Wesertunnelbau: Bekämpft, verzögert und jetzt gefeiert
Der Wesertunnelbau zwischen Seehausen und Oslebshausen hat begonnen. Das Verkehrsprojekt A281 gilt als Meilenstein – und verspätet sich doch um Jahrzehnte.
"Der Ringschluss der A281 bleibt für uns das zentrale Ziel der Verkehrspolitik", heißt es im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen. Da wundert es nicht, dass Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und sein Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) den ersten Spatenstich für den neuen Wesertunnel im Bremer Nordwesten gemeinsam gesetzt haben. Fast 50 Jahre, nachdem die ersten Ideen zur Weserquerung vom Bund formuliert worden waren. Dieser zahlt jetzt den Löwenanteil des "Bauabschnitts 4" der A281: rund 345 Millionen Euro.
Ein Tunnel für täglich 42.000 Fahrzeuge
Der 1,6 Kilometer lange Tunnel gilt als Herzstück der neuen Stadtautobahn. Als fünfter verwirklichter Bauabschnitt der A281 stellt er die Verbindung vom Güterverkehrszentrum zur A27 her. Durch seine Röhren sollen den Planern zufolge ab 2024 gut 42.000 Autos und Laster täglich vierspurig die Weser zwischen Seehausen und Oslebshausen unterqueren.
Der letzte von sechs Bauabschnitten zur Autobahnring-Vollendung – der sogenannte Bauabschnitt 2/2 – soll ebenfalls in diesem Frühjahr in Angriff genommen und in fünf Jahren fertig sein. Er wird im Süden Bremens den Neuenlander Ring und den Zubringer Arsten verbinden.
A281 soll viele Verkehrsprobleme lösen
Die Vorteile der bislang auf Gesamtkosten von rund 850 Millionen Euro geschätzten Stadtautobahn gelten als unbestritten. Nach ihrer Fertigstellung verknüpft sie das Güterverkehrszentrum (GVZ) mit dem internationalen Fernstraßennetz. Auch Flughafen und Neustädter Hafen sind dann direkt an das bundesdeutsche Autobahnnetz angebunden.
Der Autobahnring entlastet darüber hinaus den Verkehr auf A27 und A1. Beide Autobahnen sind bislang nur über das Bremer Kreuz sowie B75, B6 und einige Bremer Hauptverkehrsstraßen miteinander verbunden. Die Folgen: lange Fahrzeiten für Pendler, Lärm für Anwohner und innerstädtische Luftverschmutzung durch Feinstaub und Stickoxide, insbesondere an Verkehrsadern wie der ohnehin maroden Stephanibrücke. Für die von Staus geplagte Überseestadt rechnen Verkehrsexperten insbesondere durch den Wesertunnel mit einer Entlastung.
Mehr als fünf Jahrzehnte vom Plan zur Vollendung
Die vielen Vorteile einer L-förmigen Eckverbindung zwischen A27 und A1 für den gesamten Nordwesten Deutschlands hatte die Bundesregierung im Übrigen schon 1970 festgestellt. Danach passierte jedoch lange nichts. Die hohen Baukosten, aber auch politische Querelen um den Bau der rund 17 Kilometer langen A281 haben das Projekt immer wieder verzögert.
Verwirklicht wurden zunächst nur Teilstücke – darunter 1995 der Abschnitt zwischen Industriehäfen und Burg-Grambke sowie 2008 die Strecke zwischen GVZ und dem Neuenlander Ring, der durch die von zwei 50 Meter hohen blauen Pylonen getragene Schrägseilbrücke geprägt ist. 2014 wurde darüber hinaus der Bau des Abschnitts zwischen den Anschlussstellen Bremen Strom und Bremen-Seehausen abgeschlossen.
Vor allem die Pläne für die Weserquerung, deren Bau nun einmütig – und begleitet von Shanty-Chor-Gesängen – eingeleitet wird, waren hingegen rund zwei Jahrzehnte lang Anlass für Querelen. Maut oder nicht, Brücke oder Tunnel, Lärm, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit – darüber wurde vor allem seit der Jahrtausendwende immer wieder debattiert.
Seit 1993 stand im Raum, die Weserquerung im Zuge einer Public-Private-Partnership zu realisieren, wobei ein Privatunternehmen die Baukosten übernommen und diese dann durch eine Maut refinanziert hätte. Pläne, die ein Jahrzehnt später konkret vorangetrieben wurden. Ein weiteres Jahrzehnt später zerschlugen sie sich jedoch.
Streit bis in höchste Instanzen
Die Parteien stritten auch darüber, ob eine Brücke oder ein teurerer Tunnel geplant werden sollte. Im Sinne der Anwohner fand sich schließlich eine politische Mehrheit für den Tunnelbau. Allerdings nicht per Bohrverfahren, sondern im kostengünstigeren Absenkverfahren, bei der die Tunnelröhren im Fluss versenkt werden. Dafür mussten jedoch sechs Wohnhäuser weichen. Das wiederum veranlasste die Betroffenen, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Die Klage wurde in Karlsruhe jedoch Anfang 2016 abgewiesen.
Daraufhin sagte schließlich auch das Bundesverkehrsministerium im April 2017 die Finanzierung zu. Kurz darauf ließen auch der Stahlkonzern Arcelor-Mittal und der Zementkonzern Holcim ihre Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht ruhen. Von den Bauarbeiten direkt betroffen, hatten beide Konzerne zuvor ebenfalls mit dem Senat um Grundstücksverkäufe und Entschädigungszahlungen gestritten.
Ob mit dem heutigen Spatenstich nun den feierlichen Reden der Beteiligten das letzte Wort gesprochen ist, bleibt zwar offen. Für die meisten Anwohner, Pendler und Bremer Unternehmen ist der bevorstehende Bau der zwei letzten der sechs A281-Abschnitte aber wohl eine gute Nachricht – zumindest langfristig. Denn bis 2024 – zumindest darüber herrscht Einigkeit – ist wegen der Bauarbeiten mit vermehrten Staus, Lärm sowie erhöhter Umwelt- und Feinstaubbelastung in Bremen zu rechnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Vier beginnt, 10. Januar 2019, 6:40 Uhr