Fragen & Antworten
3 Monate Cannabisgesetz: Bremer Straßenhandel ungebrochen
Seit einem Vierteljahr darf man in Deutschland kiffen und daheim Cannabis anbauen. Trotzdem boomt der Handel auf der Straße, sagt die Polizei. Jetzt legen Anbau-Clubs los.
Ab sofort greift die zweite Stufe des Cannabisgesetzes. Das heißt: Anbaugemeinschaften dürfen nun eine Zulassung für das Kultivieren von Cannabis beantragen, um damit demnächst je bis zu 500 Clubmitglieder mit jeweils bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat zu versorgen. Im Land Bremen ist das Gesundheitsressort für die Zulassung der Anbaugemeinschaften zuständig, in Niedersachsen ist es die Landwirtschaftskammer.
Zur Erinnerung: Bereits seit April darf in Deutschland jeder Erwachsene Cannabis für den Eigenbedarf anbauen und rauchen. Doch das neue Gesetz ist umstritten. buten un binnen hat bei der Polizei und bei einem Cannabis Social Club nachgefragt, wie sich das Gesetz bislang in Bremen auswirkt und wie es weitergeht.
Wie wirkt sich das Cannabisgesetz bis jetzt aus Sicht der Polizei im Land Bremen aus?
Der Zeitraum von bislang drei Monaten sei zu kurz, um mit aussagekräftigen Zahlen und Statistiken an die Öffentlichkeit zu treten, teilen Jens Ammermann von der Ortspolizeibehörde Bremerhaven und Nils Matthiesen von der Polizei Bremen übereinstimmend mit.
Allerdings lasse sich feststellen, dass die Polizei durch das neue Gesetz keinesfalls entlastet werde, so Matthiesen. Der Schwarzmarkt bleibe wahrscheinlich stark, da der Bedarf an Cannabis in der Bevölkerung weiterhin bestehe.
Wir stellen aktuell sogar einen Anstieg im Straßenhandel fest.
Polizeisprecher Nils Matthiesen
Dazu muss man wissen: Die Ampel-Koaltion im Bund hatte die Legalisierung von Cannabis vor allem mit dem Argument vorangetrieben, dass man auf diese Weise den illegalen Handel von Haschisch und Marihuana eindämmen könne.
Was glaubt die Polizei: Wie wird sich auswirken, dass jetzt auch die Cannabis-Anbaugemeinschaften loslegen dürfen?
Die Polizei, so Matthiesen, rechne mit einem steigenden Cannabiskonsum in der Öffentlichkeit. Allerdings nicht nur wegen der Aktivitäten der Anbaugemeinschaften, sondern kurzfristig auch wegen des Sommerwetters. Es führe dazu, dass sich mehr Menschen öfter und länger als sonst im Freien aufhalten.
Darüber hinaus rechnet die Polizei Bremen damit, dass künftig mehr Menschen unter dem Einfluss von THC (Tetrahydrocannabinol, der psychoaktive Wirkstoff der Hanf-Pflanze) Auto fahren werden. Das sei auch deshalb zu erwarten, so Matthiesen, weil der Bund den zulässigen THC-Grenzwert anhebt: von einem auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut.
Seit Monatsbeginn dürfen Cannabis-Anbauvereinigungen im Bremen Lizenzen beim Gesundheitsressort beantragen. Wann werden sie richtig loslegen und Cannabis an ihre Mitglieder abgeben?
Volker Lux, stellvertretender Vorsitzender des Cannabis Social Clubs Werderhigh, erklärt, dass die Behörden drei Monate Zeit hätten, um über eine Zulassung zu entscheiden. Entsprechend könne es sein, dass etwa Werderhigh erst im Oktober mit dem Anbau werde beginnen können. "Wobei wir noch hoffen, dass wir vielleicht schon im August oder im September Pflanzen kultivieren dürfen", so Lux.
Etwa nach einem Quartal, also Ende des laufenden Jahres, werde Werderhigh erstmals Cannabis ernten können – um es anschließend für einige Monate zu trocknen. Lux rechnet daher damit, dass Werderhigh und die anderen Clubs erst im Frühjahr Gras an ihre Mitglieder werden abgeben können.
Was sind die Voraussetzungen, die ein Club erfüllen muss und wie viele dieser Clubs wird es in Bremen geben?
Anbauvereinigungen dürfen höchstens 500 Mitglieder haben. Alle müssen mindestens 18 Jahre alt sein und seit mindestens sechs Monaten in Deutschland leben. Außerdem müssen Anbauvereinigungen eine Mindestmitgliedschaft von drei Monaten in ihrer Satzung vorsehen. "Diese Regelungen dienen der Vermeidung von grenzüberschreitendem Drogentourismus", erklärt dazu das Bundesgesundheitsministerium. Die Anbauvereinigungen müssen zudem einen Mindestabstand von 200 Metern zu Schulen, Kitas und Spielplätzen einhalten.
Außerdem müssen die Anbaugemeinschaften gewährleisten, dass ihr Cannabis sowie die Stecklinge und Samen vor Kindern und Jugendlichen geschützt sind und auch sonst niemand, der nicht dazugehört, darauf zugreifen kann. Schließlich müssen die Vorstandsmitglieder ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, dürfen nicht einschlägig vorbestraft sein.
Im Land Bremen weiß Volker Lux bislang nur von weniger als einer Handvoll Initiativen, die sich um eine Anbaulizenz bemühen wollen. Für Werderhigh berichtet er: "Wir haben aktuell über 500 Interessenten, die gerne Mitglied werden möchten." Allerdings sei nur ein Teil davon am Clubleben interessiert. Werderhigh werde zunächst lediglich rund 100 Mitglieder aufnehmen. Das habe auch damit zu tun, dass sich der Verein keine hauptamtlichen Beschäftigten leisten könne und daher alles ehrenamtlich erledigen müsse.
Was müssen die Mitglieder einer Anbaugemeinschaft für ein Gramm Marihuana bezahlen?
Cannabis-Anbauvereinigungen sind laut Bundesgesundheitsministerium grundsätzlich "eingetragene, nicht-wirtschaftliche Vereine oder eingetragene Genossenschaften, deren Zweck der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis (…) zum Eigenkonsum ist. Sie werden nach den Grundsätzen des Vereinsrechts geleitet."
Entsprechend dürfen die Gemeinschaften Cannabis nicht verkaufen, ebenso wenig wie der Handel damit auf der Straße erlaubt ist. "Cannabis darf ausschließlich von Mitgliedern angebaut und ausschließlich an Mitglieder zum Zweck des Eigenkonsums abgegeben werden", so das Bundesgesundheitsministerium.
Um trotzdem kostendeckend arbeiten zu können, erheben die Vereine Mitgliedsbeiträge von meist zehn bis zwanzig Euro pro Monat. Auf das Cannabis umgerechnet entstehe so ein Gramm-Preis von fünf bis acht Euro, schätzt Lux für Werderhigh. Zum Vergleich: Der Straßenpreis von einem Gramm Marihuana lag "Statista" zufolge im Jahr 2021 bei zehn Euro pro Gramm.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 1. Juli 2024, 19 Uhr