Hintergrund

Das waren die wichtigsten Ereignisse in der Mordserie von Scheeßel

Besondere Schwere der Schuld: Soldat muss lebenslang ins Gefängnis

Bild: Radio Bremen

Im März 2024 erschoss ein Bundeswehrsoldat vier Menschen aus dem Umfeld seiner Ex-Frau. Er muss lebenslang ins Gefängnis. Ein Rückblick auf die Tat und den Prozess.

Eine Eingeschlagene Scheibe einer Haustür.
In diesem Haus soll der Angeklagte zwei Menschen getötet haben. Bild: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

1. März 2024: Am frühen Morgen tötet ein 32-jähriger Bundeswehrsoldat offenbar vier Menschen. Wie später in der Anklageschrift zu lesen ist, erschießt er anscheinend gegen 3.30 Uhr in einem Einfamilienhaus in Westervesede im Landkreis Rotenburg zunächst den neuen Lebensgefährten seiner früheren Partnerin und dessen Mutter. Anschließend fährt er wohl weiter ins nahe gelegene Bothel und tötet dort die beste Freundin seiner Ex-Frau und deren dreijähriges Kind, danach stellt er sich in einer Kaserne in Rotenburg der Polizei, wo er schließlich festgenommen wird. Das Amtsgericht Verden stellt noch am selben Tag einen Haftbefehl wegen Mordes in vier Fällen aus, der Soldat kommt in eine Justizvollzugsanstalt. Geschossen hat er offenbar mit seinen eigenen Waffen, die er als Sportschütze besessen hat.

6. März 2024: In Bothel und Westervesede kommen mehr als 500 Menschen zu Trauergottesdiensten für die Opfer zusammen. Es folgen weitere Gedenkveranstaltungen. Für die Hinterbliebenen werden Spenden gesammelt.

4. Juli 2024: Die Staatsanwaltschaft Verden klagt den 32-Jährigen wegen vierfachen Mordes an. Als Motiv nennt die Staatsanwaltschaft Rache und Hass.

29. Juli 2024: Das Landgericht Verden setzt den Prozessbeginn für Mitte August an. Eingeplant sind zunächst 35 Prozesstage.

Ein Angeklagter steht zwischen seinen beiden Verteidigern im Gerichtssaal vom Landgericht Verden.
Der Angeklagte mit seinen Anwälten während des Prozesses. Bild: dpa | Sina Schuldt

21. August 2024: Der Prozess gegen den Angeklagten beginnt. Zum Auftakt wird die Anklage verlesen, äußern will sich der Angeklagte zunächst nicht. Von insgesamt acht Nebenklägern sind nur drei im Gericht anwesend: Einige seien psychisch nicht in der Lage, mit dem Angeklagten in einem Raum zu sitzen, teilen ihre Anwälte mit.

2. Oktober 2024: Als erster Zeuge im Prozess sagt ein psychiatrischer Gutachter aus, dem der Angeklagte seine Tat und Motive geschildert habe. Ihm zufolge hat der Angeklagte seine Opfer für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich gemacht. Ihren Tod habe er genau geplant und schließlich in die Tat umgesetzt – seitdem könne er besser "essen und schlafen", zitiert ihn der Psychiater. Reue und Traurigkeit spüre der Angeklagte nicht, nur den Tod des dreijährigen Kindes habe er nicht gewollt, weswegen ihm die Kindstötung leid tue.

25. Oktober 2024: Erstmals sagt eine Zeugin aus dem Umfeld des Angeklagten aus: seine ehemalige Schwiegermutter. Sie berichtet davon, dass ihre Tochter und er zunächst "sehr, sehr große Liebe" füreinander empfunden hätten, er sich dann aber auf seine Karriere als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr konzentriert und in der Folge kaum geredet und Gefühle gezeigt habe. Ihre Tochter habe dann lieber Zeit mit ihrer besten Freundin verbracht.

11. Dezember 2024: Kurz nach der Tat hatte der Angeklagte mit einem damaligen Freund telefoniert. In dem 45-minütigen Gespräch habe er unter anderem gesagt, dass er seine Ex-Frau nur deshalb nicht erschossen habe, weil er wusste, dass sie von ihm schwanger ist, so der Freund, der vor Gericht als Zeuge aussagt. Insgesamt habe der Angeklagte im Gespräch entspannt auf ihn gewirkt. Der Zeuge habe ihn dazu bewegt, sich zu stellen.

8. Januar 2025: Vor Gericht sagen Polizisten aus, die eine Woche vor der Tat eine sogenannte Gefährderansprache an den Angeklagten gehalten haben. Hintergrund war eine Anzeige wegen Bedrohung gegen den Soldaten – die hatten seine Ex-Frau und ihr neuer Partner erstattet. Der Grund: Als der Angeklagte im Februar 2024 früher von einem Bundeswehr-Lehrgang nach Hause kam, traf er dort auf die beiden – der neue Partner habe sich beim Aufeinandertreffen durch das Verhalten des Soldaten massiv bedroht gefühlt.

Bei der Gefährderansprache, die die Polizisten im Anschluss gehalten haben, hat sich der Angeklagte laut Polizisten kooperativ und ruhig gezeigt und keine Rachegedanken geäußert. Die Polizisten hätten zudem nichts von Waffen im Haus des Angeklagten gewusst, sagen sie vor Gericht.

11. Februar 2025: Erstmals seit fast einem Jahr treffen der Angeklagte und seine Ex-Frau wieder aufeinander, sie ist als Zeugin geladen. Interaktion zwischen den beiden gibt es nicht, nicht einmal Blickkontakt. Auf Basis des Zeugnisverweigerungsrechts verweigert sie ihre Aussage.

Auch der Haftrichter, der dem Angeklagten nach der Tat den Haftbefehl verkündet hatte, ist als Zeuge geladen. Er berichtet unter anderem, dass der Soldat insgesamt "soldatisch gefasst" gewirkt, aber erstaunt reagierte habe, als er hörte, dass er ein Kind erschossen haben soll.

14. Februar 2025: Der Angeklagte legt ein Geständnis ab. "Ich habe mich gefühlt, als wäre ich im Einsatz", sagt der Fallschirmjäger vor dem Landgericht Verden. "Rein, suchen, vernichten, fertig." Er räumt ein, die Morde geplant zu haben. Die Opfer hätten seine Familie und seine Zukunft zerstört. Nur das dreijährige Kind habe er nicht absichtlich getötet – das auf dem Arm seiner Mutter sitzende Mädchen habe er nicht wahrgenommen.

25. Februar 2025: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung fordern in ihren Plädoyers wegen dreifachen Mordes und einer fahrlässigen Tötung eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten. Staatsanwaltschaft und Nebenklage fordern zudem, dass das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellt: Eine vorzeitige Haftentlassung wäre damit ausgeschlossen. Die Verteidigung argumentiert gegen die besondere Schwere der Schuld.

28. Februar 2025: Das Verdener Landgericht verurteilt den Angeklagten zu lebenslanger Haft und stellt die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen. Der Soldat wurde des dreifachen Mordes schuldig gesprochen. Die Tötung der Tochter eines der Opfer wertete das Gericht als fahrlässige Tötung, da die Frau das Kind auf dem Arm unter einer Decke hielt und das Gericht dem Angeklagten glaubte, dass er das Kind nicht gesehen habe.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Februar 2025, 19:30 Uhr