand ein außenpolitischer Termin an: Er war Gast auf der deutsch-türkischen Städtepartnerschaftskonferenz, an der zahlreiche Bürgermeister deutscher und türkischer Städte teilgenommen hatten.

Eingeladen zur Konferenz hatte der damalige Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu. Eigentlich sollte es um die Beziehungen von deutschen und türkischen Partnerstädten gehen – weil dieser aber Mitte März festgenommen wurde, stand das ganze Treffen in einem neuen inhaltlichen Licht. CHP-Politiker İmamoğlu gilt als größter politischer Konkurrent des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (AKP).

Herr Bovenschulte, wie stark ist dieses Treffen geprägt gewesen von İmamoğlu Inhaftierung?

Bei einer Demonstration in Istanbul halten Menschen ein Plakat des inahftierten Bürgermeisters Ekrem Imamoglu in die Höhe.
Auch am Mittwoch demonstrierten Menschen für die Freilassung des Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu. Bild: dpa | Tolga Uluturk

Das war natürlich das dominierende Thema. Die deutsch-türkische Städtepartnerschaftskonferenz ist durchaus eine Veranstaltung mit einer gewissen Tradition. Also haben wir bei der Konferenz auch über die Brot-und-Butter-Fragen kommunaler Zusammenarbeit gesprochen. Aber das dominierende Thema war natürlich die Situation in der Türkei, die Situation der Demokratie, die Situation der Städte und natürlich die Verhaftung und Amtsenthebung von etlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, allen voran des Istanbuler Oberbürgermeisters.

Wir haben da auch ein ganz klares Zeichen der Solidarität gesetzt – und die türkischen Kolleginnen und Kollegen waren sehr erfreut, dass wir mit 20, 25 Bürgermeistern aus Deutschland anwesend waren.

Inwiefern ein Zeichen der Solidarität gesetzt? Wie müssen wir uns das vorstellen?

Naja, das ist eine Versammlung – und da haben wir natürlich keine Massendemonstrationen abgehalten. Aber wir haben eine gemeinsame Resolution einstimmig verabschiedet, in der wir deutlich gemacht haben, dass das überhaupt nicht geht, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als demokratisch gewählte Repräsentanten einfach abgesetzt und verhaftet werden.

Klar ist, wenn es Vorwürfe gibt, dann muss denen wie in jedem Land nachgegangen werden. Niemand steht oberhalb des Rechts. Aber dass einfach von oben gesagt wird: "Du, da werden Ermittlungen aufgenommen und deshalb wirst du abgesetzt und in Haft genommen" – das geht natürlich nicht.

Andreas Bovenschulte (SPD), Bremens Bürgermeister

Insgesamt war das natürlich eher eine Konferenz. Die Stadt selber war relativ ruhig. Wir haben die Konferenz am Dienstag durchgeführt und die nächste Großdemonstration sollte es dann am Mittwoch geben. Da sind wir aber schon wieder abgereist.

Inwiefern war es denn überhaupt möglich – in dieser absolut angespannten politischen Situation in der Türkei – mit ihren Bürgermeister-Kolleginnen und -Kollegen auch über andere Themen zu sprechen? Da sind ja sicherlich auch Partnerstädte dabei, die von der Regierungspartei AKP regiert werden.

Das war aber schon möglich. Ich habe mich zum Beispiel mit dem amtierenden Oberbürgermeister von Istanbul zusammengesetzt. Wir haben eine halbe Stunde intensiv darüber diskutiert, wie Perspektiven der lokalen Demokratie aussehen. Ich habe mich natürlich mit meinem Amtskollegen aus Izmir getroffen, und da geht es dann um ganz konkrete Dinge. Wie kann die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft werden? Wie können wir beim Thema Fachkräftegewinnung zusammenarbeiten, beim Kulturaustausch? Das spielte auch alles eine Rolle, aber immer unter der Überschrift: Wir müssen uns in schwierigen Zeiten unterhaken.

Und wir müssen uns wehren, wenn lokale Demokratie eingeschränkt wird. Und natürlich nicht nur lokale Demokratie, sondern Demokratie insgesamt.

Andreas Bovenschulte (SPD), Bremens Bürgermeister

Das war die ganz klare Botschaft, und ich fand es sehr ermutigend, dass die Abschlussresolution dann tatsächlich auch einstimmig angenommen wurde. Das war schon ein deutliches Zeichen. Es gab auch ganz offene Diskussion. Es war jetzt nichts von einem Klima der Einschüchterung und des Duckmäusertums zu spüren. Und das hat schon Mut gemacht.

Das Interview führte Keno Bergholz für Bremen Zwei, für butenunbinnen.de aufgeschrieben und redigiert hat es Julian Beimdiecke.

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 11. April 2025, 8.10 Uhr